E-Book, Deutsch, 187 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 190 mm
Huth / Echter Der Schoppenfetzer und der Narrenwein
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-429-06535-5
Verlag: Echter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Erich Rottmanns fünfzehnter Fall
E-Book, Deutsch, 187 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 190 mm
ISBN: 978-3-429-06535-5
Verlag: Echter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
„Mit letzter Kraft bäumte sich Elvira Stark auf und ließ ihre verschränkten Fäuste unter Einsatz ihres Körpergewichts wie einen Hammer auf das Brustbein des Verletzten heruntersausen. Ermattet sank sie vornüber und ihr Kopf sank auf den Brustkorb Bürgermeister Farmers herab. Plötzlich durchfuhr sie es wie ein Blitzschlag! Sie hob den Kopf und legte ihre Hand auf seine Brust. Es war eindeutig, der Brustkorb des Bürgermeisters hob und senkte sich leicht.“
Was hat der brutale Überfall auf Bürgermeister Andy Farmer mit der Fernsehsendung „Die närrische Weinprobe“ und der Wahl des alljährlichen Narrenweins zu tun? Farmer sollte in der Sendung eine wichtige Rolle übernehmen, liegt nun aber im Koma. Der Leiter der Mordkommission, Sebastian Krämer, hält Elvira Stark für die Täterin und versucht alles, um der Freundin seines verhassten Vorgängers Erich Rottmann die Schuld nachzuweisen. Eine Anschlagsdrohung auf die beliebte Fernsehsendung ruft das Landeskriminalamt auf den Plan. Der Leiter dieses Teams sieht Erich Rottmann als einzige Lösung dieser gefährlichen Situation. Kann Rottmann Elvira Stark und die Närrische Weinprobe retten?
Autoren/Hrsg.
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An einem Herbstabend in der Nähe von Maindorf
Die Dämmerung breitete sich wie ein Mantel über die Weinberge und verwandelte die kräftigen Herbstfarben der Weinstöcke immer mehr in ein sanftes pastellfarbenes Landschaftsgemälde. Die schwarze Luxuslimousine fuhr mit Standlicht im Schleichgang den geschotterten obersten Weinbergsweg entlang. Der Fahrer bemühte sich, den Steinschlag durch hochschlagenden Split möglichst gering zu halten. Unter den drei Männern im Wageninneren herrschte Schweigen. Die drei waren Hauptakteure eines ungewöhnlichen Plans, dessen Fundamente jetzt in Form gegossen werden sollten. „Wir sind da“, durchbrach der Fahrer das Schweigen. „Da vorne ist es.“ Aus dem schwachen Licht tauchten etwas entfernt die kantigen Konturen eines weißgestrichenen Weinbergshäuschens auf. Der Mann auf dem Rücksitz beugte sich nach vorn und übersetzte die Worte des Mannes am Lenkrad für den Beifahrer in bestes Mandarin, die chinesische Hochsprache. Der kleine schlanke Mann neben dem Fahrer nickte. Auch im Profil war seine chinesische Herkunft deutlich zu erkennen. Die dichten schwarzen Haare trug er streng nach hinten gekämmt, wo sie mit reichlich Gel an Ort und Stelle gehalten wurden. „Das ist ja winzig“, übersetzte der Dolmetscher die Worte des Chinesen. Das steinerne Weinbergshäuschen stand direkt am Grenzweg zwischen den Weinbergen und dem darüberliegenden Trockenrasengebiet oberhalb von Maindorf, einem bekannten Weinort am Main. Das Häuschen besaß zwei Fenster, die offenbar mit Gardinen verhängt waren, denn erst jetzt, aus der Nähe, erkannte man gedämpften Lichtschein. Der Fahrer lenkte den Wagen nach rechts und parkte ihn dicht neben den obersten Rebstöcken. Die