Ishiguro | Was vom Tage übrig blieb | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Ishiguro Was vom Tage übrig blieb

Roman

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-641-28075-8
Verlag: Blessing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Stevens dient als Butler in Darlington Hall. Er sorgt für einen tadellosen Haushalt und ist die Verschwiegenheit in Person: Niemals würde er auch nur ein Wort über die merkwürdigen Vorgänge im Herrenhaus verlieren. Er stellt sein Leben voll und ganz in den Dienst seines Herrn. Auch die vorsichtigen Annäherungsversuche von Miss Kenton, der Haushälterin, weist er brüsk zurück. Viele Jahre lang lebt er ergeben in seiner Welt, bis ihn eines Tages die Vergangenheit einholt. Das kritische Portrait einer von Klasse und Hierarchien geprägten Gesellschaft und eine bittersüße Liebesgeschichte, erzählt von einem, der seinen Stand nie hinterfragt und der nie auch nur geahnt hat, dass er liebte.

Kazuo Ishiguro, 1954 in Nagasaki geboren, kam 1960 nach London, wo er später Englisch und Philosophie studierte. 1989 erhielt er für seinen Weltbestseller »Was vom Tage übrigblieb«, der von James Ivory verfilmt wurde, den Booker Prize. Kazuo Ishiguros Werk wurde bisher in 50 Sprachen übersetzt. Er erhielt 2017 den Nobelpreis für Literatur. Der Autor lebt in London.
Ishiguro Was vom Tage übrig blieb jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


