Ironside | Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Ironside Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff!


1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-641-06354-2
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-641-06354-2
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Es ist großartig, 65 zu sein! Man kann sich langweilen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, man kann andere Leute stundenlang aus seinem (eigentlich nicht sonderlich) bewegten Leben erzählen, ohne dass die den Mut hätten, einen zu unterbrechen (schließlich ist man jetzt eine Respektsperson!), man kann ungestraft jammern, und man kann sich überglücklich eingestehen, dass es für gewisse Dinge nun wirklich einfach zu spät ist, und die Balletttänzerinnenkarriere getrost vergessen ... Virginia Ironside beweist in ihrem neuen Buch erneut auf überzeugende und äußerst witzige Weise, dass es Spaß macht, die ewige Jugend hinter sich zu lassen!

Virginia Ironside begann ihre berufliche Laufbahn als Journalistin und veröffentlichte im Alter von zwanzig Jahren ihr erstes Buch. Ihre Romane um Marie Sharp sind Bestsellererfolge. Die Autorin lebt und arbeitet in London.
Ironside Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Alt zu werden war für mich bis vor kurzem immer etwas Furchterregendes, etwas, das es um jeden Preis zu vermeiden galt. Die Aussicht, einmal sechzig zu werden, war schrecklich, vor allem wenn man an diesen herablassenden Beatles-Song »When I’m sixty-four« denkt. Man hat den Eindruck, dass Menschen in diesem Alter nichts anderes mehr tun als Sicherungen auswechseln, Pullis stricken und den Garten umgraben.


Um ehrlich zu sein, hatte ich schon immer einen Horror vor der zweiten Hälfte jedes Lebensjahrzehnts. Einunddreißig zu werden oder einundvierzig, das hat mir nie was ausgemacht, neununddreißig und neunundvierzig aber schon. Aus einer jungen Dreißiger- oder Vierzigerin war plötzlich eine alte Dreißiger- oder Vierzigerin geworden. Als ich neunundfünfzig wurde, hatte ich allerdings so ganz und gar nicht mehr das Gefühl, dass aus mir alter Fünfzigerin in ein, zwei Jahren auf wundersame Weise eine jugendfrische Sechzigerin werden würde.

Wie Doris Day war auch ich der Überzeugung, dass »das Schlimmste am mittleren Alter ist, dass man auch das irgendwann hinter sich lassen muss«.

Eine achtzigjährige Bekannte von mir hat es auch nicht gerade besser gemacht, als sie stöhnte: »Gott, diese zwei fetten Kugeln, die aufeinanderkleben, und darauf noch so eine faltige Kugel. Einfach grotesk.«

Sechzig ist natürlich etwas ganz anderes als achtzig – keine Frage. Dennoch fand ich es, gelinde gesagt, irritierend, wie meine Freunde und Bekannten auf meinen bevorstehenden sechzigsten Geburtstag reagierten. Auf einmal spitzten sie die Münder und wurden unheimlich mitfühlend. »Du Arme!«, riefen sie aus und flüsterten verschwörerisch: »Man sieht’s dir aber gar nicht an!« hinterher. Auf diesen Trost folgte gewöhnlich: »Keine Sorge, Darling, wir verraten nichts! Gib aber um Himmels willen bloß keine Party, ja? Es muss ja nicht gleich jeder erfahren, wie alt du bist!«

Tatsächlich versuchen nicht wenige meiner Freunde dem unangenehmen Prozess des Altwerdens einen jugendlichen Zuckerguss zu verleihen. »Sechzig! Da hat man doch noch das ganze Leben vor sich!«, zwitschern sie fröhlich. Was für ein Blödsinn! Das Einzige, was man, wenn man Glück hat (oder Pech, je nachdem, wie man es nimmt), noch vor sich hat, sind die siebzig oder die achtzig.

Andere sagen: »Sechzig, das ist eigentlich fünfzig plus zehn!« Oder: »Die Sechziger sind die neuen Vierziger.« Also ehrlich, ich begreife das nicht. Man behauptet doch auch nicht, dass »das Meer das neue Land ist« oder »das Leben der neue Tod« (wahlweise auch umgekehrt).