drei stiegen aus und näherten sich der Eingangstür. Der Übersetzer trug eine Kühltasche und einen Aktenkoffer. Ehe sie anklopfen konnten, wurde die Tür geöffnet und die Konturen eines kräftigen Mannes zeichneten sich im Lichtschein ab. „Guten Abend“, grüßte der Gastgeber und trat zur Seite, damit die Besucher eintreten konnten. Im Vorübergehen gab der Fahrer ihm die Hand. Der Chinese beschränkte sich darauf, sich zu verneigen, während der Dolmetscher ihn vorstellte. Die Eintretenden mussten die Augen etwas zusammenkneifen, denn die einzige, aber kräftige Lichtquelle, eine auf einem kleinen Tisch stehende Gasleuchte, blendete sie. Der winzige Raum nahm praktisch die gesamte Grundfläche des Häuschens ein und war spartanisch eingerichtet: der Tisch, sechs Stühle, in eine Ecke eingepasst ein kleiner Schrank. Trotzdem strahlte der Raum eine gewisse Gemütlichkeit aus, der man sich nur schwer entziehen konnte. Der Gastgeber machte eine einladende Handbewegung. „Herr Präsident, vielleicht nehmen Sie hier Platz.“ Der so Angesprochene hob die Hand. „Den Präsidenten habe ich heute zu Hause gelassen. Also bitte ganz zwanglos.“ Er wartete, bis sich der Chinese niedergelassen hatte, dann nahm auch er Platz. Als das Stühlerücken beendet war, ergriff der Präsident das Wort: „Ich freue mich sehr über das Zustandekommen dieses Treffens. Insbesondere begrüße ich sehr herzlich Herrn Chang Shixin, der den weiten Weg aus dem Reich der Mitte zu uns auf sich genommen hat, um mit uns zusammenzuarbeiten. Ich hoffe, ich habe Ihren Namen richtig ausgesprochen.“ Er blickte um Verständnis bittend in Richtung des Chinesen. Nach der Übersetzung des Dolmetschers verbeugte sich der Chinese knapp und begann zu sprechen. Der Gastgeber lauschte andächtig der für ihn fremden Sprachmelodie. Der Übersetzer transferierte seine Worte fast synchron ins Deutsche. „Meine Herren, es ist mir eine große Ehre, Ihr Gast zu sein, um mit Ihnen Geschäfte zu machen. Ich bin überzeugt, dass sich unsere Interessen und die Ihren sich auf wunderbare Weise vereinen lassen.“ Er schloss mit einer neuerlichen Verneigung. Der Präsident fuhr fort: „Herr Chang, ich darf Ihnen Max Runkelbauer vorstellen, der uns hier in dieses idyllische Weinbergshäuschen eingeladen hat.“ Der Übersetzer hatte offenbar Mühe, die Bezeichnung „Weinbergshäuschen“ ins Chinesische zu übersetzen, und musste allerlei Umschreibungen bemühen, bis der Gast verstehend nickte. „Unser Gastgeber ist selbständiger Winzer, der seinen Wein selbst vermarktet. Ein Geschäft, bei dem man in Deutschland zwar große Eigenständigkeit genießt, bei dem man aber auch in ständigem Wettstreit mit den großen Weingütern und den Winzergenossenschaften liegt. Ein harter Wettstreit, bei dem durchaus mit Ellbogen gearbeitet wird. Es ist deshalb notwendig, sich ständig Neues einfallen zu lassen, um den Absatz sicherzustellen. Leider laufen die Geschäfte bei Herrn Runkelbauer seit zwei Jahren nicht mehr ganz so gut.