VORWORT von Salman Rushdie Ich habe sehr bewusst versucht, für ein internationales Publikum zu schreiben«, sagt Kazuo Ishiguro zu Was vom Tage übrig blieb in seinem Interview mit der Paris Review (»The Art of Fiction«, No. 196). »Eine der Möglichkeiten, von der ich meinte, damit könne es mir gelingen, war, mich eines englischen, weltweit bekannten Mythos anzunehmen – in diesem Fall dem des englischen Butlers.« »Jeeves hatte einen großen Einfluss.« Dies ist ein unerlässlicher Kniefall. Kein literarischer Butler kann je dem Gravitationsfeld von Wodehouse’ schillerndem Reginald, dem »gentleman’s gentleman« par excellence, entkommen, der so oft Bertie Woosters gefährdeten Schinkenspeck rettet. Aber selbst in Wodehouse’ Kanon steht Jeeves nicht allein. Hinter ihm lässt sich die eher fragwürdige Figur des Dieners von Lord Emsworth entdecken, Sebastian Beach, der sich in der Anrichtekammer von Schloss Blandings ein heimliches Gläschen genehmigt. Und weitere Butler – Meadowes, Maple, Mulready, Purvis – strömen in die Wodehouse-Welt hinein und wieder hinaus, nicht alle sind Säulen der Redlichkeit. Der englische Butler, der sprechende Schatten, ist wie alle guten Mythen vielschichtig und widersprüchlich. Es drängt sich der Gedanke auf, Gordon Jacksons Darstellung des stoischen Hudson in der Fernsehserie Upstairs, Downstairs (Deutsch: Das Haus am Eaton Place) aus den Siebzigerjahren könnte für Ishiguro ebenso wichtig gewesen sein wie Jeeves: der Butler als Grenzgestalt zwischen der »oberen« und der »unteren« Welt, »Mr Hudson« für das Personal, schlicht »Hudson« für die Herrschaften, denen er dient. Nun, da die Beliebtheit einer anderen Fernsehserie, Downtown Abbey, eine neue Generation mit der Bizarrerie des englischen Klassensystems vertraut gemacht hat, liefert Ishiguros kraftvoller, unaufdringlicher Eintritt in diese untergegangene Zeit – um, wie er sagt, das Porträt eines »vergeudeten Lebens« zu zeichnen – einen heilsamen, entzauberten Gegenpart zu der weniger skeptischen Herangehensweise von Julian Fellowes’ TV-Drama. Was vom Tage übrig blieb zerstört auf seine ruhige, nahezu verstohlene Art das Wertesystem der ganzen Upstairs-Downstairs-Welt. (Es sollte erwähnt werden, dass Ishiguros Butler in seiner Art wie Jeeves eine vollkommen fiktive Figur ist. So, wie Wodehouse eine Welt, die außer in seiner Fantasie niemals existierte, unsterblich machte, so projiziert auch Ishiguro seine Vorstellungskraft in einen nur spärlich dokumentierten Bereich. »Ich war überrascht«, sagt er, »wie wenig Hausangestellte über Hausangestellte geschrieben haben, gemessen an der Tatsache, dass ein beträchtlicher Anteil der Bevölkerung dieses Landes bis zum Zweiten Weltkrieg als Bedienstete beschäftigt war. Es war erstaunlich, dass nur so wenige von ihnen gedacht hatten, ihr Leben sei es wert, aufgeschrieben zu werden. Darum ist das meiste von Was vom Tage übrig blieb … frei erfunden.«) Die Oberfläche von Was vom Tage übrig blieb ist fast vollkommen ruhig. Stevens, ein Butler, der seine besten Jahre hinter sich hat, verbringt eine Ferienwoche mit dem Automobil in Westengland. Er gondelt umher, genießt die Ausblicke und trifft auf eine Reihe freundlicher Landbewohner, die einem englischen Film aus den Fünfzigerjahren entsprungen zu sein scheinen, wo die niederen Stände vor feinen Leuten mit ordentlich gebügelten Hosen und flachen Vokalen die Mütze ziehen und sich ihnen gegenüber respektvoll benehmen. Ja, tatsächlich, es ist der Juli 1956 – der Monat, in dem Nassers Verstaatlichung des Suezkanals die Suezkrise heraufbeschwor –, aber solche zeitgeschichtlichen Aspekte beeinflussen den Text kaum. (Ishiguros erster Roman Damals in Nagasaki spielt im Nagasaki der Nachkriegszeit, doch die Bombe wird so gut wie nicht erwähnt. Was vom Tage übrig blieb ignoriert Suez, obwohl dieses Debakel das Ende eines Großbritannien bedeutet, dessen Niedergang ein zentrales Thema des Romans ist.) Es geschieht nicht viel. Der Höhepunkt von Mr Stevens’ kleinem Ausflug ist sein Besuch bei Miss Kenton, der früheren Haushälterin in Darlington Hall, dem großen Haus, mit dem Stevens noch immer als »Teil des Inventars« verbunden ist, obwohl Lord Darlingtons Besitz auf einen jovialen Amerikaner namens Farraday übergegangen ist, der die verwirrende Neigung zum Scherzen zeigt. Stevens hofft, Miss Kenton davon überzeugen zu können, nach Darlington Hall zurückzukehren. Seine Hoffnungen zerschlagen sich. Er macht sich auf den Heimweg. Kleinste Ereignisse; aber warum trifft man den alternden Diener gegen Ende seiner Ferien dann an der Pier von Weymouth, wo er vor einem vollkommen Fremden zu weinen anfängt? Warum fällt es Stevens, als ihm der Fremde empfiehlt, er solle die Beine hochlegen und seinen Lebensabend genießen, so schwer, einen so vernünftigen, wenn nicht gar banalen Rat anzunehmen? Was hat ihm das, was von seinem