Iwasaki | Die wahre Geschichte der Geisha | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 368 Seiten

Reihe: Ullstein-Bücher, Allgemeine Reihe

Iwasaki Die wahre Geschichte der Geisha


19001. Auflage 2019
ISBN: 978-3-8437-2200-1
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

Reihe: Ullstein-Bücher, Allgemeine Reihe

ISBN: 978-3-8437-2200-1
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mineko Iwasaki war mehr als ein Jahrzehnt Japans berühmteste Geisha. In ihrer Autobiographie enthüllt sie nun als erste Geisha diewahren Geheimnisse ihres Standes. Der ergreifende Bericht einer Frau, die nie eine Kindheit hatte.

'Mineko Iwasaki wurde 1949 in Kyoto als elftes Kind einer Künstlerfamilie geboren. Nach einer fast fünfzehnjährigen Ausbildung wird Mineko Iwasaki mit zwanzig Jahren Leiterin und oberste Geisha des 'Kobu Gion' in Kyoto. In Japan war sie ein Jahrzehnt lang ein Star, zu ihren Kunden gehörten die mächtigsten Wirtschaftsbosse, Politiker, Kaiser und Könige der Welt. Heute lebt Mineko Iwasaki sehr zurückgezogen mit ihrem Mann und ihrer Tochter in den Bergen von Kyoto.'
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1. KAPITEL


Ich fand immer, dass in meiner Berufswahl eine gewisse Ironie lag.

Eine erstklassige Geiko steht ständig im Scheinwerferlicht, während ich mich als Kind am liebsten in einem dunklen Wandschrank versteckte. Eine erstklassige Geiko setzt all ihre Talente ein, um ihrem Publikum zu gefallen und jedem Menschen, mit dem sie in Berührung kommt, ein Gefühl des Wohlbefindens zu geben, während ich mich am liebsten allein beschäftige. Eine erstklassige Geiko ist wie ein exquisiter Weidenbaum, der sich im Dienste anderer beugt, während ich von Natur aus immer dickköpfig und widerborstig und sehr, sehr stolz war.

Eine erstklassige Geiko ist Meisterin darin, eine entspannte und unterhaltsame Atmosphäre zu schaffen; mir dagegen gefällt es nicht sonderlich, mit anderen Menschen zusammen zu sein.

Eine Star-Geiko ist nie, niemals allein, aber ich wollte immer für mich sein.

Eigenartig, nicht wahr? Es scheint fast so, als hätte ich bewusst den für mich schwierigsten Weg gewählt, den Weg, der mich zwang, mich meinen persönlichen Hindernissen zu stellen und sie zu überwinden.

Ich glaube, wenn ich nicht in die Karyukai eingetreten wäre, wäre ich buddhistische Nonne geworden. Oder Polizistin.

Es ist schwer zu erklären, warum ich als kleines Mädchen den Entschluss fasste, in die Karyukai zu gehen.

Warum entscheidet sich ein Kind, das seine Eltern anbetet, sie aus eigenem Antrieb zu verlassen? Denn ich war diejenige, die sich für diesen Beruf und diesen Arbeitsplatz entschied und damit ihre Eltern im Stich ließ.

Ich möchte berichten, wie es dazu kam. Vielleicht werden die Gründe beim Erzählen klarer.

Wenn ich heute auf mein Leben zurückblicke, sehe ich, dass ich nur zu einer einzigen Zeit wirklich glücklich war: als ich mit meinen Eltern zusammenlebte. Ich war sicher und frei, und obwohl ich noch sehr jung war, wurde ich in Ruhe gelassen und durfte meistens tun, was ich wollte. Nachdem ich mit fünf Jahren mein Zuhause verlassen hatte, war ich nie wieder wirklich allein und verbrachte all meine Zeit damit, anderen Menschen zu gefallen. Alle meine späteren Freuden und Triumphe hatten eine dunkle, fast tragische Kehrseite, die ein Teil von mir wurde.