“ Nicht mehr ganz so gut ist wirklich stark geschmeichelt, dachte Runkelbauer. Wenn dieser Handel heute nicht zustande kam, würde sein Betrieb das nächste Jahr nicht mehr überstehen. Der Präsident ließ dem Dolmetscher wieder etwas Zeit, damit er mit dem Übersetzen nachkam. Herr Chang hielt den Kopf währenddessen leicht gesenkt und hörte konzentriert zu, dann nickte er zum Zeichen, dass er alles verstanden hatte. „Als ich vor einigen Monaten aus geschäftlichen Gründen in Nordchina in der Provinz Shandong zu tun hatte“, fuhr der Präsident fort, „lernte ich Herrn Chang kennen. Er leitet dort ein großes Weingut, in dessen Weinbergen, man höre und staune, unter anderem auch Müller-Thurgau angebaut wird. Bei einer ausgiebigen Verkostung konnte ich mich von der Qualität des Weines überzeugen. Herr Chang und ich haben uns dann lange und ausgiebig unterhalten. Dabei haben wir eine Geschäftsidee entwickelt, die ich nach meiner Rückkehr mit meinem Bekannten, Herrn Runkelbauer, diskutiert habe. Das Ergebnis dieser Kontakte ist dieses heutige Treffen. Wir sind uns darin einig, dass die Umsetzung dieser Idee von allen Seiten eine gewisse … Risikobereitschaft verlangt. Die ist aber, soweit ich das verstanden habe, durchaus vorhanden.“ Alle am Tisch, mit Ausnahme des Dolmetschers, stimmten dieser Aussage kopfnickend zu. „Dann würde ich vorschlagen“, fuhr der Präsident fort, „zunächst einmal den Wein, um den es geht, zu verkosten. Schließlich will keiner die Katze im Sack kaufen. Anschließend können wir ja die Einzelheiten besprechen.“ Auf einen Wink hin öffnete der Dolmetscher die Kühltasche und stellte eine Bordeauxflasche auf den Tisch, auf der sich ein Etikett mit chinesischen Schriftzeichen befand. Herr Chang griff sich die Flasche und fuhr mit den Fingern über das Glas, auf dem sich sofort Tau gebildet hatte. Runkelbauer holte aus einem Eckschrank mehrere Probengläser. Während Chang den Schraubverschluss öffnete, erläuterte er: „Meine Herren, das hier ist ein Müller-Thurgau aus der Ernte des letzten Jahres meines Weinguts. Es ist mir eine Ehre, Ihnen diesen Wein jetzt präsentieren zu dürfen.“ Während der Dolmetscher noch übersetzte, schenkte Herr Chang in jedes Glas eine angemessene Menge ein. Nachdem er alle bedient hatte, erhob er sein Glas. „Wie sagt man hier? Zum Wohl.“ Die beiden Worte des Trinkspruchs versuchte er auf Deutsch zu sagen, was ihm nur mäßig verständlich gelang. Die Herren, die sich alle als Weinsachverständige verstanden, rochen, schlürften und ließen den Tropfen auf der Zunge zergehen, um anschließend den Abgang auszukosten. Anerkennende Lautäußerungen kamen von allen Seiten aus den Kennerkehlen. „… eindeutig ein ausgezeichneter Müller-Thurgau mit einem beeindruckenden Nachhall“, stellte Runkelbauer anerkennend fest. „Der aus meinem Wengert ist nicht besser.“ Die anderen schlossen sich dem Lob an. Der Dolmetscher übersetzte, Herr Chang verneigte sich und lächelte. Der Präsident stellte sein Glas ab und ergriff wieder das Wort. „Meine Herren, kommen wir auf den Punkt: Bei meinen Gesprächen mit Herrn Chang haben wir beide festgestellt, dass sich unsere Interessen auf erfreuliche Weise überschneiden, deshalb sind wir hier. Als Präsident einer … gewissen Institution habe ich in den letzten Jahren mit zunehmender Sorge zur Kenntnis nehmen müssen, dass unsere Ausgaben für diverse Veranstaltungen horrend gestiegen sind. Als Verantwortlicher bin ich daher bemüht, uns jede nur erdenkliche Einnahmequelle zu erschließen. An diesem Punkt kommen unsere gemeinsamen Interessen“, er deutete auf Max Runkelbauer und verneigte sich in Richtung des Chinesen, „auf wunderbare Weise zusammen. Herr Chang würde es begrüßen, wenn er seinen Wein nach Franken exportieren könnte mit dem Fernziel, sich den Markt in Europa zu erschließen.“ Der...