E-Book, Deutsch, 320 Seiten
Janz Wintermeer und Dünenzauber
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-95967-589-5
Verlag: HarperCollins
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 320 Seiten
ISBN: 978-3-95967-589-5
Verlag: HarperCollins
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein nordfriesischer Winter voll Dünenzauber und Liebe
Wenn Jana am Nordseestrand steht und tief durchatmet, weiß sie, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hat. Hier in St. Peter-Ording ist sie zu Hause, hier gehört sie hin. Alles andere lässt Jana hinter sich und freut sich darauf, hier einen Geschenkladen zu eröffnen. Direkt gegenüber von Ayk Truels Buchhandlung. Als der Buchhändler auffallend oft herüberkommt, beginnt Jana schon fast von gemeinsamen Abenden am Kamin zu träumen. Doch Ayk hat ein Geheimnis und ein ungewöhnliches Anliegen: Jana soll ihm helfen, den Zauber des Meeres einzufangen.
Tanja Janz wollte schon als Kind Bücher schreiben und malte ihre ersten Geschichten auf ein Blatt Papier. Heute ist sie Schriftstellerin und lebt mit ihrer Familie und zwei Katzen im Ruhrgebiet. Neben der Schreiberei und der Liebe zum heimischen Fußballverein schwärmt sie für St. Peter-Ording, den einzigartigen Ort an der Nordseeküste.
Autoren/Hrsg.
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Prolog
»Entschuldigung. Sie müssen mir unbedingt helfen. So was ist mir wirklich noch nie passiert. Eine bodenlose Unverschämtheit ist das!«
Felke ließ das Fernglas sinken, durch das sie zuvor über die im Sonnenschein glitzernden Wellen der Nordsee geschaut hatte. Neben ihr auf der Veranda des Pfahlbaus stand eine ältere Dame, deren empörter Blick sie fixierte. Sie trug ein maritimes Strandkleid. Auf ihrem Kopf saß ein Strohhut, der mit einem dunkelblauen Band und weißen Polka Dots umwickelt war.
»Guten Tag. Was ist denn passiert?«, erkundigte Felke sich. Als Rettungsschwimmerin beaufsichtigte sie nicht nur den Schwimmbereich im Meer, sondern bemühte sich nebenbei auch um ein friedliches Strandleben.
»Den Strandkorb hat man mir streitig gemacht, obwohl ich ihn für zehn Tage gebucht habe. Stellen Sie sich das mal vor!« Die Frau stützte sich mit einer Hand an das hölzerne Geländer des Pfahlbaus, in der anderen hielt sie ein Waffelhörnchen. Das Eis war teilweise geschmolzen und tropfte unbemerkt auf den Holzboden.
»Und meine Strandtasche ist auch gestohlen worden. Darin war auch der Buchungsbeleg. Ich bin ja höchstens fünf Minuten weg gewesen, um ein Eis zu kaufen. Und als ich wiederkam …« Sie machte eine aufgebrachte Handbewegung, warf einen Blick auf das Eis und leckte das Rinnsal von der Waffel.
»Das werden wir klären.« Felke nickte der Frau freundlich zu und schaute über ihre Schulter zu ihrem Kollegen Gunnar, der in der Kammer der Station Listen ausfüllen wollte. »Gunnar, ich bin mal eben weg. Übernimmst du die Strandaufsicht?«
»Aye, aye, Käpt’n«, rief er und legte kurz eine Hand an die Schläfe.
Lächelnd setzte sich Felke ihre Sonnenbrille auf und stieg mit der alten Dame die Treppen vom Pfahlbau der DLRG-Wachstation hinab. Sie folgte ihr bis zu einem Strandkorb, in dem ein Mann und eine Frau saßen. Zu ihren Füßen lag ein Golden Retriever im Sand, der gierig Wasser aus einem Edelstahlnapf schlabberte.
»Das ist meiner«, sagte die alte Frau und zeigte anklagend auf den Strandkorb, bevor sie sich den Rest des Waffelhörnchens in den Mund schob.
