Jeffries Ein Schurke zum Verlieben
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-8025-9987-3
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 02, 384 Seiten
Reihe: Dukes Men
ISBN: 978-3-8025-9987-3
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Weitere Infos & Material
Prolog Amsterdam 1818 Die Dunkelheit war schon vor einer Weile hereingebrochen. Die achtzehnjährige Isabella Cale hatte ihre Arme fest um den Nacken ihres frisch angetrauten Ehemanns Victor geschlungen, während er sie in ihr altes Zimmer im Haus ihrer Schwester Jacoba trug. Isa war nur ungern hergekommen, aber es war sicherer, als sich von Jacoba in ihrer Wohnung pflegen zu lassen. Ihre Schwester sollte keine Gelegenheit haben, nach den künstlichen Edelsteinen zu suchen, die Isa dort vor Jacobas Ehemann versteckt hatte. Und Victor weigerte sich, Isa alleine zu lassen, wenn sie krank war. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Hoffentlich hatte sie Erfolg damit, krank zu spielen. Und hoffentlich fand Victor nie heraus, dass ihre Halsschmerzen nur vorgetäuscht waren. Es war schwierig genug gewesen, sich den ganzen Tag krank zu stellen, während ihre Arbeit im Juweliergeschäft auf sie wartete. Aber jetzt machten Victors besorgte Blicke es noch schwieriger. Sie waren gerade eine Woche verheiratet, und das Letzte, was sie wollte, war, ihm etwas vorzumachen. Doch sie hatte keine andere Wahl. Es war zu seinem eigenen Besten. Und zu ihrem. »Bist du sicher, dass sie keinen Arzt braucht?«, fragte Victor Jacoba, während er Isa sanft auf ihr altes Bett legte. »Sie braucht nur Ruhe und jemanden, der sie ein bisschen verwöhnt.« Jacoba deckte Isa zu. »Sie hat diese schrecklichen Halsentzündungen seit ihrer Kindheit. Aber sie dauern nie länger als eine Woche. Es war richtig, sie hierherzubringen. Es tut ihr nicht gut, allein zu sein.« Früher hatte sie sich beim Klang der sanften Stimme ihrer Schwester immer sicher gefühlt. Aber das war gewesen, bevor ihr Vater, der Uhrmacher, vor sechs Jahren gestorben war. Bevor Papas Gehilfe, Gerhart Hendrix, Jacoba geheiratet und sie beide zu sich genommen hatte. Und bevor Gerhart angefangen hatte zu spielen. Isa und Jacoba waren sich nicht mehr so nahe, wie sie es früher gewesen waren. »Du musst keine Angst haben, dass ich sterbe, während du im Laden bist«, sagte Isa mit heiserer Stimme zu Victor. »So krank bin ich nicht.« Victor hatte vorübergehend den Posten eines Nachtwächters bei dem Juwelier übernommen, für den sie als Diamantschneiderin arbeitete. Da sie tagsüber und Victor nachts arbeitete, konnten sie nicht viel Zeit zusammen verbringen. Deshalb war es für Isa himmlisch gewesen, heute mit Victor zu Hause bleiben zu können. Abgesehen davon natürlich, dass sie sich hatte krank stellen müssen. Schatten der Liebe und Besorgnis umgaben Victors schöne haselnussbraune Augen. »Leider muss ich jetzt gehen, aber wenigstens kann sich Jacoba um dich kümmern.