Meine Eltern liebten einander sehr. Sie waren ein interessantes Paar. Mein Vater stammte aus einer Familie alter Aristokraten und Feudalherren, die verarmt waren. Meine Mutter kam aus einer Familie von Piraten, die sehr reich geworden war; viele von ihnen wurden später Ärzte. Mein Vater war groß und schlank. Er hatte einen scharfen Verstand, war aktiv und extrovertiert. Und er war sehr streng. Meine Mutter war das genaue Gegenteil. Sie war klein und mollig, hatte ein reizendes, rundes Gesicht und einen üppigen Busen. Wo mein Vater streng war, war meine Mutter nachgiebig. Dennoch waren beide Erklärer, Tröster, Friedensstifter. Mein Vater hieß Shigezo Tanakaminamoto (in klassischem Japanisch Tanakaminamoto no Shigezo), meine Mutter Chie Akamatsu.*

Begründet wurde unsere Linie von Fujiwara no Kamatari, einem Mann, der im Laufe seines Lebens geadelt wurde.

Die Tanakaminamotos gibt es seit zweiundfünfzig Generationen. Die Adelsfamilie Fujiwara stellte jahrhundertelang den Kaiserlichen Regenten. Während der Herrschaft von Kaiser Saga wurde Fujiwara no Motomi der Rang eines daitoku verliehen (der höchste Rang des Hofministers, wie er von Shotoku Taishi etabliert wurde). Er starb 782. Seine Tochter, Prinzessin Tanaka, heiratete Kaiser Saga und gebar einen Prinzen namens Sumeru, der Achter in der Kaiserlichen Erbfolge war. Als Abkömmling des Kaisers erhielt er den Namen Tanakaminamoto.

Minamoto ist ein Name, den bis auf den heutigen Tag nur Aristokraten benutzen dürfen. Die Familie bekleidete auch weiterhin verschiedene wichtige Ämter, darunter das des Hofgeomanten und des offiziellen Verwalters von Schreinen und Tempeln. Die Tanakaminamoto dienten dem Kaiserlichen Hause über tausend Jahre.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fanden in Japan große Umwälzungen statt. Die Militärdiktatur, die das Land mehr als sechshundertundfünfzig Jahre lang regiert hatte, wurde gestürzt und Kaiser Meiji als Regierungsoberhaupt eingesetzt. Nach Auflösung des Feudalsystems begann sich Japan zu einem modernen Nationalstaat zu entwickeln. Unter Führung des Kaisers kam es zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb des Adels und unter den Intellektuellen über die politische Zukunft des Landes.

Auch mein Urgroßvater Tanakaminamoto no Sukeyoshi war bereit für eine Veränderung. Er war der endlosen Kämpfe innerhalb der Aristokratie müde und wollte sich von den ehrenvollen Pflichten befreien, die seine Stellung mit sich brachte. Außerdem hatte der Kaiser beschlossen, die Reichshauptstadt von Kioto, wo sie über tausend Jahre lang gewesen war, nach Tokio zu verlegen. Meine Familie war in ihrer Heimat sehr stark verwurzelt. Mein Urgroßvater wollte nicht fortgehen. Als Oberhaupt der Familie traf er die folgenschwere Entscheidung, seinen Titel zurückzugeben und ein Bürgerlicher zu werden.

Der Kaiser wollte ihn davon abhalten, doch mein Urgroßvater erklärte stolz, er sei ein Mann des Volkes. Der Kaiser bestand darauf, dass er wenigstens seinen Namen behielt. Dem stimmte er zu. Im alltäglichen Leben benutzt die Familie nun die abgekürzte Form Tanaka.

Die Entscheidung meines Urgroßvaters entstand zwar aus einem noblen Gefühl heraus, doch für die Finanzen der Familie war sie verheerend. Die Aufgabe des Titels bedeutete natürlich auch den Verzicht auf den Besitz, der damit einherging. Die Ländereien der Familie umfassten ein weites Gebiet im Nordosten von Kioto, vom Tanaka-Schrein im Süden bis zu Ichijoji-Tempel in Norden, also tausende von Morgen.

Mein Urgroßvater und seine Nachkommen erholten sich nie von diesem Verlust. Sie schafften es einfach nicht, in den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen Fuß zu fassen und lebten in vornehmer Armut von ihren Rücklagen und ihrem überholten Gefühl angeborener Überlegenheit. Einige von ihnen brachten es bei der Herstellung kostbarer Keramiken zu einer gewissen Meisterschaft.

Meine Mutter gehört zur Familie Akamatsu. In alter Zeit waren die Akamatsus legendäre Piraten, die auf den Handelsrouten rund um das Japanische Meer und in Richtung Korea und China ihr Unwesen trieben. Sie rafften ein ziemliches Vermögen zusammen und schafften es, dieses Vermögen bis zur Zeit der Geburt meiner Mutter in legalen Reichtum zu verwandeln. Die Familie Akamatsu diente niemals irgendeinem daimyo (direkter Vasall des shogun), sondern hatte selbst genug Macht und Besitz, um Westjapan zu kontrollieren. Der Name Akamatsu wurde ihr von Kaiser Gotoba (1180-1239) verliehen.

