E-Book, Deutsch, Band 3, 342 Seiten
Jacobsen Kuttertod
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-8392-6124-8
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Küsten-Krimi
E-Book, Deutsch, Band 3, 342 Seiten
Reihe: Privatermittler Bargen und Kommissar Reuter
ISBN: 978-3-8392-6124-8
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kommissar Reuter und Detektiv Bargen haben in Flensburg alle Hände voll zu tun: Brandstiftung in mehreren Häusern an der Ballastbrücke, zwei unbekannte Tote und Hinweise auf internationale Ökoterroristen, die Grenzen mit Gewalt durchbrechen. Die beiden kämpfen scheinbar an mehreren Fronten, doch ein Enthüllungsjournalist zeigt unerwartete Verbindungen auf. Als auch Bargens Kutter in Flammen aufgeht, teilen die Ermittler ihr Wissen. Werden sie gemeinsam Licht ins Dunkel bringen?
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Kapitel 3
Nach fast zwei Stunden mühevollen Werkelns an der alten Dieselmaschine hatte Henrik die Nase gestrichen voll. Er sah ein, dass er einige Neuteile würde kaufen müssen. Von welchem Geld, stand allerdings noch in den Sternen. Henrik kletterte aus dem Maschinenraum, wusch sich den Dreck von den Händen, entfernte einige Ölflecke aus dem Gesicht und schlüpfte in normale Alltagskleidung. Nach einem Blick in den nahezu leeren Kühlschrank beschloss der Privatdetektiv, wenigstens Geld für eine ordentliche Mahlzeit sowie ein oder zwei gepflegte Biere auszugeben. Als er die Tür zum Steuerhaus von außen verriegelte, meldete sich die knorrige Stimme seines Freundes vom Nachbarboot. »Du willst auf die Piste?«, fragte Kalle. Mit einem Grinsen drehte Henrik sich um. Sie kannten sich lange genug, sodass er Kalles Gedanken ahnte. »Die Reparatur hat nur Zeit gekostet und nichts eingebracht. Jetzt brauch ich ein anständiges Essen und einige geistige Getränke. Wie sieht’s aus? Leistest du mir Gesellschaft?«, erwiderte er daher. Die blauen Augen leuchteten unter den fast weißen Haaren des ehemaligen Bauunternehmers auf. Kalle stülpte sich gleich darauf eine speckige Mütze auf und eilte über die Gangway an Land, um sich Henrik anzuschließen. Da er weder erst abschließen noch sein Portemonnaie holen musste, hatte er offenbar bereits auf der Lauer gelegen. »Zum Finnen?«, fragte er hoffnungsvoll und meinte damit die gemütliche Kneipe von Jari Ecklöf, der sich vor einem Jahr in Flensburg niedergelassen hatte. Er war fast 20 Jahre als Koch zur See gefahren, bevor ihn die Liebe in die Fördestadt verschlagen hatte. Die Frau war inzwischen weg, doch Jari war geblieben, und seine Kneipe fand regen Zuspruch, nicht nur unter den Museumsschiffern. »Damit ich mir wieder den Mund verbrenne?«, scherzte Henrik. Den Finnen zeichneten zwei Dinge aus: Er war dürr wie eine Bohnenstange und würzte sein Essen schärfer als jeder mexikanische Koch. Henrik hatte dies bei seinem ersten Besuch nicht erwartet und spielte nun mit seinem Einwand darauf an. Kalle versetzte ihm einen gutmütigen Klaps gegen den linken Oberarm. »Jetzt kennst du ja seine Vorliebe für scharfe Gerichte, also besteht in dieser Hinsicht keine Gefahr«, sagte er. Dafür würde die Getränkerechnung wieder astronomisch ausfallen. Kalle war kein Kostverächter und Henrik hatte bereits böse Erfahrungen mit dessen Trinkfestigkeit machen dürfen. Doch allein die Gesellschaft seines Freundes überwog alle Bedenken, daher willigte er ein und das ungleiche Duo trabte los. Kalle, der