« Oh, wie sehr wünschte sie sich, sie hätte den Mut gehabt, ihm die Wahrheit zu sagen! Aber dann hätte er sie vielleicht nicht mehr mit diesen zärtlichen Augen angesehen. Und das hätte ihr das Herz gebrochen. Es war besser, dem Problem aus dem Weg zu gehen. Wenn es ihr gelang, ihre Schwester und ihren Schwager nur diese eine Nacht mit ihrer angeblichen Krankheit zu täuschen, dann würde morgen alles vorbei sein. Dann würde Victor nie etwas von Gerharts und Jacobas verrücktem Plan erfahren, die königlichen Juwelen aus dem Juweliergeschäft zu stehlen. Als er sich zu ihr hinunterbeugte, um sie auf die Stirn zu küssen, fiel ihm eine Locke seines welligen, eichenholzfarbenen Haares ins Gesicht. »Ich wünschte, ich könnte bei dir bleiben. Aber wir erwarten die Leibgarde des Prinzen …« »Ich weiß«, schnitt sie ihm das Wort ab, bevor er verraten konnte, dass die königlichen Juwelen morgen aus dem Geschäft abgeholt werden sollten. Jacoba durfte um keinen Preis erfahren, dass diese Nacht die letzte Gelegenheit war, sie zu stehlen. »Du wirst deinen Posten vielleicht nicht mehr lange haben. Also musst du arbeiten, solange du kannst.« Seine Anstellung endete morgen früh, wenn der Juwelier die königlichen Juwelen der Garde übergab. »Ich werde schon eine neue Arbeit finden«, sagte er gereizt, »selbst wenn ich nicht bei dem Juwelier bleiben kann. Mach dir deswegen keine Sorgen.« »Ich mache mir keine Sorgen«, versicherte sie hastig. Er war so leicht in seinem Stolz gekränkt, und sie wollte ihn nicht verletzen. Und überhaupt würde Victor im Handumdrehen eine neue Stellung finden, wenn er wollte. Zudem war der Juwelier ein alter Freund seiner Mutter und würde sicherlich eine Möglichkeit finden, Victor weiter zu beschäftigen. »Ich glaube an dich.« Ihre Worte schienen Victor kaum zu besänftigen. »Du machst dir wegen irgendetwas Sorgen. Das sehe ich dir an.« »Sei nicht albern.« War sie so leicht zu durchschauen? Grundgütiger, sie musste dafür sorgen, dass er ging, bevor sie sich verplapperte. Sie versuchte, ihre Stimme möglichst heiser klingen zu lassen. »Wenn du dich nicht beeilst, kommst du zu spät zur Arbeit.« Seine Schicht begann um acht Uhr abends, wenn der Juwelier nach Hause ging. »Mach dir um mich keine Sorgen. Ich bin bei Jacoba in guten Händen.« Sie verschluckte sich beinahe an ihrer Lüge. Aber Victor schien nichts bemerkt zu haben. Er deckte sie sorgfältig zu und strich die Bettdecke glatt. »Morgen früh nach meiner Schicht hole ich dich ab, Mausi.« Sie zuckte zusammen, als sie den deutschen Kosenamen hörte. Victor benutzte oft Wörter aus allen möglichen Sprachen. Er sprach fließend Holländisch, Flämisch, Deutsch, Englisch und Französisch – was sie ziemlich beeindruckte. Aber trotzdem konnte sie es nicht leiden, wenn er sie Mäuschen oder Mausi nannte. Vielleicht deshalb, weil sie sich tatsächlich wie eine Maus fühlte. In jeder Hinsicht. Sie sah irgendwie mäuseartig aus – nichtssagende braune Haare, die sich einfach nicht zu Locken drehen ließen, Hüften, die ein wenig zu breit für ihren kleinen Busen waren –, und sie benahm sich auch wie eine Maus. Sie hasste es, sich zu streiten oder Aufsehen zu erregen. Viel lieber verkroch sie sich in ihrer Werkstatt und schnitt Diamanten oder entwarf Schmuck. Deshalb hatte sie sich auch in diese Klemme gebracht. Und deshalb lag sie einfach nur still da, während er zur Tür ging. Sie hätte ihn aufhalten und ihm die Wahrheit sagen müssen. Und sie hätte den Folgen ins Gesicht sehen müssen. Aber es war so viel einfacher, sich irgendwie durch diese Nacht hindurchzumogeln. Dann