Auf ihren abenteuerlichen Streifzügen durch »fremde Gehege« sammelten die Vorfahren meiner Mutter Wissen über Heilkräuter und deren Zubereitung. Sie wurden Heiler und stiegen schließlich zu Hausärzten des Ikeda-Clans auf, der Feudalherren von Okayama. Meine Mutter erbte die Fähigkeit zu heilen von ihren Ahnen und gab ihr Wissen und ihre Fertigkeiten an meinen Vater weiter.

Meine Mutter und mein Vater waren beide Künstler. Mein Vater absolvierte eine Ausbildung an der Kunstakademie und wurde professioneller Designer von Stoffen für hochwertige Kimonos und Schätzer für feines Porzellan.

Meine Mutter liebte Kimonos. Als sie eines Tages ein Kimonogeschäft aufsuchte, lernte sie zufällig meinen Vater kennen, der sich auf der Stelle in sie verliebte. Er machte ihr unermüdlich den Hof. Der Klassenunterschied zwischen den beiden war aber so groß, dass meine Mutter eine Beziehung für unmöglich hielt. Mein Vater bat sie dreimal um ihre Hand. Dreimal weigerte sie sich. Schließlich wurde sie schwanger – mit meiner ältesten Schwester. Damit erzwang er ihr Einverständnis, und sie mussten heiraten.

Zu dieser Zeit war mein Vater sehr erfolgreich und verdiente eine Menge Geld. Seine Kreationen erzielten die höchsten Preise und er brachte jeden Monat ein gutes Einkommen nach Hause. Das meiste davon gab er allerdings seinen Eltern, die sonst kaum Einkünfte hatten. Meine Großeltern lebten mit ihrer großen Familie und viel Personal in einem riesigen Haus im Stadtviertel Tanaka. In den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts hatte die Familie den größten Teil ihrer Ersparnisse aufgebraucht. Einige der Männer hatten sich bei der Polizei und im Staatsdienst versucht, aber keiner war in der Lage, einen Job lange zu behalten. Sie waren es einfach nicht gewohnt, für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten. Mein Vater unterhielt den gesamten Haushalt.

So bestanden meine Großeltern, obwohl er nicht der älteste Sohn war, darauf, dass er und meine Mutter in ihr Haus zogen, als sie heirateten. Im Grunde brauchten sie das Geld.

Das war keine glückliche Situation. Meine Großmutter, die Tamiko hieß, hatte ein überaus aufbrausendes Wesen. Autoritär und reizbar, war sie das genaue Gegenteil meiner sanften, gehorsamen Mutter. Meine Mutter war wie eine Prinzessin erzogen worden, doch meine Großmutter behandelte sie wie eine Dienstbotin. Von Anfang an nützte sie sie aus und machte sie ständig wegen ihrer bescheidenen Herkunft schlecht. In der Ahnenreihe der Akamatsus hatte es einige notorische Kriminelle gegeben, und meine Großmutter benahm sich, als sei meine Mutter auch eine von ihnen. Sie meinte, sie sei nicht gut genug für ihren Sohn.

Großmutter Tamikos Hobby war das Fechten, und sie war eine Meisterin im Schwingen der naginata, der japanischen Hellebarde. Dass meine Mutter so still war, machte meine Großmutter verrückt, und sie fing an, sie mit der geschwungenen Klinge ihrer Waffe unverhohlen zu bedrohen. Sie jagte sie durch das ganze Haus. Das war...


Iwasaki, Mineko
"Mineko Iwasaki wurde 1949 in Kyoto als elftes Kind
einer Künstlerfamilie geboren. Nach einer fast
fünfzehnjährigen Ausbildung wird Mineko Iwasaki
mit zwanzig Jahren Leiterin und oberste Geisha des
'Kobu Gion' in Kyoto. In Japan war sie ein Jahrzehnt
lang ein Star, zu ihren Kunden gehörten die
mächtigsten Wirtschaftsbosse, Politiker, Kaiser und
Könige der Welt. Heute lebt Mineko Iwasaki sehr
zurückgezogen mit ihrem Mann und ihrer Tochter in
den Bergen von Kyoto."



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