kompakt gebaute Mann jenseits der 60, und Henrik, der rotblonde Privatdetektiv von mittlerer Statur. Durch einen Dienstunfall war er bereits im Alter von nicht einmal Mitte 40 pensioniert worden. Während die Bezüge zwar zum einfachen Leben allemal ausreichten, sah es beim Unterhalt seines historischen Fischkutters anders aus. Er diente Henrik als Wohnsitz und erlaubte ihm gelegentliche Ausflüge in die Ostsee hinauf bis in die dänische Südsee. Für die dauernden Instandsetzungen reichte die Pension nicht aus, weshalb Henrik immer wieder Aufträge als Privatdetektiv übernahm. Nach einem Fußmarsch von gut zehn Minuten erreichten sie Jaris Kneipe, die er nach seiner Heimatstadt schlicht »Oulu« getauft hatte. Henrik überließ Kalle den Vortritt. Als er die Eingangstür hinter sich ins Schloss hatte fallen lassen und den dicken Vorhang, der den winzigen Vorraum vom eigentlichen Gastraum trennte, mit der Rechten teilte, empfing ihn lautes Stimmengewirr. Die wilden Klänge der Leningrad Cowboys verstärkten den Krach noch, was Henrik mit einem gequälten Kopfschütteln quittierte. »Wir haben Glück. Hinten am Tresen ist noch Platz«, rief Kalle und schob sich dann durch die dicht an dicht stehenden Tische. Henrik wusste, dass sich sein Gehör schnell anpassen würde, und folgte seinem Freund. Hinterm Tresen stand wieder einmal eine neue Bedienung. Ihre grellblonden Haare waren von violetten Strähnen durchzogen. Als die beiden Männer die letzten freien Barhocker erobert hatten, warf sie ihnen einen fragenden Blick aus schwarz umränderten Augen zu. Kalle deutete auf den Bierhahn und hob dann zwei Finger in die Höhe. »Getränke laufen«, stellte er zufrieden fest. Damit konnten sie sich der übersichtlichen Speisekarte zuwenden, die im Format Din A5 in einem kleinen Metallständer vor ihnen stand. Bevor Henrik sich allerdings für eines der angebotenen Gerichte entscheiden konnte, vibrierte sein Handy in der Jackentasche. Er warf einen Blick auf die angezeigte Rufnummer im Display. »Dr. Kersten. Ich geh raus zum Telefonieren«, sagte er zu Kalle. Dann schnappte er sich seine Jacke und drängte sich zwischen den Tischen hindurch zur Eingangstür. Als Henrik an der frischen Luft war, kam diese ihm überhaupt nicht mehr so vor. Nach der warmen, abgestandenen Luft in der Kneipe war die nach Chemie stinkende Außenluft wahrlich keine Erfrischung. Henrik nahm den Anruf an und lauschte gleich darauf der Stimme des bekannten Strafverteidigers. »Ich hätte einen Auftrag für Sie. Könnten Sie gleich morgen mit Recherchen für mich beginnen?«, wollte Dr. Kersten wissen. Henrik schickte ein stilles Dankgebet zum Himmel. Offenbar hatte da oben jemand seine finanzielle Notlage erkannt und wollte Abhilfe schaffen. »Kein Problem. Soll ich zu Ihnen in die Kanzlei kommen?«, antwortete er. Doch den Weg nach Schleswig musste Henrik nicht antreten. »Ich habe seit zwei Monaten eine Partnerkanzlei in Flensburg. Jemand wird sich morgen bei Ihnen melden und Ihnen die Details mitteilen sowie den üblichen Vorschuss auszahlen«, erklärte Dr. Kersten. Die bisherige Zusammenarbeit mit dem Strafverteidiger war immer ausgesprochen reibungslos verlaufen. Dr. Kersten zahlte ohne Murren die Tagessätze und übernahm die erforderlichen Ausgaben für Recherchezwecke. Da er sich auch darauf eingelassen hatte, dass Henrik niemals relevante Erkenntnisse vor der Polizei verschwieg, war ihr Arrangement für beide Seiten zufriedenstellend. »Können Sie mir schon verraten, wer Ihr Mandant ist und was ihm zur Last gelegt wird?