Jasmund | Die Tochter von Rungholt | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Jasmund Die Tochter von Rungholt

Historischer Roman
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8412-0736-4
Verlag: Aufbau Digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Historischer Roman

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-8412-0736-4
Verlag: Aufbau Digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die versunkene Stadt.

Nordfriesland im Jahre 1361. Ivens Vater wird von den Wogensmannen erschlagen. Er übernimmt dessen Hof und bewirtschaftet ihn zusammen mit seiner Schwester Laefke. Er will sich an den Mördern seines Vaters rächen, sie will ihn verheiratet sehen, aber die Frauen, die sie ihm aussucht, gefallen ihm nicht. Iven hat sich längst in die Kaufmannstochter Silja verliebt. Ihr Vater ist als Kaufmann weniger erfolgreich, als er alle glauben lässt. Er steckt in finanziellen Schwierigkeiten, hat bereits Gelder veruntreut und sieht nur einen Ausweg: Seine Tochter soll den Sohn seines wohlhabenden Hamburger Geschäftspartners heiraten. Die beiden Liebenden wollen das verhindern. Iven hält um Siljas Hand an, doch er wird brüsk abgewiesen. Sie beginnen, ihre eigenen Pläne zu schmieden, während sich über Rungholt dunkle Wolken zusammenziehen und die Sturmflut naht ... 



Birgit Jasmund, geboren 1967, stammt aus der Nähe von Hamburg. Sie hat Rechtswissenschaften in Kiel studiert und lebt in Dresden.

Im Aufbau Taschenbuch Verlag sind ihre Romane 'Die Tochter von Rungholt', 'Luther und der Pesttote', 'Der Duft des Teufels', 'Das Geheimnis der Porzellanmalerin', 'Das Geheimnis der Zuckerbäckerin', 'Das Erbe der Porzellanmalerin', 'Die Maitresse. Aufstieg und Fall der Gräfin Cosel', 'Das Geheimnis der Baumeisterin' und 'Die Elbflut' lieferbar.

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KAPITEL 2


Iven kniff die Augen zusammen und betrachtete zwei Reiter, die sich aus Rungholt kommend der Levensenwarft näherten. In einem der Reiter erkannte er Ogge Jessen in Samtwams und Beinlingen. An seiner imposanten Erscheinung fehlte nur die Amtskette. Bei dem zweiten Reiter konnte es sich nur um einen seiner Knechte handeln, denn der Mann trug einfache, abgewetzte Kleidung.

Der junge Bonde fragte sich, was ihm einen Besuch des Hardesvogts bescherte. Bine, die neben dem Haus in der Sonne gelegen hatte, sprang auf, als aus einem Holunder ein Vogel aufflog. Nach zwei, drei Sprüngen gab die Hündin die Jagd auf und schlich mit eingekniffenem Schwanz zu Iven zurück. Sie sah verlegen aus, weil sie sich in ihrem gesetzten Alter noch zu so einer jugendlich verwegenen Tat wie der Vogeljagd hatte hinreißen lassen. Lächelnd bückte er sich und kraulte sie hinter den Ohren. Als er sich wieder aufrichtete, hatten Ogge Jessen und sein Knecht beinahe die Warft erreicht. Iven stellte sich aufrecht hin und erwartete seinen Besuch.

Der Hardesvogt war ein schwerer Mann, und das Pferd sah erleichtert aus, als er von dessen Rücken gestiegen war. Der Knecht nahm die Zügel und ging ein paar Schritte zur Seite, ließ die Pferde grasen, während er wartete.

»Herr Iven, ich grüße Euch.«

»Hardesvogt.« Iven überlegte einen Augenblick, ob er den Kopf beugen sollte. Sie waren beide freie Friesen, Bonden, er schaute dem Mann gerade in die Augen. »Was führt Euch auf den Levensenhof?«

»Mein Gewissen.«

Als ob der Hardesvogt eines hatte.

»Ich möchte mein Beileid aussprechen zu dem schweren Verlust, den Ihr und Eure Schwester erlitten habt. Für die Zurückgebliebenen ist es schmerzhaft, aber die Verblichenen haben alle irdische Mühsal hinter sich gelassen und dürfen das Antlitz des Allmächtigen und unseres Herrn Jesus schauen.«

»Ich werde meiner Schwester Eure Worte ausrichten.«

Der Hardesvogt schaute sich um. Er sah nicht aus, als hätte er alles gesagt und wolle sich wieder verabschieden. Iven hatte auch nicht einen Moment geglaubt, er wäre wirklich gekommen, um sein Beileid auszusprechen. Er wappnete sich gegen Ogge Jessens Wünsche.

