E-Book, Deutsch, 348 Seiten
James Erfüll mein Verlangen
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95530-736-3
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 348 Seiten
ISBN: 978-3-95530-736-3
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Heather Duval, das verwaiste Mündel des Grafen von Stonehurst, ist eine sehr selbstbewußte junge Lady, wenn es um Geschäftliches geht; privat aber hat sie sich längst damit abgefunden, zur Einsamkeit verurteilt zu sein. denn Heather ist behindert - sie hinkt ein wenig. Als sie einen neuen Verwalter für die Güter des Grafen sucht, tritt Damien Tremayne in ihr friedliches Leben, dessen Bruder hier ermordet wurde. Lange Zeit hat Damien auf die Gelegenheit gewartet, dem mysteriösen Verbrechen auf die Spur zu kommen. In Heathers leidenschaftlichen Umarmungen entdeckt er endlich das düstere Geheimnis...
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1. Kapitel
Hätte er doch nur sagen können, daß es guttat, wieder in England zu sein.
Seit seinem letzten Aufenthalt waren fast vier Jahre verstrichen. Natürlich hatte er damit gerechnet, irgendwann zurückzukehren. Ja, er hatte sich sogar schon auf der Rückreise befunden …
Nie im Leben hatte er damit gerechnet zu erfahren, daß sein Bruder tot war.
Wie eine schwarze Wolke stieg der Zorn in ihm auf. Höllenqualen brodelten in seinem Innern, rangen darum, aus ihrem Gefängnis befreit zu werden. Nein, dachte er, nicht einfach nur tot …
.
Damien Lewis Tremayne saß hoch aufgerichtet im Sattel seines glänzenden Rapphengstes und rührte sich nicht. Roß und Reiter wirkten wie aus Stein gemeißelt. Doch sein Herz war von rasendem Schmerz zerrissen, sein Lebensmut von trostloser Verzweiflung getrübt. Und während er über das weite Tal starrte, war sein Bewußtsein, sein gesamtes Sein nur von einem einzigen Gedanken erfüllt.
Er war der Letzte der Tremaynes.
Sein Vater war schon vor vielen Jahren aus der Welt geschieden. Seine Mutter war ihm nach ein paar kurzen Jahren gefolgt. Und jetzt Giles …
Ihm war unendlich schwer ums Herz. Es war ein sonniger Aprilmorgen, warm für diese Jahreszeit, erfüllt von den Farben des Lebens. Das klare Blau des Himmels spannte sich in endloser Weite. Der Wiesenhang war übersät mit leuchtend gelben Narzissen, wie ein Meer aus goldenem Sonnenschein. Es duftete nach frischer Landluft und süßem Morgentau … Aber durch seine Adern rann winterliche Kälte, die dunkelsten Schatten der Nacht verfinsterten seine Miene. Und in seiner Seele toste ein wilder Gewittersturm.
Er – Damien Lewis Tremayne – trug nun die ganze Verantwortung … Nein, nicht als der neue Earl of Deverell – sondern als der Bruder eines Mannes, der eines gewaltsamen Todes gestorben war, sinnlos, durch die Hand eines anderen …
Er würde den Mörder seines Bruders finden.
Und er würde Giles’ Tod rächen, denn eher durfte er nicht ruhen.
Eher er nicht ruhen.
Erst als ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, wendete er endlich sein Pferd. In diesem Augenblick sah er sie – eine Frau, die ihn aus dem Schatten einer knorrigen Eiche betrachtete. Sie saß auf einer ausgebreiteten Decke auf der Wiese, die Beine unter dem Rock hochgezogen. In ihrer Armbeuge lag ein großer Skizzenblock; in der Hand hielt sie einen Kohlestift.
Ihre Blicke begegneten sich. Als sie merkte, daß er sie entdeckt hatte, stockte ihre Hand. Sie drückte den Zeichenblock etwas schuldbewußt, wie er fand, an die Brust.