Dann gibt’s da noch die Fraktion der munteren Oldies, die behaupten: »Man ist nur so alt, wie man sich fühlt!« Aber man ist eben nicht nur so alt, wie man sich fühlt. Das klingt jetzt vielleicht ziemlich pedantisch, ja geradezu nach Asperger, aber sechzig ist nun mal sechzig, und dreißig ist dreißig. Die Einzigen, die einen Sechzigjährigen für jung halten, sind Siebzig-, Achtzig- oder Neunzigjährige – mit anderen Worten: die Tattergreise unter unseren Zeitgenossen.

Wie auch immer – als ich zwanzig war, kam mir sechzig jedenfalls ungeheuer alt vor. Und als ich dreißig wurde, hatte ich das Gefühl, dass man mit sechzig schon mit einem Bein im Grab steht. Mit vierzig interessierten mich Senioren nicht die Bohne – einschließlich der »jungen« Sechzigjährigen. Als ich fünfzig wurde, fing ich an, mir allmählich Sorgen zu machen – ohgottohgott, langsam wurde ich ja wirklich ein wenig alt …

Und jetzt, wo ich selbst sechzig bin (fünfundsechzig, um genau zu sein – wie Sie sehen, beschönige ich nichts), kann ich doch nicht einfach sagen: »Ups, da hab ich mich irgendwie total geirrt! Die ganze Zeit habe ich gedacht, dass man mit sechzig alt sei, dabei stimmt das gar nicht! In Wahrheit ist man noch total jung! Da habe ich doch tatsächlich mein Leben lang an Wahnvorstellungen gelitten.« Nein, das wäre meinem früheren Ich gegenüber unfair.

Manchmal frage ich mich, ob diese Verleugnung des Altwerdens nicht einfach eine altmodische Sicht der Dinge ist? Ich werde nie meine gute alte Kummerkasten-Freundin vergessen, die mittlerweile leider verstorben ist. »Ich verrate nie, wie alt ich bin«, meinte sie zu mir, »das geht niemanden etwas an, außer mich selbst.«

Geheimniskrämerei liegt mir aber so ganz und gar nicht. Und wenn ich die ganze Zeit krampfhaft versucht hätte, mein Alter zu verbergen – wäre es dann nicht viel, viel schlimmer, wenn am Ende doch herauskäme, wie alt ich genau bin? »Wisst ihr, wie alt Virginia ist?«, würden Bekannte und Freunde dann hinter meinem Rücken tuscheln, »Sie ist fünfundsechzig! Kein Wunder, dass sie so ein Geheimnis daraus macht!«

Es erstaunt mich immer wieder, wie ungern sich meine Generation eingestehen will, dass sie alt geworden ist. Bonnie Greer hat in einem Artikel über ihre Generation – die Jahrgänge 1944 bis 1954 – geschrieben: »Wir klammern uns ans Leben, fordern unseren Platz, wollen unseren Willen haben und verschließen unsere Augen vor der Realität. Unser Motto war eine Zeile aus einem Song von The Who: »Hope I die before I get old«. Aber wir sind nicht gestorben und weigern uns jetzt, alt zu werden. Und da sind wir nun, gefangen in den glimmenden Überresten einer längst erloschenen Flamme, deren Glühen noch immer alle ausblendet, die nach uns kommen.«

Es scheint, als wäre das Altwerden eines der letzten Tabus, über das die meisten Alten nicht reden wollen. Immer, wenn ich Dinge sage wie »Ich hab nur noch ein paar Jahre, da kann ich genauso gut …«, schnappen alle entsetzt nach Luft und schreien: »Sag das nicht!«, als würde ich durch die Erwähnung irgendeines, wenn auch noch so unbestimmten Endes meinen Tod heraufbeschwören. Ich selbst bezeichne mich oft als alt und werde dann von meinen Altersgenossen prompt niedergeschrien. »Du bist nicht alt!«, korrigieren sie mich. Was sie wirklich meinen, ist: »Sag das nicht! Denn wenn du alt bist, sind wir auch alt, und das können wir nicht ertragen! Also rüttle bitte nicht am Status quo!«