»Lasst uns ein paar Schritte gehen, Herr Iven.«

Sie umrundeten die Levensenwarft, Bine ging dabei zwischen ihnen. Der Hardesvogt schaute sich interessiert um.

»Es ist bestimmt schwer für Euch und Eure Schwester ganz allein auf dem Hof.«

Iven antwortete vorsichtig: »Wir kommen zurecht. Ich habe Knechte und Mägde und heuere Tagelöhner an, wenn wir die Arbeit nicht schaffen. So hat mein Vater es auch immer gehalten. In Niendamm kümmert sich Maart um die Schafe. Es geht seinen Gang.«

Ogge Jessen schüttelte bedächtig den Kopf. »Es ist und bleibt eine große Aufgabe für so junge Leute wie Ihr und Eure Schwester.«

Er sah dabei aus, als könne er es nicht verantworten, und Iven war auf der Hut. Er und Laefke waren keine Kinder mehr, und seit sie laufen konnten, hatten sie auf dem Hof geholfen. Es gab keine Arbeit, die sie nicht Dutzende Male ausgeführt hatten.

»Sagt frei heraus, was Ihr wollt. Wir sind Uhtländer und keine Hansekaufleute, die vor lauter Winkelzügen vergessen haben, was sie wirklich meinen.«

»Eine sehr treffende Beschreibung.« Ogge Jessen lachte kurz und trocken auf. »Ich fürchte, Euch wird alles zu viel werden, und ich bin deshalb bereit, Euch ein gutes Angebot für den Hof zu machen.«

Iven war nicht überrascht – der Hardesvogt suchte seit längerem einen Besitz in Rungholt. Er hatte mehreren Leuten Angebote gemacht, doch niemand hatte verkaufen wollen.

»Ihr müsst Euch nicht heute entscheiden«, fuhr Ogge Jessen fort. »Besprecht es mit Eurer Schwester, sie hat womöglich eine andere Meinung dazu. Ich bin bereit, einen wirklich guten Preis in Silber zu zahlen. Ihr könnt nach Schleswig oder Flensburg gehen. Vielleicht braucht Laefke noch einmal eine Mitgift.«

Jedes Wort verfestigte Ivens Meinung zu diesem Vorschlag. Er hatte Mühe, freundlich zu bleiben und die arme, alte Bine nicht auf den Mann zu hetzen. »Meine Antwort lautet nein. Die muss ich nicht erst mit Laefke besprechen. Solange es Levensens gibt, werden wir auf dem Levensenhof leben und arbeiten.«

»Das sagt Ihr heute. Solltet Ihr Eure Meinung ändern, kommt auf mich zu. Mir liegt das Wohl aller Menschen der Edomsharde am Herzen.«

Iven war empört und presste die Kiefer so fest aufeinander, dass er Mühe hatte, sie zum Sprechen auseinanderzubringen. »Dazu gibt es nichts weiter zu sagen, Herr Ogge. Ich wünsche Euch einen guten Tag.«

Im Haus berichtete er Laefke von dem Besuch.

»Der Mensch steckt mit den Wogensmannen unter einer Decke. Er ist der Letzte, dem ich den Hof verkaufe.«

»Du bist besessen von dieser Idee. Trotzdem hast du recht daran getan, ihm den Hof nicht zu geben.«

***

»Ich bin Beke von Gröde.«

Iven ließ noch einmal den Holzhammer auf den Zaunpfosten niedersausen. Laefke musste ihn festhalten, und der Ruck des Schlages zitterte durch ihren Leib. Ihre Hände schmerzten noch, als sie und Iven sich zu der Besucherin umdrehten.

Die war eine junge Frau in einem grob gewebten Kleid und einem ebensolchen Umhang. Die Hände hielt sie unter dem Stoff verborgen, und das von blonden Haaren umgebene Gesicht sah spitz aus.

»Ich wollte nicht stören«, sagte sie und schaute dabei an Laefke vorbei zu Iven.

Sie hatte ihrem Bruder dabei geholfen, verfaulte Pfosten des Schweinekobens zu ersetzen. Iven war dabei warm geworden, er hatte sich seines Hemdes entledigt und stand mit nacktem Oberkörper da.

»Ich kann allein weitermachen«, sagte er und nahm den Hammer wieder auf.

Laefke führte das Mädchen ein paar Schritte vom Schweinekoben fort. »Was willst du, dass du eigens den weiten Weg von Gröde kommst?«

Beke knetete ihre Hände unter dem Umhang. Hinter ihnen hatte Iven seine Arbeit wieder aufgenommen, und Beke stellte sich so, dass sie ihn dabei sehen konnte. Mit einem lauten Klang sauste der Hammer auf einen Pfahl nieder.