«, erkundigte sich Henrik. Seine Augenbrauen ruckten überrascht in die Höhe, als Dr. Kersten den Namen nannte. Automatisch wanderte Henriks Blick in Richtung der Ballastbrücke, die kaum mehr als drei Kilometer Luftlinie von hier entfernt war. Er sagte zum Abschied zu, mit seiner Arbeit gleich am nächsten Tag zu beginnen. Danach schob Henrik das Handy zurück in die Innentasche seiner Jacke und kehrte zu seinem Platz am Tresen zurück. Gedankenverloren bestellte er sich einen Eintopf nach Art des Hauses, ohne um mildes Würzen zu bitten. Als er dann auch noch sein Bier in einem großen Schluck leerte und nur für sich allein nachbestellte, wandte Kalle sich an ihn. »Was ist los, Henrik? Seit diesem Telefonat bist du völlig abwesend«, fragte er. Gleichzeitig machte er der Barkeeperin mittels Gesten klar, dass er ebenfalls ein weiteres Pils trinken wollte und sie ihnen zusätzlich zwei Schnäpse servieren sollte. Henrik sortierte seine Gedanken und stellte seinem Freund eine Gegenfrage, ohne selbst Antworten zu liefern. »Kennst du Bertram Jansen?« Kalle krauste überrascht die Stirn. »Klar kenne ich den Bertram«, erwiderte er dann. Da Henrik wusste, dass sein Freund keine Plaudertasche war, erzählte er von seinem neuen Auftrag. Kalle starrte einige Sekunden ins Leere, dann nahm er das Schnapsglas und prostete seinem Freund zu. Kaum hatte Henrik sein Glas geleert, orderte sein Bootsnachbar schon die nächste Runde. »Langsam, langsam. Ich muss morgen einen klaren Kopf haben«, bremste Henrik ihn. »Was kannst du mir über Jansen erzählen? Könnte er tatsächlich selbst für die Brandstiftung verantwortlich sein?« Kalle warf einen prüfenden Blick auf die anderen Gäste in ihrer Nähe, bevor er antwortete. Niemand interessierte sich für ihr Gespräch. »Ja, denkbar. Jansen ist schon lange im Geschäft und wie du weißt, wird in der Baubranche mit harten Bandagen gekämpft. Die sogenannte warme Sanierung zählt sicherlich zu seinem Repertoire«, sagte er. Diesen seltsamen Begriff hatte Henrik bereits in seiner Jugend öfter gehört. Damit wurde blumig umschrieben, wenn Eigentümer ihr eigenes Haus in Brand steckten, um sich durch die Zahlung der Versicherung von Schulden zu befreien. Dass es offenbar auch von Bauunternehmern als gängige Methode eingesetzt wurde, war ihm neu. So wirklich überraschend fand Henrik es jedoch nicht. »Scheinbar verdächtigt die Kripo Jansen. Er wurde zur Vernehmung einbestellt und hat Dr. Kersten mit seiner rechtlichen Vertretung beauftragt«, sagte er. »Und du sollst die Beweise liefern, dass Jansen nichts damit zu schaffen hat? Das dürfte ein interessanter Fall werden«, erwiderte Kalle. Während des Essens sprachen sie wenig. Wie meistens leerte Kalle seinen Teller zügig und orderte gleich danach etwas Hochprozentiges, um damit die Verdauung anzuregen. Als die Bedienung auch Henrik ein weiteres Schnapsglas hinstellte, wehrte der schnell ab. »Sorry, Kalle. Ich muss den Abend jetzt beenden. Sonst kann ich morgen nicht ordentlich arbeiten«, sagte er und legte 30 Euro auf den Tresen. Kalle protestierte zwar, akzeptierte zum Schluss aber den Wunsch seines Freundes. Henrik verabschiedete sich und verließ das Oulu. Das leichte Sodbrennen ließ ihn auf dem Heimweg mehrfach aufstoßen. »Hätte daran denken sollen, Jari vom Würzen abzuhalten«, brummelte er vor sich hin, während er an einer roten...