Izzard | Believe Me | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Izzard Believe Me

Mein Leben zwischen Liebe, Tod und Jazzhühnern

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-1581-2
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Eddie Izzard ist der Jedi unter den Stand-Up-Comedians. Inspirierend, surreal, universal, visionär.' Michael MittermeierEr liebt High Heels und lackierte Fingernägel. Er lief 27 Marathons an 27 Tagen, um an die Inhaftierung Mandelas zu erinnern. Er gilt als witzigster Mann Großbritanniens und trifft auch weltweit den Lachnerv — mit Gags über Hitler, Hunde, Darth Vader in der Todesstern-Kantine und Fische, die mit Fischen reden. Eddie Izzard, Humorgenie und Cross-Dresser, erzählt sein bewegtes Leben. In seiner Autobiographie 'Believe Me' schildert der Entertainer lakonische, ergreifende und schreiend komische Episoden aus seinem Leben: von einer verlustreichen Kindheit, vom Entdecken einer komplizierten Sexualität, von ersten Comedy-Versuchen auf den Straßen Londons — und von seinem Plan, die Briten eines Tages zurück in die EU zu führen.
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Wunderland
Meine frühesten Kindheitserinnerungen stammen aus meinem dritten Lebensjahr, was anscheinend ziemlich ungewöhnlich ist, aber vermutlich liegt es einfach daran, dass es die schönste Zeit in meiner Kindheit war. Meine Mutter war am Leben. Wir spielten mit den Kindern in unserer Gang. Wir malten mit Buntstiften Bilder von Häusern. Es war wunderbar. Keine Probleme. Was hätte man daran nicht mögen können? Wir lebten damals in Nordirland1, genauer gesagt in Bangor im County Down.2 Unser Haus stand in Ashford Drive 5, einer Querstraße der Donaghadee Road. Die Gang, in meiner Erinnerung fünfzehn bis zwanzig Kinder, bestand in Wahrheit wohl eher aus acht, vielleicht auch nur fünf. Jedenfalls gehörten mein Bruder Mark und ich und einige andere Kinder aus der Nachbarschaft dazu. Durchschnittliches Alter: zwischen drei und zehn. Heute verbinde ich mit dem Wort »Gang« Gefahr, Verbrechen, Drogen, Mafia. Offenkundig hatte unsere Gang mit alldem nichts zu tun. Unsere Kinderbande hatte nichts Böses im Sinn. Wir tollten nur herum und taten Dinge, die ein bisschen unartig waren. Es war nicht schwierig, in diese Gang hineinzukommen. Später wurde mir bei anderen Gangs, Cliquen und Gruppen in der Schule klar, dass Dazugehören oder Ausgrenzung sehr wichtig sein konnten. Und sehr schwierig. Aber das hier war einfach. Ich gehörte einfach dazu. Wir alle gehörten dazu.3 Allerdings musste man in unserer Gang bestimmte Dinge tun. Es war eine Zeit der Aufnahmeriten. Im Grunde bedeutete das nur, dass wir alle taten, was der Mutigste von uns tat. Man musste dem Anführer Gefolgschaft leisten. Ich war ein Gefolgsmann, da ich zu den kleinsten Kindern in der Gang gehörte. Ich erinnere mich daran, dass wir über die Dächer von Bungalows in einer Neubausiedlung kletterten, die erst zur Hälfte fertiggestellt war. Ich war normalerweise der vorletzte in der Schar von Kindern. Ich erinnere mich daran, dass ich wie eine Katze auf allen vieren auf einer Mauerkrone entlangschlich und in ein Dickicht aus Brennnesseln links und rechts hinunterschaute. Vielleicht waren auch Brennnesseln auf der einen und Glassplitter, Betontrümmer und Nägel auf der anderen Seite. Brennnesseln: Sie lieben es, überall zu wachsen, diese Bastarde. Brennnesseln sind die Nazis der Pflanzenwelt. Würden Brennnesseln nicht brennen, wären sie schon in Ordnung; dann wären sie einfach Grünzeug. Aber sie brennen und stechen in Kinderbeine, sie bringen Kinder zum Weinen, und man wird das Brennen nicht mehr los, wenn man nicht Ampfer findet, ein anderes Grünzeug, das in der Nähe von Brennnesseln wächst. Mit Ampferblättern kann man die brennende