Eine meiner Freundinnen hat einmal gewagt zu sagen, dass sie »alt« sei. Sofort wurde sie von einer anderen Bekannten zurechtgewiesen: »Nimm dieses Wort nicht in den Mund! Du bist nicht alt – du bist … reif

»Reif?«, quiekte meine Freundin entsetzt, »reif wofür? Zur Ernte? Das wäre doch wohl ein bisschen zu spät!«

Ich habe mal einen Artikel für den Amerikanischen Seniorenverband, die AARP oder American Association of Retired People geschrieben. Der Verein gibt eine Zeitschrift heraus, die sage und schreibe fünfzig Millionen Leser hat. Ich schrieb also den Artikel und mailte ihn nach New York. Als ich dann jedoch die Korrekturfahne zurückbekam, musste ich zu meinem Erstaunen feststellen, dass das Wörtchen »alt« überall gestrichen worden war. Ich rief sofort beim AARP an und fragte nach. »Das Layout ist wunderbar, die Fotos toll, die Illustration prima – aber warum habt ihr das Wort ›alt‹ rausgestrichen?«, fragte ich und bat die Cheflektorin um Rückruf.

Ihrem dünnen, zittrigen Stimmchen nach zu schließen, war die Dame schon ziemlich reif. »Hallo, Ginny«, krächzte sie, »sorry, dass ich vergessen habe, dir das vorher zu sagen, aber wir von der AARP benutzen nie das Wort ›alt‹!«

Wie bitte? Der amerikanische Seniorenverband? Will nicht das Wort »alt« benutzen? Das ist doch der blanke Wahnsinn. Als würde ein Friseur versuchen, ohne das Wort »Haare« auszukommen! Oder wenn man über Monty Python zu reden versuchte, ohne das Wort »Papagei« erwähnen zu dürfen. Für mich klingt das so wie eins von diesen verrückten Gesellschaftsspielen, bei denen man eine Minute lang über irgendwas reden muss, ohne Begriffe wie »der/die/das« oder »und« sagen zu dürfen.

Kurz vor meinem sechzigsten Geburtstag hätte ich mich wahrscheinlich auch von einer solchen Sprachpolitik einlullen lassen. Aber als es dann schließlich so weit war, stellte ich fest, dass man Altwerden weder verleugnen noch verschweigen kann. Und dass man sich auf keinen Fall dafür entschuldigen sollte.

Im Gegenteil.

Alt zu werden ist sogar ein Grund zum Feiern.

Es stimmt – die sechzig sind nicht der »Winteranfang« vom Herbst des Lebens. Im Gegenteil: Sie sind der Frühling des Alters. Eine Dichterin hat es so ausgedrückt: »Das Problem ist, dass das Altwerden erst dann interessant wird, wenn man bereits alt ist. Es ist ein fremdes Land, mit einer fremden Sprache, die weder die Jugend versteht noch das sogenannte Mittelalter.«

Die Dichterin hat recht. Älter zu werden ist tatsächlich interessant. Und befreiend. Und schön. Und zwar gerade aus den gegenteiligen Gründen, die einem die heutige Gesellschaft weiszumachen versucht.

Bestes Beispiel ist der hirnrissige Satz: »Es ist nie zu spät!« – Genau das glatte Gegenteil ist der Fall, wenn man sechzig geworden ist: Es ist zu spät. Ist das nicht toll? Das klingt jetzt vielleicht blöd, aber ich habe immer davon geträumt, eines Tages vielleicht doch noch eine berühmte Balletttänzerin zu werden. Oder eine Konzertpianistin. Oder eine Weitspringerin, die sämtliche Rekorde bricht. Mittlerweile jedoch – wenn auch erst seit kurzem, wie ich zugeben muss – ist mir klar geworden, dass die Wahrscheinlichkeit, dass diese Träume doch noch wahr werden, bei null liegt. Wenn ich so auf mein Leben zurückblicke, dann stelle ich zu meiner Verblüffung fest, dass ich eigentlich immer Journalistin gewesen...


Ironside, Virginia
Virginia Ironside begann ihre berufliche Laufbahn als Journalistin und veröffentlichte im Alter von zwanzig Jahren ihr erstes Buch. Ihre Romane um Marie Sharp sind Bestsellererfolge. Die Autorin lebt und arbeitet in London.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.