Jeffries Des Herzogs größter Begehr
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8025-9851-7
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 01, 416 Seiten
Reihe: Dukes Men
ISBN: 978-3-8025-9851-7
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Als Maximilian Cale, der Herzog von Lyons, in der Ermittlungsagentur Manton aufkreuzt, sieht Lisette Bonnaud ihre Chance gekommen, endlich echte Detektivarbeit statt nur Sekretärinnendienste zu leisten. Max behauptet, er habe von ihrem Bruder Tristan Nachricht erhalten, dass sein totgeglaubter Bruder Peter noch lebt. Lisette, die seit Monaten nichts von Tristan gehört hat und sich schon Sorgen macht, besteht darauf, mit ihm nach Paris zu reisen, um Peter und Tristan zu suchen. Dabei ahnt sie nicht, dass Max bald mehr in ihr sieht als nur eine hübsche Reisebegleitung ...
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Prolog
Yorkshire 1816
»Sacrebleu, Mädchen, hör auf, hin und her zu laufen, und setz dich an den Frühstückstisch. Mir wird sonst noch ganz schwindlig.«
Die vierzehnjährige Lisette Bonnaud blieb am Fenster des Cottages stehen und starrte hinaus. »Aber Maman, machst du dir keine Sorgen um Tristan? Er ist noch nie die ganze Nacht weggeblieben! Wenn ihm nun etwas zugestoßen ist, als er gestern mit Papa auf der Jagd war?«
Claudine Bonnard winkte mit einer Geste ab, deren eleganter Schwung daran erinnerte, dass sie in Frankreich eine gefeierte Schauspielerin gewesen war. Bevor Papa sie von einer seiner Reisen mit nach England gebracht und hier in diesem Cottage einquartiert hatte. »Dann wüssten wir es längst. Dein Papa hätte auf jeden Fall einen Diener geschickt, um uns zu holen. Ambrose hat Tristan nach der Jagd wohl eher zu einem Wirtshausbesuch verleitet, und sie haben bis zum Morgengrauen im Green Inn getrunken.«
Maman hatte wahrscheinlich recht. Typisch, dass Papa ihren Bruder irgendwohin mitnahm, wo es interessant war. Tristan durfte immer überall dabei sein. Im Gegensatz zu ihr. Dabei war Tristan gar nicht so viel älter als sie – nur drei Jahre. Es war einfach ungerecht.
»Vielleicht sollte ich nach Ashcroft gehen, um nachzusehen, ob sie dort sind.« Sie warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Hügel von Yorkshire, die sich wie grüne Wollknäuel vor dem Fenster erstreckten, so weit das Auge reichte.
Maman runzelte ihre perfekt gezupften blonden Augenbrauen. »Du kannst unmöglich ohne Begleitung in die Stadt gehen, ma fille. Das wäre unschicklich.«
Lisette stieß enttäuscht die Luft aus und begann wieder, auf und ab zu gehen. »Als ob sich irgendjemand darum schert, was für einen Bastard schicklich ist.«
»Lisette Bonnaud!«, sagte Maman scharf. »Benutze niemals dieses schreckliche Wort, wenn du von dir selbst sprichst! Du bist die Tochter des Viscount Rathmoor. Das darfst du nie vergessen.«
»Die illegitime Tochter des Viscount Rathmoor«, murmelte sie verdrossen. »Was ist aus Papas Versprechungen geworden, dich zu heiraten?«
Mamans Lippen wurden zu einem schmalen Strich. »Das ist … eine komplizierte Angelegenheit. Er konnte mich nicht heiraten, solange Krieg zwischen England und Frankreich herrschte. Es hätte einen entsetzlichen Skandal gegeben, wenn dein Papa eine Französin zur Frau genommen hätte. Das konnte er seinen legitimen Söhnen nicht zumuten.«
Lisette sah ihre Mutter schief an. »Der Krieg ist seit einem Jahr vorbei, Maman. Und der Einzige, der Angst vor einem Skandal hat, ist George. Warten wird daran nichts ändern.«
Der sechsundzwanzigjährige George Manton war Papas legitimer Sohn und Erbe – und ihr und Tristans Halbbruder. Er hasste sie alle drei, seit Papa Maman zur Mätresse genommen hatte. Und obwohl seine Mutter schon vor Jahren gestorben war, hörte George nicht auf, die Frau zu verabscheuen, die im Herzen seines Vaters den Platz seiner Mutter eingenommen hatte. Und die Kinder, die sein Vater mit dieser Frau hatte. Sein Vater, der auch Lisettes Vater war.