Damien ritt zu ihr hin. Ein paar Schritte vor ihr hielt er das Pferd an, stieg aus dem Sattel und ging auf sie zu. Die Frau blieb auf der Decke sitzen, ihr schlanker Hals bog sich, als sie zu ihm aufblickte. Angesichts ihrer geweiteten, unentwegt auf ihn gerichteten Augen kam er sich vor wie der leibhaftig gewordene Teufel. Er konnte sich nicht vorstellen, was an ihm eine solche Furcht hervorrufen konnte. Sicher, er war größer als so mancher andere, aber in seinem lose fallenden weißen Hemd, den dunklen Reithosen und Stiefeln gab er bestimmt kein Bild ab, vor dem sich das Mädchen fürchten mußte.
»Hallo«, murmelte er.
Ihre Lippen teilten sich. Einen Augenblick lang glaubte er, sie werde sich weigern, mit ihm zu reden. Aber nein, sie erwiderte seinen Gruß, und zwar mit leiser, melodischer Stimme, die ihm verriet, daß sie keineswegs Angst hatte, sondern allenfalls auf der Hut war.
»Guten Morgen, Sir.«
Er zog einen Mundwinkel nach oben und suchte nach Worten, um auch den letzten Rest Argwohn in ihr zu zerstreuen. »Ich konnte nicht umhin zu bemerken, daß Sie mich beobachten. Haben Sie mich gezeichnet?«
Nach einem kaum merklichen Zögern antwortete sie: »Ja. Ja, das habe ich. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel.«
»Ganz und gar nicht«, erwiderte er galant. Er ließ sich in die Hocke nieder. »Darf ich das Bild sehen?«
Sie zögerte, ihr Unbehagen war deutlich zu spüren – und noch deutlicher ihre Zurückhaltung –, aber schließlich reichte sie ihm die Skizze.
Damien betrachtete sie prüfend. Obwohl sie noch nicht fertig war, sah Damien, daß es ihr mit wenigen kühnen, kraftvollen Strichen gelungen war, jede Facette seiner düsteren Stimmung – seine Wut, seine unendliche Trostlosigkeit – einzufangen.
Es mißfiel ihm. Es mißfiel ihm zutiefst.
Langsam wendete er ihr den Blick wieder zu. »Ich möchte es gern haben.« Er teilte ihr seine Wünsche ohne Umschweife mit.
»Oh, aber es lohnt sich kaum, ein so hastig hingeworfenes Bild aufzubewahren.« Mit einem Kopfschütteln wies sie seinen Wunsch nicht weniger unumwunden zurück. »Es wäre mir peinlich, eine so mittelmäßige Arbeit aus der Hand zu geben.«
Er blieb freundlich, aber unerbittlich. »Im Gegenteil, Miss. Es ist wirklich gut gelungen, und ich möchte es haben. Der Preis spielt keine Rolle.«
»Aber es geht mir nicht ums Geld, Sir. Es ist – es ist ganz einfach nicht zu verkaufen.«
Eine Möglichkeit ging ihm flüchtig durch den Kopf. Er überlegte, ob er das Bild einfach nicht zurückgeben sollte, denn er war nicht der Mann, der seine Gefühle für alle und jeden sichtbar zur Schau trug; Es war, als hätte das Mädchen einen Teil von ihm erhascht, den er lieber verborgen hielt. Ihm war zumute – oh, als wäre er bei einer verbotenen Tat ertappt worden.
Aus dem Augenwinkel sah er eine kleine Kutsche und ein Pony, das in der Nähe graste. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, in den Sattel seines Hengstes zu steigen und davonzupreschen; sie würde ihn nie und nimmer einholen können.
Er zog eine dunkle Braue hoch. »Sie sind sehr bescheiden«, bemerkte er.
Ihre kleinen weißen Zähne gruben sich in die volle Unterlippe. »Bescheiden?« entgegnete sie leichthin. »Nein, Sir, nur aufrichtig. Es wäre Diebstahl, Ihnen für dieses Bild Geld abzunehmen – es ist ja noch nicht einmal fertig!«
Damien rang um Geduld. Warum war sie nur so starrsinnig? Zum ersten Mal sah er sie jetzt an … sah sie an.
Ihre Schönheit traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube.
