E-Book, Deutsch, Band 4, 352 Seiten
Ittensohn Klostertod
2024
ISBN: 978-3-8392-7106-3
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 4, 352 Seiten
Reihe: Kommissar Achill und Stadtführer Sartorius
ISBN: 978-3-8392-7106-3
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein mysteriöser Todesfall in einem Speyerer Kloster. Die Polizei ist sicher, dass die Täterin unter den Nonnen zu finden ist, stößt jedoch auf eine Mauer des Schweigens. Derweil untersuchen der Privatermittler André Sartorius und die Studentin Irina den Fall auf eigene Faust. Irina lässt sich ins Kloster einschleusen und geht den mysteriösen Vorgängen als frischgebackene Novizin auf den Grund. Dabei entdeckt sie ein komplexes Gespinst aus Gier um Macht und Geld und wird am Ende selbst zur Zielscheibe.
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Aufmarsch
Sonntag, 8. März 2020, 9 Uhr Es dauerte keine 20 Minuten, bis sich nahezu zeitgleich ein Notarztwagen und ein Zivilfahrzeug der Ludwigshafener Polizei mit wild zuckendem Blaulicht aus der engen Gasse vor dem Kloster ankündigten. Beide fuhren auf den weiten Vorplatz der Kapelle und stoppten abrupt. Nachdem er den Krankenwagen verständigt hatte, war André auf Schwester Alma zugegangen und hatte sie informiert. Sie nahm seine Hilfe bereitwillig an, war sie doch in diesen weltlichen Dingen reichlich unerfahren. Sie kannte ihn oberflächlich als sporadischen Gottesdienstbesucher und in seiner Funktion als Speyerer Stadtführer, was ihm offensichtlich einen Vertrauensbonus eingebracht hatte. Kriminalhauptkommissar Frank Achill und Kriminaloberkommissarin Verena Bertling sprangen aus dem Wagen und steuerten direkt auf die Priorin zu. André wusste zwar, dass bei plötzlichen Todesfällen häufig mit dem Notarztwagen automatisch auch die Polizei hinzugerufen wurde. Warum aber statt eines normalen Streifenwagens gleich die Mordkommission angerückt war, verwunderte ihn. Dass ausgerechnet sein langjähriger Freund Frank Achill und dessen engste Mitarbeiterin ausgestiegen waren, überraschte ihn zusätzlich. Während die beiden die Schwester mit Handschlag begrüßten, schenkten sie André nur ein flüchtiges Nicken. Er wusste damit umzugehen. Sobald sein Freund im Einsatz war, hatte er wenig Sinn für Beziehungspflege. Wie immer galt all seine Aufmerksamkeit der möglichst effektiven und regelgerechten Erledigung der Polizeiarbeit. »Guten Morgen, Schwester, Sie sind die Verantwortliche hier?«, fragte Achill. Die nur etwa anderthalb Meter große, gebeugte 88-jährige Priorin stand noch immer unter Schock. Sie wankte und schaute sich verunsichert um, als spräche Achill mit einer hinter ihr stehenden Person. »Grüß Gott!«, sagte sie schließlich mit brüchiger Stimme. »Ich bin in der Tat die Priorin unserer Gemeinschaft, Schwester Alma.« Dabei reichte sie ihm die kleine knochige Hand. Ihr Körper war durch das hohe Alter so stark gekrümmt, dass sich Achill vornüberbeugen musste, um sie zu schütteln. »Und das ist Herr Sartorius, ein regelmäßiger Besucher unserer Stundengebete«, stellte sie André mit gütigem Lächeln vor. Nach kurzem Zögern begrüßte Achill nun auch André mit Handschlag, vermied es aber, ihre freundschaftliche Beziehung zu erwähnen. Bertling lächelte irritiert und nannte Namen und Dienstgrad. »Können Sie mich nun bitte an den Auffindeort bringen«, bat Achill. »Auffindeort?