E-Book, Deutsch, 180 Seiten
Reihe: EDITION BLAU
Inokai Mahlstrom
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-85869-769-1
Verlag: Rotpunktverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman
E-Book, Deutsch, 180 Seiten
Reihe: EDITION BLAU
ISBN: 978-3-85869-769-1
Verlag: Rotpunktverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Yael Inokai (vormals Pieren) wurde 1989 als Tochter einer Deutschen und eines Ungarn in Basel geboren. Philosophiestudium in Basel und Wien; seit 2014 Studiengang Drehbuch an der Deutschen Film- und Fernsehakademie, Berlin. Tätigkeit als Fremdenführerin. Publikationen in verschiedenen Literaturzeitschriften sowie auf Zeit online. Aufenthaltsstipendium Literarisches Colloquium Berlin; Hildesheimer Stadtschreiberin für Bella Triste. Nach ihrem viel beachteten Debüt Storchenbiss (2012) legt sie mit Mahlstrom nun ihren zweiten Roman vor.
Autoren/Hrsg.
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Tiere ertranken so.
Sie gerieten in die scheinbar harmlose Strömung, die sie unter den Felsvorsprung trieb. Das Wasser dort war nur etwas u¨ber einen Meter tief, aber war man einmal in die Kuhle geraten, ließ es einen nicht mehr frei. Es bu¨ndelten sich die Kräfte
eines ganzen Flusses, gegen die kein Strampeln und kein Rudern je hätten ankommen können.
Der Fluss schwemmte die aufgequollenen Kadaver an Land, wenn er sie nicht mehr haben wollte.
Wir warfen sie zuru¨ck.
Er spuckte sie erneut aus.
Barbara hätte er beinahe nicht hergegeben. Obwohl der Körper schon vollgesogen und aufgeweicht war, hielt ihn das Wasser weiter in seinem kräftigen Griff. Nur ihr Rock hätte es fast aus der Kuhle heraus geschafft. Vom aufgehenden Körper in zwei Teile gerissen, reckte er sich bis zur Wasseroberfläche. Er zitterte in der Strömung, wie eine Fahne, die dem Suchenden sein Ziel verriet.
An dieses Stoffstu¨ck klammerte sich der Vater. Er umschloss es mit der Faust, ehe er weitertastete. Er fand den dicken Wollstoff, und er fand Haare. Er griff nach ihnen und zog ein ganzes Bu¨schel nach oben.
Und u¨ber diese Haare dann der Schrei, von dem jeder Einzelne sagte, er habe ihn gehört. Der Schrei lockte die Männer, die den Körper zu bergen versuchten. Sie standen im Wasser, das ihnen nicht einmal bis zu den Hu¨ften reichte und gegen das sie trotzdem nicht ankamen. Sie verfluchten es und droschen mit den flachen Händen darauf ein. Sie schrien in Richtung Himmel, als dieser Protest unbeantwortet blieb. Daraufhin, behaupteten später ein paar, hätten die Wolken sich von den Rändern
des Tals aus aufeinander zubewegt und zu einem grauen Teppich verwebt. Erst sei es noch trocken geblieben, aber dann habe sich der Himmel entladen: klumpiger, bräunlicher Regen, der Dreck eines ganzen Winters.