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Hummrich / Thompson / Dinkelaker | Erziehungswissenschaftlich forschen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 268 Seiten

Hummrich / Thompson / Dinkelaker Erziehungswissenschaftlich forschen

Eine Einführung
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-17-037633-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Einführung

E-Book, Deutsch, 268 Seiten

ISBN: 978-3-17-037633-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Band stellt den Zusammenhang von geschichtlicher Entwicklung der Disziplin, Theorien und Methoden ins Zentrum. Fragen wie 'Was ist das Erziehungswissenschaftliche an Fragen zu Erziehung und Bildung?' werden ergründet und mit Bezug auf ausgewählte Theorien systematisch vertieft. Wie Fragestellung, Gegenstand und Zielsetzung in Verbindung zum methodischen Vorgehen stehen, inwiefern Erziehungswissenschaft und Gesellschaftstheorie sich verbinden und welche forschungsethischen Fragen in erziehungswissenschaftlichen Erkenntnisprozessen gestellt werden müssen, wird systematisch und anhand von Fallbeispielen und ausgewählten Studien verdeutlicht.

Dr. Merle Hummrich ist Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Jugend und Schule an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
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Weitere Infos & Material


1 Erziehungswissenschaftlich forschen – eine Feldbestimmung


  • Die Studie »Strukturelle Diskriminierung von Kindern mit unsicherem Aufenthaltsstatus« (Eisenhuth 2015) geht der Frage nach der Lebenssituation von begleiteten Minderjährigen in Deutschland nach.

  • In »Szene und soziale Ungleichheit« (Hoffmann 2016) fragt die Verfasserin nach Ungleichheiten in der Jugendkultur, die sich in der Techno-/Elektro-Szene gebildet haben.

  • Die PISA-Studie arbeitet den Leistungsstand von 15-Jährigen anhand standardisierter Messverfahren heraus und vergleicht dabei international, welchen Einfluss die Lebensverhältnisse auf die Leistungsfähigkeit haben.

  • In dem Band »Erwachsenenbildung in Grundbegriffen« (Dinkelaker/Hippel 2015) wird der Stand des Wissens über das Lernen Erwachsener aus theoretischer, historischer und empirischer Perspektive systematisiert.

  • In dem Band »Bildung anders denken« (Koller 2012) geht der Autor dem Vorhaben nach, den Bildungsbegriff zeitgemäß zu bestimmen und greift dazu auf Konzepte aus Pädagogik, Philosophie, Soziologie und Psychologie zurück.

Die kurzen Beispiele, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden, zeigen: Fragestellungen in der Erziehungswissenschaft betreffen eine große Breite an Themen und an methodischen Bearbeitungsmöglichkeiten. Sie betrachten dabei insbesondere Prozesse des Aufwachsens, des Lernens und der Bildung sowie der Aushandlung um Teilhabe, setzen dabei allerdings ganz unterschiedliche Schwerpunkte. Neben der fachlichen Einordnung als erziehungswissenschaftlich haben sich all diese Publikationen mit Fragen und Gegenständen befasst, die sie in Buch- und Zeitschriftenform einer Öffentlichkeit zugänglich machen. Sie dokumentieren dabei Forschungsergebnisse, die sie in theoretischer, historischer und/oder empirischer Weise gewonnen haben. Damit stellen sie sich selbst einem Anspruch, der in diesem Band verhandelt werden soll: dem Anspruch wissenschaftlichen Kriterien zu genügen und einen Beitrag zu neuer erziehungswissenschaftlicher Erkenntnis zu leisten. Die relevante Frage für diesen Band ist dabei: Was macht, bei aller Unterschiedlichkeit, erziehungswissenschaftliches Forschen aus?

Nun liegen zahlreiche Einführungsbände zu Erziehungswissenschaft und damit auch zu erziehungswissenschaftlicher Forschung bereits vor – zumeist handelt es sich um Werke, die in Denktraditionen einführen. Daneben existieren solche, die die Methoden vermitteln und verschiedenen Paradigmen des erziehungswissenschaftlichen Forschens vorstellen (z.?B. quantitativ und qualitativ). Zu Methoden sind dann auch wieder Publikationen vorfindbar, die fächerübergreifend, d.?h. interdisziplinär sind, auf die sich erziehungswissenschaftlich aber dann beziehen lässt. Dies ist dadurch begründet, dass es zwischen Erziehungswissenschaft und anderen Disziplinen weite Überschneidungsbereiche gibt. Philosophie und Soziologie befassen sich zum Beispiel mit Fragen der Erkenntnistheorie (der latinisierte Begriff lautet Epistemologie). Hier sind für die Erziehungswissenschaft zwei Perspektiven relevant, die historisch beide ihre Wurzeln in Soziologie und Psychologie haben: a) die Wissenschaftstheorie befasst sich mit der Frage, welches Wissen gewonnen wird, wie es vermittelt wird und in welche gesellschaftlichen Diskurse es eingebettet ist; b) die Methodologie widmet sich der Frage, wie Erkenntnis gewonnen wird und den Wegen, die zur Erkenntnisgenerierung wichtig sind (Methodos, lat. = der Weg). Noch heute greift die Erziehungswissenschaft auf die in Psychologie und Soziologie entwickelten theoretischen Perspektiven und Methoden zurück, um ihre Erkenntnisse wissenschaftlich zu unterfüttern (vgl. Meseth 2013).