«, fragte Schwester Alma verwirrt. »Na, das Zimmer, in dem Sie die Tote gefunden haben.« »Zimmer?«, wiederholte Schwester Alma fragend. »Wir nennen das hier Zelle, Herr Kommissar.« Achill räusperte sich. »Entschuldigung, ich bin mit den klösterlichen Fachbegriffen nicht sehr vertraut. Dann eben in ihre Zelle.« »Die Zelle unserer Mitschwester befindet sich in der Klausur.« »Kein Problem«, erwiderte Achill geschäftig und wandte sich in Richtung des Eingangs zum Klosterinneren. André schmunzelte vielsagend. Zu gerne hätte er seinem Freund eine kleine Erläuterung klösterlicher Gepflogenheiten gegeben, aber Achill hatte ja selbst entschieden, ihre Freundschaft gegenüber der Schwester zu verschweigen. »Klausur bedeutet, dass es ein von der Außenwelt abgeschiedener Bereich ist, zu dem Außenstehende, ganz besonders Männer, keinen Zutritt haben«, erläuterte die Priorin ruhig, aber mit Nachdruck. Achill verbiss sich im letzten Moment eine der sonst üblichen abgenutzten Bullenrepliken, die er und seine Kollegen gebrauchten, wenn jemand versuchte, ihnen irgendwo den Zugang zu verwehren. Stattdessen setzte er auf seine Überzeugungskraft und startete einen neuen Versuch. »Aber jemand muss doch nach der Schwester sehen. Vielleicht …« »Schwester Walburga wurde zu unserem Herrn gerufen«, unterbrach ihn Alma und bekreuzigte sich, »unsere Infirmarin, Schwester Hildegard, die unser volles Vertrauen genießt, hat sich bereits davon überzeugt.« Achill wirkte überfordert. »Infirmarin?«, stammelte er. »Schwester Hildegard ist die Leiterin unserer Klosterinfirmarie, der Krankenstation.« »Aha.« André und Bertling konnten nur mühsam ein Schmunzeln unterdrücken. »Äh, trotzdem wäre es sicherlich sinnvoll, wenn ein zweites Augenpaar uns Gewissheit verschaffen würde, dass wir hier überflüssig sind«, sagte Achill und wies auf die Notärztin, die sich mittlerweile zu ihnen gesellt hatte. »Haben Sie etwa Zweifel an den Fähigkeiten unserer Schwester Hildegard?«, echauffierte sich Alma. Dabei legte sich ihre Stirn in Falten, was anzeigte, dass man gerade ihre Geduld über alle Maßen strapazierte. »Kommen Sie, in Gottes Namen. Aber der bleibt draußen«, sagte sie, an die Notärztin gewandt, und wies auf den bulligen Sanitäter in riesigen Sportschuhen, der sich mit einem nachttischgroßen Sanitätstornister neben der Ärztin aufgebaut hatte. »Ich schaffe das alleine«, sagte die Medizinerin lächelnd zu ihm und folgte Schwester Alma mit einer kleinen Arzttasche in Richtung der Klosterpforte. Als sie außer Hörweite waren, atmete Achill geräuschvoll aus. »Boah, kaum größer als eine Parkuhr, aber schlimmer als jeder russische Türsteher.« André und Bertling lachten. »Was macht eigentlich ausgerechnet ihr hier?«, fragte André. Achill grinste. »Na ja, als im Polizeifunk die Durchsage kam, dass es hier in Speyer einen Todesfall gegeben hat, waren wir zufällig schon auf der B9 Richtung Süden unterwegs. Als ich dann noch vom Kollegen von der Leitstelle hörte, wer den Notruf abgesetzt hat, hab ich mich kurzerhand für zuständig erklärt. Ich wollte verhindern, dass du dich mal wieder in etwas versteigst, du unverbesserlicher Hobbyermittler.