»George wird sich damit abfinden müssen«, sagte Maman wegwerfend. Offensichtlich gefiel ihr die Richtung nicht, die das Gespräch nahm. »Es wird ihm nichts anderes übrig bleiben, wenn dein Vater und ich erst geheiratet haben.« Sie begann, mit eleganten Messerstrichen Marmelade auf einer Scheibe Toast zu verteilen.
Jede Bewegung, die Maman machte, war elegant. Lisette hingegen war so elegant wie ein Besenstiel. Sie war außergewöhnlich groß für ein Mädchen ihres Alters, und mit ihren knochigen Hüften und großen Brüsten sah sie aus, als ob sie jeden Moment das Gleichgewicht verlieren müsste. Und ihr Haar hatte nicht jenes buttrige Blond wie das Haar ihrer Mutter, das alle Gentlemen zu bewundern schienen. Es war kohlrabenschwarz, wie das von Papa.
Sie versuchte, sich die Bänder, die Papa ihr von seinen Reisen mitgebracht hatte, ins Haar zu flechten, damit es hübscher aussah, aber jeder Versuch scheiterte an ihrer widerspenstigen Lockenpracht. Meist endete es damit, dass sie mit den Bändern ihre Kleider bestickte.
»Maman, bin ich hübsch?«
Ihre Mutter kniff die Augen zusammen. »Natürlich bist du hübsch, ma chérie. Du bist schließlich meine Tochter. Mach dir keine Sorgen, eines Tages werden sich die Männer um deine Gunst reißen.«
Sie war sich nicht sicher, ob sie das wirklich wollte. Alles, was Maman ihr gutes Aussehen eingebracht hatte, war ein Leben, das daraus bestand, herumzusitzen und darauf zu warten, dass der Mann, den sie liebte, sie endlich heiratete. Als sie klein war, hatte Lisette Papa noch geglaubt, wenn er versprochen hatte, dass sie eines Tages eine richtige Familie sein würden. Doch in letzter Zeit waren ihr Zweifel an seinen Versprechungen gekommen.
Ein lautes Klopfen an der Haustür unterbrach ihre Gedanken. »Ich mache auf«, rief Lisette und schoss hinaus in die Diele, um zu öffnen. Sie lächelte, als sie auf der Schwelle ihren anderen Halbbruder, den neunzehnjährigen Dominick Manton erblickte.
»Endlich bist du wieder da!«, rief sie.
Dom und George waren so verschieden wie Tag und Nacht. Als Kinder waren Dom und Tristan Spielkameraden gewesen, während George im Internat war. Als Lisette älter wurde und begann, sich an ihre Fersen zu heften, war er freundlich zu ihr gewesen, ganz anders als die Leute aus dem Dorf – und dafür himmelte sie ihn an.
Aber heute schien er sich nicht zu freuen, sie zu sehen. »Darf ich hereinkommen?«
Als sie seine blutunterlaufenen Augen, seine fahlen Lippen und seine merkwürdig steife Haltung bemerkte, blieb ihr fast das Herz stehen. Gütiger Himmel. Irgendetwas Schlimmes war passiert.
»Tristan!«, flüsterte sie. »Ist er verletzt?«
»Wo ist er?«, fragte Dom zurück.
Sie sah ihn verwirrt an. »Ich weiß nicht. Er war seit gestern nicht zu Hause. Du solltest Papa fragen. Sie sind zusammen auf die Jagd gegangen.«
Er stieß einen leisen Fluch hervor, dann straffte er die Schultern.