Dass Erziehungswissenschaft als Sozialwissenschaft begriffen wird, soll auch in diesem Band als Annahme vorweggeschickt werden. Es handelt sich dabei um eine Wissenschaft, die sich damit befasst, dass Erziehungswissenschaft über ihren Gegenstand bestimmt werden kann und dieser Gegenstand als Prozesse der Erziehung, Bildung und Sozialisation beschreibbar ist. Damit handelt es sich erstens um soziale Prozesse und zweitens um Prozesse, die auch in soziale Zusammenhänge eingebunden sind. Das heißt: Prozesse der Bildung, Sozialisation oder Erziehung kann man sich zunächst als soziale Prozesse vorstellen. Sie finden zwischen unterschiedlichen Personen statt und sind damit intersubjektiv (zwischen zwei Subjekten) und interaktiv (auf Interaktion basierend: zum Beispiel durch Sprache und Symbole vermittelt) ausgestaltet; Erziehung, Sozialisation und Bildung sind aber auch sozial eingebettet – sie entstehen in Zusammenhängen, in denen es Normen gibt, auf die sich Personen in ihren Interaktionen beziehen (z.?B. wie ›man‹ in einem bestimmten Kontext spricht, welche Kleidung ›man‹ trägt usw.).

Nun wurden hier zwei relevante Bezugsdisziplinen der Erziehungswissenschaft genannt: Psychologie und Soziologie. Noch heute gelten sie – neben der Philosophie – als Nachbardisziplinen der Erziehungswissenschaft und sind erkenntnistheoretisch relevant. Gleichzeitig machen die um Erziehung, Bildung und Sozialisation zentrierten Gegenstandsbereiche die Erziehungswissenschaft als eigene Disziplin aus. Beiden Bezügen, dem Bezug auf die Nachbardisziplinen und dem Bezug auf die originären Gegenstandsbereiche, soll in diesem Band Rechnung getragen werden, indem sie in ein angemessenes Verhältnis gebracht werden. Vor diesem Hintergrund kann aber erziehungswissenschaftliche Forschung gerade nicht als Forschung zu einem disziplinären Kern beschrieben werden, sondern vielmehr als Feld, in dem ganz unterschiedliche Themen, Gegenstandsbezüge und Theorien aufgenommen und zueinander relationiert werden.

1.1 Eine erste Feldbestimmung erziehungswissenschaftlicher Forschung


Weil es nicht »den« Kern »der« erziehungswissenschaftlichen Forschung gibt und die Themen divers, aber dennoch verbunden sind, sollen hier zwei Varianten der Bestimmung von Erziehungswissenschaft angeboten werden: a) das Feld der Erziehungswissenschaft in seinen unterschiedlichen disziplinären Bezügen und Teildisziplinen; b) das Feld der Erziehungswissenschaft in seinen Gegenstandsbezügen.

Das erste Feld, das die erziehungswissenschaftliche Forschung beschreibt, ist durch das Verhältnis von Theorie und Praxis bestimmt. Eine Spezifik der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Erziehung besteht darin, dass Erziehungswissenschaft sich zuallererst herausbildete, um die Praxis der Erziehung zu verbessern. Diese Forderung wird auch heute noch häufig in den Brennpunkt der Aufmerksamkeit gestellt. Die Frage im Seminar »Und was bedeutet das jetzt für die Praxis?« scheint zuweilen die Textauswahl und die Bewertung der Texte durch Studierende nach dem Kriterium der Brauchbarkeit zu lenken (Krüger 2019). Ähnlich wie in dem Fall, in dem Schüler:innen im Stochastikunterricht nach der Nutzbarkeit des Wissens fragen (»Wozu brauchen wir das später im Leben?«), bemisst sich die Auseinandersetzung mit der Wichtigkeit des Wissens auch in erziehungswissenschaftlichen Studiengängen offenbar an seiner Nützlichkeit und Verwertbarkeit (Hummrich 2020).

Begreifen wir Erziehungswissenschaft als Sozialwissenschaft, so lässt sich hinsichtlich des Verhältnisses von Theorie und Praxis an einen Gedankengang anschließen, den Max Weber schon 1922 ausführt: Sozialwissenschaft, schreibt Weber, »war ›Technik‹ etwa in dem Sinne, in welchem es auch die klinischen Disziplinen der medizinischen Wissenschaften sind« (ebd. 1922/1988: 148). Dies markiert einen Unterschied zu Studienfächern wie Philosophie, Geschichte oder Theologie, die vor allem auf Wissens- und Erkenntnisgenerierung gerichtet sind, und bei denen der direkte Praxisbezug (die Technik) nicht im Vordergrund steht. Und gleichzeitig zeigt sich an erziehungswissenschaftlichen Theorien, dass auch hier das Wissen nicht unmittelbar auf »die« Praxis übertragbar ist – wobei hier auch gefragt werden muss, inwiefern überhaupt von »einer« Praxis gesprochen werden kann, betrachtet man die Allzuständigkeit erziehender und bildender Berufe (? Abb. 1.1).

Abb. 1.1:Erziehungswissenschaft in ihrer inter- und subdisziplinären Verwobenheit (Freie Universität Berlin, OSA Bildungs- und Erziehungswissenschaft [B.A.])

In der Grafik sehen wir »Bildungs- und Erziehungswissenschaft« zu unterschiedlichen disziplinären Bezügen relationiert. Das sind einmal die interdisziplinären Fächer, unter denen etwa die Psychologie schon genannt wurde. Nicht zufällig ist sie eines der meistgewählten oder sogar verpflichtenden Nebenfächer in einem Hauptfachstudiengang Erziehungswissenschaft. Zu wissen, welche Vorstellungen es über das Aufwachsen gibt, dass Entwicklung in unterschiedliche Phasen eingeteilt werden kann und somit Vorstellungen von angemessenem Handeln jeweilige Lebensphasen und Entwicklungsstufen voraussetzen, ist ein Wissen, das auch in späteren fachspezifischen Orientierungen von großer Wichtigkeit ist. Die...


Dr. Merle Hummrich ist Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Jugend und Schule an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.



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