Stelle abreiben, und dann geschieht gar nichts. Der Ampfer wirkt nicht, aber sie behaupteten, er würde wirken – das wurde allen Kindern erzählt. Brennnesseln. Sie waren da. Nichts fürchteten wir so sehr wie den Tod durch Brennnesseln. Die Baustelle, an der die neue Siedlung entstand, war ein Haufen Erde auf dem Hügel. Der Erdhaufen war riesig – in meiner Erinnerung war er etwa eine Meile hoch und berührte den Himmel, und Bergsteiger versuchten, ihn zu erklimmen, aber in Wahrheit war er wohl nur etwa anderthalb Meter hoch. Wenn es regnete, rutschten wir auf Teetabletts hinunter.4 Es war wie Schlitten fahren in schneeloser Zeit. Irgendwann kamen wir auf die Idee, vorbeifahrende Autos mit Schlammkugeln zu bewerfen.5 Aber wie wirft man Schlammkugeln? Ganz einfach: Man nimmt eine Hand voll Schlamm, formt ihn zu einer Kugel und wirft ihn auf Autos. Das schien das gefährlichste Kinderspiel zu sein, das man sich überhaupt vorstellen konnte. Es hätte böse enden können, aber man musste es einfach tun. Die größeren Kinder taten es, also musste ich es auch tun. Ich habe keine Ahnung, wie es mir im Alter von vier oder fünf Jahren gelang, eine Schlammkugel zu werfen – wie ich es schaffte, der Kugel eine Richtung zu geben! –, und vermutlich kam keine meiner Schlammkugeln auch nur in die Nähe eines Autos.6 Der Tag mit den Schlammkugeln war ein guter Tag. Ich erinnere mich daran. Wir warfen Schlammkugeln und trotteten anschließend den Hügel hinunter, und unsere Mum erblickte uns. Ich sehe sie am Tor stehen, obwohl sie wahrscheinlich gar nicht am Tor stand. Wahrscheinlich öffnete sie einfach die Tür, als wir klingelten, und sie rief: »Meine Güte, ihr seid ja vollkommen verdreckt! Was habt ihr angestellt?« Also ab ins Bad, die Sachen in die Waschmaschine, und dann eine Tasse Tee. Wir hatten alle einen schönen Tag. Mum war Krankenschwester. Sie war eine sehr fürsorgliche und liebevolle Frau. Sie stand mitten in der Nacht auf, wenn ich etwas brauchte. Manchmal bat ich um ein Glas Pop (Limonade, Sie erinnern sich?) oder um einen Becher Milchkaffee. Ich stieg aus dem Bett, ging zum Schlafzimmer meiner Eltern und fragte durch die geschlossene Tür: »Kann ich ein bisschen Milchkaffee haben? Kann ich ein Glas Pop haben?« Ich kümmerte mich nicht darum, ob sie wach waren oder schliefen. Mum stand jedes Mal auf und holte mir ein Glas Pop oder einen Becher Milchkaffee. Da ich keinen wirklichen Kaffee trinken konnte, musste sie die Milch auf dem Herd heiß machen und ein wenig Instantkaffee damit aufgießen. Sie war offensichtlich eine sehr fürsorgliche Mutter, denn sie tat solche Dinge bereitwillig mitten in der Nacht. Da waren auch Ungeheuer unter meinem Bett. Anscheinend denkt jedes Kind, dass sich unter seinem Bett Monster verstecken, und ich war sicher, dass unter meinem eins lauerte. Sollte es jemals einem echten Ungeheuer gelingen, unter das Bett von jemandem zu kriechen, so wäre das wirklich übel. Ich bin nicht sicher, von welcher Art Ungeheuer hier die Rede ist, aber es dürfte so etwas wie ein Qualle-Oktopus-Bär-Monster sein. Das wäre ein wirklich verrücktes Biest, weshalb wir nicht versuchen sollten, 1) eines von dieser Sorte zu basteln und 2) es unter dem Bett von jemandem zu verstecken. Na ja, vielleicht unter dem Bett eines Erwachsenen. Würden Erwachsene mit einem verrückten Monster unter ihrem Bett fertigwerden? Wenn das Monster begänne, sich zu bewegen, dann würden Erwachsene wohl aus dem Bett steigen, eine Pfanne aus der Küche holen und dem Ungeheuer unter dem Bett die Seele aus dem Leib prügeln. Oder sie würden einen Besen holen und das Monster damit piksen, um es da herauszuholen. Oder noch besser: Sie würden es einsperren und das Haus anzünden. So würden Erwachsene gegen ein Monster unter dem Bett vorgehen. Wenn jemand einen