»Aber das stimmt doch nicht! Hier muss ein Missverständnis vorliegen«, entgegnete die Frau und stellte die Füße, die sie gekreuzt hatte, nebeneinander auf den Sand. »Wir haben den Strandkorb gemietet. Schon vor zwei Wochen.«
»Das ist ja wohl die Höhe!« Die alte Frau schüttelte bestimmt den Kopf. »Sie denken sich das aus, weil ich nämlich den Strandkorb gemietet habe.«
»Das haben wir bestimmt gleich.« Felke nickte der Dame beschwichtigend zu.
»Wir können Ihnen gerne unsere Buchungsbestätigung zeigen. Einen Moment«, schaltete sich der Mann ein. Er kramte in einem Rucksack herum und hielt wenig später einen Zettel in der Hand. »Hier, bitte schön.«
Felke setzte die Sonnenbrille ab, bevor sie das Blatt Papier überflog. Um einen Blick auf die Nummer werfen zu können, ging sie um den Strandkorb herum. »1402. Scheint alles in Ordnung zu sein.« Sie gab dem Mann den Beleg zurück.
»Aber das kann doch gar nicht sein!« Die alte Dame schaute sich hilflos um.
Beruhigend legte Felke ihr eine Hand auf die Schulter. »Keine Sorge. Ich kläre das. Warten Sie kurz hier.«
Sie ging durch den feinen Sand, überprüfte die Nummern auf den Strandkörben in der näheren Umgebung und schaute nach, ob sie belegt waren. In einigen Metern Entfernung wurde sie fündig. Sie winkte die alte Dame aufmunternd lächelnd zu sich.
»Ist das Ihre?« Felke deutete auf eine Tasche, die in einem verlassenen Strandkorb lag.
»Tatsächlich.« Die alte Dame schaute sie verwundert an. »Wie kann das sein?«
»Sie hatten einen Zahlendreher. Ihr Strandkorb hat die Nummer 1420, nicht 1402«, klärte Felke das Missverständnis auf.
Die Dame zog den Buchungsbeleg aus der Tasche hervor. »Stimmt. Hier steht 1420. Meine Güte, bin ich denn schon so tüdelig?« Sie fasste sich mit einer Hand an den Kopf. »Das ist mir jetzt aber unangenehm. Da habe ich das Paar zu Unrecht beschuldigt und Ihre Zeit auch grundlos in Anspruch genommen.«
»Keine Sorge. Auf einem großen Strand, mit so vielen Strandkörben, kann man sich leicht vertun. Da sind schon ganz andere Leute durcheinandergekommen. Was wirklich zählt, ist doch, dass wir Ihren Strandkorb gefunden haben.«
Nachdem Felke sich von der Frau verabschiedet hatte, schlug sie wieder den Rückweg zum Pfahlbau der DLRG ein. Dabei beobachtete sie routinemäßig das Strandgeschehen. Es herrschte Hochbetrieb an der Badestelle St. Peter-Bad. Die Leute genossen den herrlichen Spätsommertag mit einem Buch oder einer Zeitschrift in den Strandkörben oder bunten Strandmuscheln. Möwenschreie gellten durch die Luft. Jugendliche hatten sich zu einer Partie Beach-Volleyball zusammengefunden und baggerten den Ball über ein aufgespanntes Netz. Kinder schipperten in Gummibooten durch die Brandung, und weiter draußen schwebten farbenfrohe Kites über dem Meer. Felke atmete die salzige Brise tief ein und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte. Sie hatte großes Glück, in St. Peter-Ording geboren zu sein und am schönsten Strand der Welt arbeiten zu dürfen. Ein Leben in der Stadt wäre nichts für sie. Um glücklich zu sein, musste sie das Meer riechen können, sobald sie die Haustür öffnete. Der Sand leuchtete in der Sonne so weiß wie an einem Südseestrand. Und das ganz ohne Palmen und Türkisschimmer des Meeres.
»Problem gelöst. Ich habe den Strandkorb der Frau gefunden. Sie hat sich mit der Nummer vertan«, sagte Felke zu Gunnar, als sie wieder ihre Position auf der Wachstation einnahm.
»Gut.« Er nickte und seufzte leise. »Ich widme mich dann mal wieder dem Schreibkram.«
Felke grinste. »Viel Spaß!«
»Spaß … Ha, ha.« Ihr Kollege verdrehte die Augen und ging zurück ins Holzhaus.