« »Witzbold«, erwiderte André, verärgert über die Spitze seines Freundes. War er es nicht gewesen, der ihn in den letzten Jahren bei der Aufklärung von gleich drei Fällen unterstützt hatte? »Ich hoffe nur, die Ärztin kann eine unnatürliche Todesursache sicher ausschließen, und wir können uns hier bald vom Acker machen«, warf Bertling ein, um jegliche Missstimmung zwischen den Freunden im Keim zu ersticken. * Nach einer halben Stunde trat die Ärztin aus dem Klostergebäude und marschierte zielstrebig auf Achill zu. »Können wir kurz reden?«, fragte sie und schaute in die Runde, in der sich neben Bertling noch immer André aufhielt. »Ja«, brummte Achill, offensichtlich scheute er sich, André wegzuschicken. »Die Schwester ist zweifelsfrei tot«, verkündete die Notärztin. »Können Sie uns schon was zur Todesursache sagen?« »Verstehen Sie mich nicht falsch, aber wie Sie sicherlich wissen, ist das die Aufgabe der Kolleginnen und Kollegen der Rechtsmedizin.« »Ich weiß, ich weiß«, wiegelte Achill ab und wedelte mit der Hand, als wolle er den Widerstand der Ärztin wegwischen. »Aber speziell in diesem Umfeld ist es wichtig zu wissen, ob wir einen unnatürlichen Todesfall ausschließen können. Wir wollen hier nicht unnötig stören, indem wir die Nonnen polizeilichen Befragungen unterziehen.« Die junge Ärztin blies hörbar Luft durch die Lippen. »Bei der Todesursache bin ich mir nicht sicher. Sie hat sich vor ihrem Tod wohl mehrfach stark übergeben.« Achill nickte. Er spürte, dass die Ärztin noch mit etwas hinterm Berg hielt. Er verkniff sich eine Antwort und sah sie erwartungsvoll an. »Und …«, begann die Medizinerin, stockte dann aber. »Und was?« »Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich will den Kollegen von der Rechtsmedizin nicht vorgreifen, aber …« »Keine Sorge. Was ist Ihnen noch aufgefallen?« »Na ja, sie hat auffallend rote Lippen«, platzte es aus ihr heraus. »Rote Lippen?« »Ja, und ich denke nicht, dass es Lippenstift ist.« Achill lachte. »In der Tat, davon würde ich hier auch nicht ausgehen. Und was schließen Sie daraus?« »Nichts Spezielles. Bei den sonst häufigen Todesfällen durch Herzinfarkt oder Kreislaufversagen ist es eher umgekehrt, die Lippen wirken farblos oder leicht bläulich.« »Hm«, brummelte Achill unschlüssig. »Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich würde eher auf einen Vergiftungstod als auf eine natürliche Todesursache tippen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass niemand etwas von einer akuten Erkrankung der Schwester weiß.« »Vergiftung …«, brummelte Achill vor sich hin. André blieb stumm, legte die Stirn in Falten und rieb sich versonnen das Kinn, wie immer, wenn er über etwas nachgrübelte. »Auf ihrem Nachtisch steht übrigens so ein Glaskrug mit einem komischen Tee oder Kräutersud darin. Das sah nicht aus und roch auch nicht wie der übliche Pfefferminz- oder Fencheltee.« In Achills Gesicht kam Leben. »Wir müssen sofort da rein und die Beweise sichern, egal ob es dieser Priorin passt oder nicht. Verena, ordere bitte die Rechtsmedizin und die Kollegen von der Kriminaltechnik, sie sollen sich beeilen!« Das Detail mit dem Glaskrug hatte ihn wohl überzeugt, mit großem Besteck an die Sache heranzugehen. Während Bertling ihr Handy zückte, preschte Achill mit André dicht hinter sich in Richtung Pforte. »Du bleibst draußen, mein Freund«, sagte Achill resolut. »Das ist ein Polizeieinsatz. Danke, dass du...