Sie war bezaubernd, aber auf eine ganz unmodische Art. Ihr Kleid war ziemlich ausgeblichen und alt, die Schnüre des Mieders hatte sie wegen der Wärme gelöst; die geschwungene Linie ihres Nackens zeigte eine makellos glatte Haut, die von der Sonne leicht gebräunt war. Ganz offensichtlich gehörte sie nicht zu den Londoner Damen, die sich nie ohne Hut oder Sonnenschirm ans Tageslicht wagten. Ihr Haar war auch nicht zu einer wilden Lockenpracht aufgetürmt, wie es gerade Mode war. Es fiel ihr glatt und glänzend über den Rücken, so dunkel, daß es fast schwarz wirkte. Mit ihren bloßen Füßen, deren kleine rosige Zehen unter dem Rocksaum hervorlugten, erinnerte sie ihn an eine Zigeunerin.
Ihre Augen aber waren es, die eine besondere Faszination auf ihn ausübten, und seine Augen verengten sich zu einem Ausdruck unverhüllter Bewunderung. Er hatte noch nie im Leben Augen von einer solchen Färbung gesehen. Sie waren überwältigend, von tiefstem Veilchenviolett.
Die Farbe von Heidekraut in voller, leuchtender Blüte …
Wer war sie? Ein Mädchen aus dem Dorf? Und wo hatte sie so hervorragend Zeichnen gelernt? Ein Naturtalent? Ganz sicher war es so. Aber ihre Sprache war nicht eloquent. Vielleicht arbeitete sie als Dienstmädchen in Lockhaven Park, dessen Besitzerin er noch heute nachmittag einen Besuch abzustatten gedachte. Bei diesem Gedanken spürte er einen Knoten im Magen. Er freute sich nicht gerade auf die Begegnung mit Miss Heather Duval, der Herrin von Lockhaven. Er hatte eine ziemlich deutliche Vorstellung davon, was ihn dort erwartete – eine zänkische, berechnende Jungfer, deren Aussehen vermutlich bestens zu ihrem Charakter paßte. Kein Wunder, daß sie noch auf der Suche nach einem Ehemann war.
Unwillig schob er den Gedanken beiseite. Er hatte keine Lust, sich über Heather Duval Gedanken zu machen. Viel lieber hätte er dieses Bild des Liebreizes mit in sein Zimmer im Gasthof genommen und sie geliebt bis zu dem Augenblick, in dem er aufbrechen mußte.
O ja, ging es ihm durch den Kopf, während sich die Begierde in seinen Lenden regte. Wenn das Mädchen nur willig war, so wollte er ihr jede Faser ihres Kleides vom Körper streifen und sein wehes Herz – und seine Härte – in den Tiefen ihres Schoßes vergraben. Er konnte sich kein besseres Mittel vorstellen, die Finsternis aus seinem Herzen zu verbannen.
»Haben Sie einen Namen, mein Fräulein?«
Wieder dieses Zögern, während sie ihn durch den dichten Schleier ihrer langen Wimpern musterte. »Alice«, murmelte sie schließlich.
»Nun, Alice, sind Sie sicher, daß ich Sie nicht überreden kann, mir das Bild zu überlassen?« In Wahrheit interessierte ihn das Bild nicht mehr. Vielmehr widerstrebte ihm der Gedanke, sie zu verlassen. Er wünschte sogar, sie würde ihn auffordern, zu bleiben und sich zu ihr zu setzen.
Ihre Wangen hatten sich mit einem rosigen Hauch überzogen. »Ich glaube nicht, Sir«, erwiderte sie leise.
»Dann habe ich offensichtlich keine Wahl.«
Er gab ihr das Bild zurück und hatte dabei die vage Vorstellung, daß sie von kleiner Statur sein mußte, denn sie hatte schmale Schultern, eine schlanke Taille und Hände, die kaum größer waren als die eines Kindes. Er wünschte, sie würde aufstehen, denn er hatte plötzlich das Bedürfnis zu sehen, wie sie sich bewegte. Ihr Gang mußte gewiß voller Geschmeidigkeit...