»Mein Vater ist Frieder Gunnesen, er arbeitet als Salzkocher für Herrn Sibingh von Gröde.« Sie stockte und biss sich auf die Unterlippe.

»Du bist ganz allein von Gröde gekommen?«, fragte Laefke freundlich, um ihr Vertrauen zu gewinnen.

»Nein.« Beke schüttelte den Kopf. »Herr Sibingh hat einen seiner Knechte mit einer Botschaft nach Rungholt geschickt, und er hat mich auf seinem Pferd mitgenommen. Der Mann hat mich bei der Kirche abgesetzt.«

Sie war also heimlich gekommen, verstand Laefke, denn kein Vater ließ seine unverheiratete Tochter mit einem fremden Mann auf einem Pferd reiten. »Von deiner Familie ist niemand bei dir?«, fragte sie dennoch.

»Sie wissen nicht, dass ich hier bin.« Beke senkte die Stimme. »Meine Mutter ist krank, seit dem Winter schon. Auf ihrer Brust sitzt ein Druck wie ein Stein. Nach Mariä Lichtmess begann es. Ich habe ihre Brust mit angewärmtem Rindertalg eingerieben und ihr Lindenblättertee zu trinken gegeben. Was anderes hatte ich nicht. Davon ist es auch besser geworden, bis es im März und April so viel geregnet hat. Da war der Stein auf ihrer Brust wieder da. Ich gebe ihr immer noch Lindentee, auf ganz Gröde gibt es bald keinen mehr. Es hat gar nichts geholfen, das Fleisch schmilzt von ihren Knochen. Ich fürchte den Tag, an dem von ihr nur noch bleiche Knochen übrig sind. Sie braucht Hilfe.«

»Bring deine Mutter ins Rudekloster, dort lebt ein Mönch, der sich mit Krankheiten auskennt. Wenn du fest zu unserem Herrn betest, wird er deiner Mutter helfen.«

Beke schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht nach Tönning gehen. Wir haben nichts, was wir dem Kloster stiften können.«

Laefke verstand. Es war immer dasselbe: Die Kirche predigte Barmherzigkeit und Nächstenliebe, sie selbst hielt sich damit vornehm zurück. Sie gab nur warme Worte ohne Gegenleistung, für alles andere wollte sie eine Schenkung, manchmal musste es ein Kloster sein, manchmal reichte ein Huhn oder ein Scheffel Getreide. Es gab auch gute Priester – Ausnahmen hier und da; sie gaben ihr letztes Stück Brot, wenn andere in Not waren, und hungerten selbst.

Sie nickte Beke zu. »Warum bist du auf den Levensenhof gekommen?«

»Wegen Euch, Frau Laefke. Ich weiß von Eurer Großmutter.«

»Sie ist vor Jahren gestorben. Ich kann dir nicht helfen, so gerne ich es täte.«

»Ihr seid wie die gute Frau Eyde. Bitte weigert Euch nicht, meiner Mutter zu helfen.«

Bekes Blick aus klaren, blauen Augen war schwer standzuhalten. Laefke verstand sie nur zu gut: Sie fürchtete um ihre Mutter und klammerte sich an jede kleine Hoffnung, und wenn es die Enkelin einer verstorbenen Heilerin war. »Ich war gerade fünfzehn, als meine Großmutter gestorben ist, sie hatte nicht viel Zeit, mir ihr Wissen zu hinterlassen. Ich weiß auch nichts anderes, als deiner Mutter Lindenblütenaufguss zu geben und ihre Brust mit warmem Rindertalg einzureiben.«

»Es wird helfen, wenn Ihr es macht. Eure Hände sind gesegnet, sagen die einfachen Leute, wenn ihnen kein Hochgestellter zuhört. Bitte kommt nach Gröde.« Beke schien sich an etwas zu erinnern, sie tastete zwischen den Falten ihres Rockes umher und zog einen kleinen Lederbeutel hervor.

Heraus holte sie etwas Kleines, das Laefke erst erkennen konnte, als sie es in ihre Hand fallen ließ: ein daumennagelgroßer Bernstein.

»Das gebe ich Euch.«

»Das kannst du zum Rudekloster tragen. Es ist wertvoll.«

»Das kann ich nicht. Bitte nehmt ihn und helft meiner Mutter. Legt die Hände auf ihre Brust, und sie wird wieder gesund.«

Laefke wollte sich weigern. Was Beke von ihr erbat,...



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