Durch das Fernglas sah das Strandleben nicht minder friedlich aus. Felke beobachtete zwei Jungen in Badehosen, die zusammen in der Brandung standen und Eis am Stiel schleckten. Eine Portion Eiscreme könnte ich mir auch gut gönnen, dachte sie, später. Sie schwenkte mit dem Feldstecher an einem Pfahlbau vorbei, in dem ein Restaurant untergebracht war. Vor dem Zugang über eine Holztreppe herrschte reger Betrieb. Wie immer um die Mittagszeit. Felke nahm den Abschnitt dahinter ins Visier. Auch hier bot sich ihr das Bild eines unbeschwerten Sommertages am Meer. Sie wollte das Fernglas schon sinken lassen, um etwas Sonnencreme auf ihren Armen nachzulegen, da nahm sie plötzlich weiter hinten hektische Bewegungen an einem gelben Fleck wahr. Vielleicht war ein Badegast zu einer Boje geschwommen? Felke stellte die Sicht scharf ein. Nun erkannte sie, was sich weiter hinten auf dem Meer abspielte. Jemand war auf die Nordsee hinausgetrieben worden. Die Person schien in Schwierigkeiten zu sein und versuchte durch heftiges Winken, andere Badegäste auf sich aufmerksam zu machen.
»Gunnar! Badegast in Not«, rief Felke und zog sich schon hastig Schuhe, Shorts und T-Shirt aus.
»Ich rufe die 112 zur Verstärkung!«, rief er.
Felke griff nach dem Gurtretter, der neben dem Eingang zum Holzhaus lag, und rannte ohne ein weiteres Wort los. So schnell sie konnte, sprintete sie über den Strand.
Inzwischen waren auch ein paar Badegäste auf die Notlage des Schwimmers aufmerksam geworden und gaben Felke Handzeichen. Sie rannte in die Brandung und stürzte sich kopfüber ins kühle Meer. Mit kräftigen Kraulbewegungen kämpfte sie sich durch die salzigen Wellen. Dabei versuchte sie den Schwimmer nicht aus den Augen zu verlieren. Doch irgendwann konnte sie ihn nicht mehr sehen, nur das gelbe Etwas, das auf den Wellen trieb, was sie aus der Nähe als Luftmatratze identifizieren konnte.
Felke spürte eine Welle der Panik aufsteigen, rang sie aber nieder. Wo war der in Not geratene Mensch nur? Bisher hatte sie noch jeden Badegast wieder sicher an Land gebracht. Sie holte tief Luft und tauchte.
Als waschechtes Küstenkind war sie quasi in der Nordsee groß geworden und darin geübt, die Augen im Salzwasser geöffnet zu halten. Felke hatte keine Angst vor dem Meer. Sie kannte sich bestens mit Tiden und Strömungen aus. Da! Ein paar Meter vor sich sah sie einen menschlichen Körper unter der Wasseroberfläche schweben.
Sie schwamm mit kraftvollen Zügen auf ihn zu und schob mit ein paar geübten Handgriffen die Arme über den Auftriebskörper und legte den Gurtretter an. Mit einer Hand hielt sie den Gurtretter im Bereich der Verbindungsleine an einer der Metallösen fest. Mit der anderen zog sie den Auftriebskörper um den Brustkorb der Person stramm. Felke hatte dieses Prozedere schon so oft durchgeführt, dass sie die nötigen Handgriffe routiniert und zügig vollführte.
Erst als der zu Rettende mit dem Gurtretter fixiert war und wieder an der Wasseroberfläche trieb, bemerkte sie, dass sie ein Mädchen aus dem Wasser zog. Es hatte langes dunkles Haar. Mehr konnte sie in der aufgewühlten Nordsee nicht erkennen.
»Ich bin da und bringe dich jetzt an Land«, sprach sie das Mädchen an, das kein Lebenszeichen von sich gab.
In dem mittelstarken Seegang schwamm Felke um das Kind herum, um es zum Strand ziehen zu können. Erst als das Mädchen mit einer Welle in ihre Richtung gespült wurde, schaute sie ihm ins Gesicht.
Ihr Atem stockte. Oh, nein! Sie kannte das Mädchen. Es war Paula. Eines der Kinder von der Gastronomenfamilie Fahrenkoog, die in St. Peter-Dorf ein...