Tage übrig bleibt, so zunichtegemacht? Knapp unter der harmlosen Oberfläche des Romans dreht sich ein Wirbel, der so gewaltig wie behäbig ist. Denn in Wirklichkeit ist Was vom Tage übrig blieb eine brillante Zersetzung der fiktionalen Modi, von denen der Roman anfangs abzustammen scheint. Tod, Veränderung, Leid und Unheil dringen in die unschuldige Wodehouse-Welt ein. (Wodehouse lässt selbst den Oswald-Mosley-ähnlichen, der Schwarzhemden-Bewegung angehörenden Roderick Spode – und keine Figur, die dieser Autor jemals erschaffen hat, kommt einem üblen Charakter so nahe – auf komische Weise pathetisch erscheinen, wenn er »mit seinen Halbmasthosen« herumstolziert, wie Bertie sagt.) Die von der Zeit ausgehöhlten Bande zwischen Herr und Diener sowie die Codes, nach denen beide leben, sind nicht länger verlässliche Absolutheiten, sondern eher Quelle ruinöser Selbsttäuschung; selbst die glücklichen Landbewohner, die Stevens auf seiner Reise kennenlernt, erweisen sich als Verfechter von Nachkriegswerten wie Demokratie und Individual- und Kollektivrechten, die Stevens und seinesgleichen in einen tragikomischen Anachronismus verwandelt haben. »Du kannst keine Würde haben, wenn du ein Sklave bist«, bekommt der Butler in einem Cottage in Devon zu hören, doch für Stevens hat Würde immer bedeutet, sein Ich dem Beruf und sein Schicksal dem seines Herrn zu unterwerfen. Wie ist denn unsere wahre Beziehung zur Macht? Dienen wir ihr, oder besitzen wir sie? Die außergewöhnliche Leistung von Ishiguros Roman ist es, die großen Fragen zu stellen – Was ist »Englishness«? Was ist Größe? Was ist Würde? –, er stellt sie mit Feinfühligkeit und Humor, ohne dabei die starre Geisteshaltung, die ihnen zugrunde liegt, zu verschleiern. Die wahre Geschichte hier ist die eines Mannes, den die Vorstellungen zerstören, auf denen er sein Leben aufgebaut hat. Stevens befasst sich sehr mit »Größe«, die für ihn so etwas wie Zurückhaltung bedeutet. Die Größe der britischen Landschaft liegt, so glaubt er, im Fehlen des »ungehörigen demonstrativen Charakters«, den afrikanische oder amerikanische Sehenswürdigkeiten seiner Meinung nach aufweisen. Es war sein Vater, ebenfalls Butler, der für ihn diese Idee von Größe verkörperte; doch genau dieser zwischen Vater und Sohn stehende Begriff löste eine Sprachlosigkeit über Gefühle und tiefe Feindseligkeiten aus, an denen ihre Liebe zerbrach. Aus Stevens’ Sicht hat die Größe eines Butlers »entscheidend zu tun mit der Fähigkeit eines Butlers, niemals die berufliche Identität preiszugeben, die ihn erfüllt«. Das steht in Verbindung mit »Englishness«. Kontinentaleuropäer und Kelten gäben keine guten Butler ab wegen ihrer Neigung, bei der geringsten Provokation »schreiend herumzurennen«. Doch Stevens Sehnsucht nach dieser Art Größe hat seine einzige Chance, die Liebe zu finden, vernichtet. Sich hinter seiner Rolle versteckend, brachte er Miss Kenton vor langer Zeit mit dem Auto weg, in die Arme eines anderen Mannes. »Warum, warum, warum müssen Sie sich immer nur so verstellen?«, fragt sie ihn voller Verzweiflung und entlarvt, dass seine Größe eine Maske, eine Feigheit, eine Lüge ist. Stevens’ größte Niederlage ergibt sich als Konsequenz aus seiner tiefsten Überzeugung – dass sein Herr zum Wohl der Menschheit handle und seine eigene Ehre darin bestehe, ihm zu dienen. Aber Lord Darlington ist ein Nazikollaborateur, ein Irregeleiteter, und gerät schließlich in Verruf. Stevens, ein kleiner Petrus, verleugnet ihn mindestens zweimal, aber fühlt sich für alle Zeiten von der Ächtung seines Herrn befleckt. Darlington geht ebenso wie Stevens an seinem persönlichen Moralkodex zugrunde. Seine Missbilligung der einem Gentleman nicht gemäßen Härten den Deutschen gegenüber im Versailler Vertrag treibt ihn seinem Schicksal als Kollaborateur entgegen. Ishiguro zeigt uns, dass Ideale ebenso gründlich korrumpieren können wie Zynismus. Im Vergleich zum Buch beschönigt die Verfilmung von Was vom Tage übrig blieb die Figur des Lord Darlington. Einfühlsam mit einer gewissen, allmählich brüchig werdenden Überheblichkeit dargestellt, wirkt er eher wie ein Narr denn wie ein Schurke, eher bemitleidens- als tadelnswert. Ishiguros Roman ist da weniger zweideutig, seine Darstellung vom Flirt des britischen Adels mit dem Nazitum ist nicht gefühlig gefärbt. Stevens erweist sich bei diesem Thema als wenig verlässlicher Erzähler, denn er findet Rechtfertigungen...


Ishiguro, Kazuo
Kazuo Ishiguro, 1954 in Nagasaki geboren, kam 1960 nach London, wo er später Englisch und Philosophie studierte. 1989 erhielt er für seinen Weltbestseller »Was vom Tage übrigblieb«, der von James Ivory verfilmt wurde, den Booker Prize. Kazuo Ishiguros Werk wurde bisher in 50 Sprachen übersetzt. Er erhielt 2017 den Nobelpreis für Literatur. Der Autor lebt in London.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.