würde sie endlich frei sein. Und nie wieder ihrer Schwester und ihrem Schwager bei ihren dunklen Machenschaften behilflich sein müssen. Sie würde nie wieder gefälschten Schmuck herstellen! Auch die Imitation der königlichen Parure, die aus Ohrgehängen, einer Halskette, einem Armband und einer Brosche bestand, hätte sie von sich aus niemals angefertigt. Aber Jacoba und Gerhart hatten ihr eingeredet, dass sie die Stücke ganz legitim als Nachahmungen des königlichen Schmucks verkaufen wollten. So hätten sie alle mit Isas Talent für die Herstellung künstlicher Edelsteine gutes Geld verdienen können. Das hatten sie zumindest gesagt. Wenn sie gewusst hätte, dass die beiden von Anfang an vorgehabt hatten, die Imitationen zu benutzen, um ein Verbrechen zu begehen … Mit einem unterdrückten Stöhnen drehte sie sich auf die Seite und sah Victor hinterher, der mit Jacoba im Flur verschwand, wobei er ihr leise Anweisungen gab, wie sie sich um seine Frau kümmern sollte. Was hatte sie für einen schmucken Ehemann! Und er war so gut zu ihr. Sie lebte in beständiger Furcht, dass er von den schmutzigen Plänen ihrer Familie erfuhr. Und von der Rolle, die sie darin spielte. Ihr schnürte sich die Kehle zusammen. Wie um alles in der Welt hatte sie es geschafft, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen? Wenn sie eine Maus war, dann war er ein Löwe. An seinen vielen Narben konnte man erkennen, dass er während seiner drei Jahre in der preußischen Armee viel durchgemacht hatte. Und hinter dem Blick seiner klaren, haselnussfarbenen Augen schienen noch immer die Erinnerungen an die Schlacht von Waterloo auf. Sie hatte den Verdacht, dass es in seiner Vergangenheit noch andere dunkle Geheimnisse gab, denn er sprach nie über seine Kindheit oder seine Familie. Er sah immer nur nach vorn und ließ sich von seiner Vergangenheit nicht aufhalten. Sie hingegen lag hier im Bett und spielte krank. Oh, was hätte sie darum gegeben, mutig und draufgängerisch zu sein. Dann hätte sie Gerhart die Stirn bieten können, wenn er wieder mit seinen endlosen Tiraden anfing, wie er sie und Jacoba nach Papas Tod vor dem sicheren Ruin gerettet hatte. Es stimmte zwar, dass er sich um sie gekümmert hatte, aber das bedeutete nicht, dass sie jetzt für ihn ihr Glück und ihren Hals aufs Spiel setzen musste. Warum hatte sie nicht den Mut, ihm das einfach ins Gesicht zu sagen? Weil Gerhart dann anfangen würde, sie und Jacoba anzubrüllen, und sie hasste Gebrüll. Und die eisigen Blicke. Und die Bemerkungen darüber, dass sie die Anstellung bei dem Juwelier Gerhart zu verdanken hatte – weil er ihr Talent zum Diamantschneiden gefördert hatte, das sie von Papa geerbt hatte. Sie seufzte in ihr Kissen hinein. »Du schläfst ja noch gar nicht«, sagte Jacoba, die geräuschlos wie eine Katze ins Zimmer zurückgekehrt war. Isa fuhr zusammen. »Nein, noch nicht. Aber ich fühle mich schrecklich. Ich bin ganz schwach, und alle Knochen tun mir weh. Und mein Hals brennt wie Feuer.« Sie schluckte ihre Schuldgefühle hinunter und sah zu ihrer Schwester hoch. Jacoba war sieben Jahre älter als sie und wie eine Mutter für sie gewesen. Früher. Jacoba legte Isa die Hand auf die Stirn. »Du fühlst dich ein bisschen heiß an.« Das kam davon, wenn man...