E-Book, Deutsch, Band 1, 260 Seiten
Reihe: Wyndhorm-Saga
James Das Tagebuch von Lord Wyndhorm
2. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7693-9552-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Tagebuch aus einer anderen Zeit
E-Book, Deutsch, Band 1, 260 Seiten
Reihe: Wyndhorm-Saga
ISBN: 978-3-7693-9552-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nicholas James wurde 1993 geboren und lebt in der Oberpfalz. Als deutsch-amerikanischer Autor beschäftigt er sich in seinen Büchern mit Themen wie Philosophie, Wandel, Glaube und Menschlichkeit. Seine Texte kreisen um das, was unter der Oberfläche liegt, um das Denken, das Fühlen und das stille Fragen. Wenn er nicht schreibt, geht er gern wandern und beobachtet die Welt.
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25. Dezember 1856
Ich erwachte an diesem Morgen nicht vom Klang der Glocken oder dem Klopfen an der Tür, sondern von der angenehmen Wärme des Kaminfeuers, das Mary wohl schon früh entfacht hatte. Der Raum war in ein sanftes Licht getaucht, das sich mit den kühlen Farben des schneebedeckten Himmels draußen mischte. Elenore war bereits wach, das spürte ich. Sie hatte diese unverkennbare Fähigkeit, im ganzen Haus präsent zu sein, ohne je wirklich laut zu sein. Ich fand sie schließlich im Salon, wo sie mit einem Tuch über eine bereits makellose Vase fuhr, die mit grünen Zweigen gefüllt war.
„Frohe Weihnachten, Francis,“ sagte sie, ohne aufzublicken. „Frohe Weihnachten, Elenore,“ erwiderte ich, während ich mich in einen der großen Sessel sinken ließ. „Ist es noch zu früh für Tee?“ Sie schüttelte den Kopf und lächelte leicht. „Mary bereitet gerade alles vor. Aber du solltest nicht glauben, dass du den ganzen Morgen hier sitzen kannst.“
„Das war der Plan,“ sagte ich mit gespieltem Ernst. „Ich dachte, Weihnachten wäre ein Tag der Ruhe.“
„Ruhe kommt später,“ sagte sie trocken. „Im Moment ist Weihnachten ein Tag, an dem man Dinge bewegt – zum Beispiel sich selbst.“
Ich konnte nicht anders, als zu schmunzeln.
Während ich wartete, nahm ich mir die Zeit, den Salon zu betrachten. Die Figuren, die wir am Vorabend arrangiert hatten, standen jetzt perfekt im Licht des Fensters. Der Baum, den wir mit Tannenzweigen und Kerzen geschmückt hatten, wirkte wie eine Einladung an jeden, der das Haus betrat.
Mary trat schließlich mit einem Tablett ein, das Tee und eine kleine Schale mit Marmeladenkeksen trug. „Frohe Weihnachten, Milord, Ma’am,“ sagte sie mit einem höflichen Nicken. „Frohe Weihnachten, Mary,“ antworteten wir fast gleichzeitig. „Sie haben heute viel zu tun,“ fügte sie hinzu, wobei sie mir einen Blick schenkte, der fast an Elenores erinnerte. „Die Holzfiguren, die Suppe fürs Dorf, und später die Gäste. Ich hoffe, Sie haben sich gut ausgeruht.“
„Keine Sorge, Mary. Ich habe mir fest vorgenommen, heute nicht mehr zu arbeiten als nötig,“ sagte ich, worauf sie nur leicht lächelte und den Raum verließ.
Nach dem Frühstück – das sich Elenore mit einer ungewöhnlichen Ruhe genießen ließ – wandte ich mich den letzten Vorbereitungen zu. Ich brachte Holz für den Kamin ins Haus, während Mr. Larchmont mir half, die Kiste mit den Holzfiguren in die Kutsche zu laden. „Es wird ein schöner Tag, Milord,“ bemerkte er, als wir die Figuren verstauten. „Das hoffe ich,“ sagte ich. „Weihnachten ist nicht die Zeit für Pannen.“
„Nein, Sir,“ sagte er ernst.
Elenore kam nach draußen, in einen dicken Mantel gehüllt, und lächelte uns zu. ‚Bist du bereit, Francis?‘ fragte sie, während ich ihr half, in die Kutsche zu steigen.
Die Fahrt ins Dorf war kurz, aber dennoch voller Eindrücke. Der Schnee knirschte unter den Rädern der Kutsche, und die kahlen Bäume, die die Straße säumten, wirkten wie eine stille Ehrengarde. Elenore und ich schwiegen die meiste Zeit, doch es war eine angenehme Stille, durchbrochen vom gelegentlichen Wiehern der Pferde und dem dumpfen Klappern der Hufe auf dem gefrorenen Boden.
Als wir das Dorf erreichten, sahen wir bereits die ersten Kinder, die neugierig am Straßenrand standen. Ihre Gesichter waren gerötet von der Kälte, doch die Augen leuchteten vor Aufregung. Ein kleiner Junge, den ich als den Sohn des Schmieds erkannte, winkte uns zu, bevor er sich hastig zu einer Gruppe Gleichaltriger gesellte. „Sie scheinen zu ahnen, dass wir etwas Besonderes dabei haben,“ sagte Elenore mit einem leichten Schmunzeln, während ich ihr aus der Kutsche half.