anderen Vorschlag hat, möge er bitte an die BBC schreiben. Als ich vier oder fünf Jahre alt war, lernte ich Fahrrad fahren. Ich hatte ein kleines Fahrrad mit dicken großen Reifen und Stützrädern. Dad ging mit mir auf den Hügel und ließ mich hinabrollen, wobei er das Rad am Sitz festhielt, damit ich nicht umkippte. Auf dem Weg den Hügel hinab wurde man ganz schön schnell. Irgendwann ließ Dad den Sattel los, und ich war frei. Das waren schöne Tage. Sobald ich Rad fahren konnte, nahm Mum mich mit zum Einkaufen. Mein älterer Bruder Mark ging schon zur Ballyholme Primary School, weshalb ich Mum für mich allein hatte. Wir gingen zu den Läden, und sie befestigte einen kleinen weißen Korb hinten an meinem Fahrrad, in den sie die Einkäufe legte – eine Flasche Milch, ein Brot; keine umfangreiche Bestellung, sondern nur das Wichtigste aus dem örtlichen Lebensmittelladen. Wir gingen auf einem Gehweg entlang, dann über den Fluss und wieder zurück. Die Läden waren nur fünf Minuten zu Fuß entfernt, aber für mich war es ein Abenteuer, auf dem Fahrrad hinzufahren und all die Einkäufe in diesem kleinen Korb zu verstauen, um sie nach Hause zu bringen. Es war ein Abenteuer, und ich fühlte mich nützlich. Ich half meiner Mum. Es war wunderbar. Ich werde emotional, wenn ich daran zurückdenke. Da meine Mutter starb, als ich noch sehr jung war, schloss ich die Erinnerungen an sie instinktiv an einem sicheren Ort in meinem Gedächtnis ein. Vielleicht habe ich einige dieser Erinnerungen mit Buntstiften in anderen Farben gemalt, so dass sie ein wenig mehr leuchten, aber zweifellos erlebte ich dieses Abenteuer. Ein wenig weiter weg gab es in der Hauptstraße von Bangor auch ein Kaufhaus. Dorthin ging Mum mit meinem Bruder und mir, um Tee zu trinken. Ich mochte Tee überhaupt nicht, sondern trank lieber einen Milchkaffee oder ein Glas Pop. Es gab dort auch noch andere Läden; ich erinnere mich an einen Friseursalon7 und einen Süßwarenladen. Einmal bat ich Mum um ein Sixpencestück für ein Eis am Stil – ich war süchtig nach Eis mit Orangengeschmack –, und sie gab mir das Geld. Mit der Münze in der Hand lief ich los. Der Laden musste ganz in der Nähe sein, denn Mum hätte mich nie aus den Augen gelassen. Ich rannte und rannte und rannte – und BUMM. Ich stolperte, schlug mit dem Gesicht auf dem Pflaster auf und spuckte einen meiner Vorderzähne aus, den ganzen Zahn samt Wurzel. Blut strömte aus meinem Mund. Mum musste an eine fremde Haustür klopfen und fragte: »Haben Sie eine Schüssel? Könnten wir ihm den Mund abtupfen, bis es aufhört zu bluten?« Ich bin sicher, dass ich tüchtig schluchzte und heulte, denn ich war damals wirklich gut im Schluchzen und Heulen. Eine hilfsbereite Frau gab uns eine mit Wasser gefüllte Schüssel, und meine Mutter verbrachte die nächsten zwanzig Minuten damit, das blutige Loch in meinem Mund abzutupfen. Als die Blutung gestillt war,...


Gebauer, Stephan
Stephan Gebauer, geboren 1968, lebt in Berlin und Madrid. Zu den von ihm übersetzten Autoren zählen Carl Bernstein, Bill Clinton, Hillary Clinton, Billy Crystal, Angus Deaton, Frank Dikötter, Niall Ferguson, Garry Kasparow, Ian Morris, Barack Obama, Robert Shiller und Joseph Stiglitz.

Eddie Izzard, 1962 im Yemen geboren, ist Komiker, Entertainer, Polit-Aktivist und Philanthrop. Er ist jedes Jahr mit über einhundert Shows zu sehen, die er auf Englisch, Deutsch, Französisch und Spanisch vorträgt. In Deutschland war er zuletzt im Berliner Admiralspalast zu sehen. Im Jahr 2000 erhielt Izzard einen Emmy für sein Solo-Programm "Dress to Kill", John Cleese nannte ihn ehrfurchtsvoll "den verlorenen Python". Eddie Izzard lebt in den USA und hat sich für das Jahr 2020 vorgenommen, als Bürgermeister von London zu kandidieren.


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