»Vater ist tot, Lisette.«
Die Worte trafen sie wie ein Schlag ins Gesicht. Während sie Dom mit offenem Mund anstarrte und überlegte, ob sie ihren Halbbruder vielleicht falsch verstanden hatte, vernahm sie hinter sich ein ersticktes Stöhnen.
Maman stand regungslos da. Alles Blut war aus ihrem Gesicht gewichen. »Tot? C’est impossible! Wie kann das sein?«
Dom fuhr sich mit einer behandschuhten Hand durch die dichten schwarzen Locken. »Ich kann Ihnen noch nichts Genaues sagen, Mrs Bonnaud. Ich bin gerade erst aus York zurückgekommen und muss mir selbst noch ein Bild machen, was während meiner Abwesenheit passiert ist. Es scheint, dass Vaters Gewehr einen Rohrkrepierer hatte und an seiner Schulter explodiert ist. Tristan und der Jagdaufseher haben Vater nach Hause in sein Schlafzimmer gebracht. Dann kam George dazu. Während der Jagdaufseher einen Arzt holte, wachten George und Tristan an Vaters Bett. Sie waren beide dort, als Vater gestern Abend kurz nach Sonnenuntergang starb.«
Als Doms Worte allmählich in ihr Bewusstsein eindrangen, schossen Lisette Tränen in die Augen und liefen ihr die Wangen hinab. Hinter ihr weinte Maman still in sich hinein. Lisette trat zu ihr, und sie hielten sich weinend umschlungen.
Papa konnte nicht tot sein. Gestern hatten sie ihn doch noch gesehen, als er Tristan abgeholt hatte.
Oh Gott, Tristan!
Sie sah Dom vorwurfsvoll an. »Wenn Tristan dabei war, als Papa starb, warum ist er nicht gekommen, um es uns zu sagen?«
»Ich weiß es nicht. Ich bin erst vor ein paar Stunden auf dem Gut eingetroffen. Aber …«
Als er zögerte, erstarrte Maman. »W-was aber?«
»Wir müssen ihn finden. George ist auf der Suche nach ihm und kann jeden Moment hier sein.«
Ein eisiger Schreck durchfuhr Lisette. »Was will George denn hier? Er denkt doch nicht etwa, dass Tristan Papa umgebracht hat, oder?«
»Nein«, sagte Dom knapp. »Obwohl George das vielleicht behaupten würde, wenn der Jagdaufseher nicht bezeugen könnte, was passiert ist.«
Dom fuhr sich mit der Hand über sein müdes Gesicht. »Aber er denkt, dass Tristan gestern Nacht Blue Blazes gestohlen hat.«
Lisette rang nach Luft. Blue Blazes war Papas – und Tristans – Lieblingspferd. Papa hatte versprochen, ihrem Bruder das Vollblut eines Tages zu schenken. »Du glaubst doch nicht etwa, dass Tristan so etwas tun würde, oder?«
»Ich weiß es nicht. Von den Bediensteten kann keiner genau sagen, was nach Vaters Tod geschehen ist. Sie sagen, dass Tristan weggegangen ist, aber George behauptet, dass er mitten in der Nacht zurückgekommen ist, um Blue Blazes zu stehlen. Er ist gerade dabei, seine Männer zusammenzurufen, um Tristan zu suchen und gefangen zu nehmen.«
Ihr Blut gefror. »Oh Dom! Wie kann er so etwas tun?«
»Du weißt, wie sehr George Tristan hasst. Er würde alles tun, um ihn zugrunde zu richten.«
»Bist du deshalb hergekommen?«, erklang in diesem Moment eine Stimme von der Hintertür des Cottages. Tristan kam durch den Korridor auf sie zu, seine blauen Augen wütend auf Dom gerichtet. Seine Jacke war zerrissen und seine Hosenbeine bis zu den Knien mit getrocknetem Schlamm bespritzt, als ob er querfeldein durchs Unterholz gelaufen wäre. »Um dabei zuzusehen, wie dein Bruder mich zugrunde richtet?«
»Tristan!«, rief Lisette empört. »Sprich nicht so mit ihm!«
»Ich bin hier, um...