Der Dorfplatz war schlicht, aber festlich geschmückt. Ein großer Tannenbaum, der von den Dorfbewohnern gemeinsam aufgestellt worden war, dominierte das Zentrum. Um ihn herum waren Bänke und Tische aufgestellt, die mit dampfenden Suppenkesseln, Brotkörben und kleinen Dekorationen geschmückt waren. Die meisten Dorfbewohner waren bereits versammelt, und ich konnte die herzliche Atmosphäre spüren, die von ihrer Gemeinschaft ausging.
„Willkommen, Milord, Ma’am,“ begrüßte uns Mr. Thorburn, der Schmied, mit einem freundlichen Nicken. „Die Kinder haben sich auf diesen Tag gefreut, seit sie gehört haben, dass Sie kommen würden.“ Elenore lächelte. „Wir hoffen, dass sie Freude an den kleinen Geschenken haben werden.“ Mr. Larchmont, der uns begleitet hatte, begann, die Kiste mit den Holzfiguren aus der Kutsche zu heben. Ich öffnete sie vorsichtig und zeigte den Kindern die Figuren. Ihr Staunen und die freudigen Rufe erfüllten die kalte Luft mit etwas Leben. „Dieser hier ist für dich,“ sagte ich und überreichte dem Jungen, der uns zuvor zugewunken hatte, eine kleine Hirschfigur. Seine Augen weiteten sich, und er hielt sie ganz vorsichtig in seinen Händen.
Während die Kinder ihre Figuren bekamen, kümmerte sich Elenore darum, dass auch die Erwachsenen nicht zu kurz kamen. Sie sprach mit den Frauen, half bei der Verteilung der Suppe und lachte über die Anekdoten der älteren Männer, die von vergangenen Wintern erzählten. „Es ist immer eine Freude, euch hier zu sehen,“ sagte Mrs. Ainsley, die Witwe des alten Pfarrers, zu mir, während ich einen Becher heißen Apfelwein entgegennahm. „Ihr bringt Leben in unser kleines Dorf.“
„Ich glaube, das Dorf hat mehr Leben, als man auf den ersten Blick sieht,“ antwortete ich lächelnd. „Wir tun nur unser Bestes, um ein wenig davon zurückzugeben.“
Der Besuch dauerte länger als geplant, aber es war eine angenehme Zeit. Die Freude der Kinder, die Herzlichkeit der Gespräche und die einfache Gemeinschaft der Dorfbewohner erinnerten mich daran, was Weihnachten wirklich bedeutete. Als wir schließlich aufbrachen, um zurück zum Herrenhaus zu fahren, drehte ich mich noch einmal um und betrachtete das Dorf. Der Tannenbaum leuchtete hell, die Stimmen verklangen langsam, und eine warme Zufriedenheit blieb zurück.
Als wir zurückkamen, war das Haus von einer angenehmen, ruhigen Geschäftigkeit erfüllt. Mary war gerade dabei, den Tisch im Esszimmer zu decken, während Mr. Larchmont im Salon die letzten Vorbereitungen traf. Das Kaminfeuer knisterte, und der Duft von Rosmarin und gebratenem Fleisch zog durch die Flure. Elenore und ich zogen unsere Mäntel aus, und ich spürte sofort, wie die Wärme des Hauses meine durchgefrorenen Hände wieder neu belebte. „Es fühlt sich gut an, zurück zu sein,“ sagte ich, als ich meine Stiefel abstreifte.
„Und du bist genau rechtzeitig,“ bemerkte Elenore. „Unsere Gäste werden bald eintreffen.“ Ich nickte und machte mich auf den Weg in mein Arbeitszimmer, um die Kiste mit den restlichen Geschenken vorzubereiten. Ich hatte für jeden Gast eine Kleinigkeit ausgesucht – nicht viel, aber etwas, das mit Bedacht gewählt war. Für Edward, meinen alten Freund, hatte ich ein Buch gefunden, das ich vor Jahren in einer kleinen Buchhandlung entdeckt hatte. Für Lady Ravensbrook, die bekanntlich einen Hang zur Nostalgie hatte, war es eine kleine, handbemalte Schatulle.
Die ersten Gäste trafen kurz darauf ein. Edward war wie immer pünktlich, und seine Stimme war im Flur zu hören, noch bevor er eintrat. „Francis, du alter Freigeist!“ rief er, als er mich sah. „Du lässt mich jedes Jahr aufs Neue staunen, wie gut du aussiehst, trotz deines Alters.“
„Und du überraschst mich jedes Jahr, indem du genau dieselben Witze machst,“ antwortete ich trocken, woraufhin Elenore leise lachte.
Lady Ravensbrook erschien kurz darauf, begleitet von zwei Nachbarinnen, die sie offenbar spontan mitgebracht hatte. Es war typisch für sie, niemals allein aufzutauchen – nicht aus Notwendigkeit, sondern weil sie es liebte, Gespräche in Bewegung zu halten und Menschen um sich zu scharen. „Francis,“ begann sie mit einem spielerischen Lächeln, „ich hoffe, du hast heute Abend mehr zu bieten als nur deine charmante Zurückhaltung.“
„Das hängt ganz davon ab, ob du bereit bist, dich von meinem Charme überzeugen zu lassen,“ erwiderte ich mit einem verschmitzten Lächeln. „Vielleicht sollten wir die Sache mit einem Glas Wein klären.“
„Ah, Francis, das ist eine deiner bemerkenswertesten Fähigkeiten,“ sagte sie schmunzelnd. „Du schaffst es, selbst die einfachste Unterhaltung in eine kleine Kunstform zu verwandeln.“
„Und du schaffst es, selbst die größte Kunst mit einer bewundernswerten Leichtigkeit zu...




