Hughes | Wünsche, die uns tragen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 416 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Hughes Wünsche, die uns tragen

Roman
17001. Auflage 2017
ISBN: 978-3-8437-1520-1
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 416 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-1520-1
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Als Beths Sohn Jake dringend eine Spenderniere braucht, bleibt als einziger möglicher Kandidat Beths unbekannter Vater. Die Suche führt in den englischen Küstenort Blackpool: An einem Wochenende im Sommer 1973 soll durch einen tragischen Unfall ein unbeschreibliches Geheimnis für immer verschleiert werden. Bis Beth im Nachlass ihrer Mutter auf einen wichtigen Hinweis stößt. All ihre Wünsche und Hoffnungen werden auf die Probe gestellt und das größte Rätsel um ihre Familie ändert ihr Leben für immer - kann Jake am Ende gerettet werden?

Kathryn Hughes wurde in Altrincham in der Nähe von Manchester geboren. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Sekretärin und gemeinsam mit ihrem Mann leitete sie über neunundzwanzig Jahre ein Familienunternehmen. Kathryn Hughes liebt das Reisen, unter anderem nach Indien, Singapur, Südafrika und Neuseeland. 'Drei Worte Glück', ihr erster Roman, ist ein internationaler Bestseller.
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1


Juni 1975

Zum ersten Mal hatte sie Thomas Roberts mit fünf Jahren auf dem Schulhof geheiratet. Tagelang hatten sie die Zeremonie geplant, und als es so weit war, trug sie einen Schleier aus einer der Netzgardinen ihrer Mutter und darüber einen Gänseblümchenkranz. Die anderen hatten ihr versichert, dass sie wie eine echte Braut aussah. Thomas hatte ihr ein selbstgepflücktes Sträußchen Wildblumen überreicht, ihre Hand genommen, und der kleine Davy Steward hatte die beiden getraut. Davy hatte fürchterlich gestottert, und hinter den dicken Brillengläsern waren seine Augen groß wie Untertassen, aber er kannte sich als Chorknabe nun einmal besser als die anderen mit diesen Dingen aus.

Mary lächelte bei der Erinnerung, als sie eine Vierteldrehung vor dem Spiegel machte und mit einer Hand über die wunderbare Wölbung ihres Bauchs unter dem straff gespannten Stoff ihres geblümten Kleides strich. Dann stemmte sie die Hände ins Kreuz, beugte sich vor und suchte ihr Gesicht nach ersten Anzeichen einer Veränderung ab. Sie nahm die niedlichen zitronengelben Babyschuhe, denen sie bei Woolworths unmöglich hatte widerstehen können, vom Frisiertisch und vergrub ihre Nase in der feinen Wolle, aber ohne kleine Füße, die sie wärmen konnten, rochen sie neu und irgendwie steril.

Als sie ihren Mann die Treppe hinaufstapfen hörte, stopfte sie die Schuhe in die Tischschublade und schaffte es gerade noch, das Kissen unter ihrem Kleid hervorzuziehen, ehe er hereinkam.

»Da bist du ja, mein Schatz. Was machst du denn hier oben?«

Eilig klopfte sie das Kissen aus und legte es aufs Bett. »Nichts. Ich habe nur ein bisschen aufgeräumt.«

»Schon wieder? Komm her.« Er zog sie eng an seine Brust, strich ihr blondes Haar zur Seite und drückte sanft seine Lippen auf ihren Hals.

»Oh, Thomas, was, wenn ich nicht schwanger bin?« Sie bemühte sich, nicht allzu jämmerlich zu klingen, doch nach zahllosen Enttäuschungen fiel es ihr allmählich schwer, optimistisch zu bleiben.

Er legte seine Hände um ihre Taille und zog sie zu sich aufs Bett. »Dann versuchen wir es einfach weiter, bis es klappt.« Abermals vergrub er sein Gesicht an ihrem Hals, und wieder einmal nahm sie den Geruch des Kohlenstaubs in seinen Haaren wahr.

»Thomas?«

»Ja?« Er stützte sich auf seinen Ellenbogen ab und sah sie fragend an.

»Du wirst doch in der Grube kündigen, sobald ich schwanger bin, nicht wahr?«

Er stieß einen Seufzer aus. »Ja, Mary, dann werde ich dort kündigen, wenn es dich glücklich macht.«

»Ich kann schließlich nicht ganz allein die Pension führen und mich gleichzeitig um unser Baby kümmern.«

Thomas runzelte besorgt die Stirn. »Aber das wird nicht einfach werden, Mary. Ich meine, unser Lohn wurde gerade um ein Drittel erhöht, und finanziell stünden wir ohne meine Arbeit deutlich schlechter da.«

»Ich weiß, Liebling, aber dein Job ist einfach fürchterlich gefährlich, und vor allem hast du selbst gesagt, dass du die weite Fahrt zur Arbeit hasst.«

»Da hast du recht«, räumte er ein. »Um wie viel Uhr ist dein Termin beim Arzt?«

»Um drei.« Sie fuhr mit einem Finger über seine Wange. »Ich wünschte mir, du könntest mitkommen.«

Er küsste ihre Fingerspitze. »Das würde ich auch gern, Mary, aber ich werde an dich denken, und wir können schließlich auch noch feiern, wenn ich heimkomme, nicht wahr?«

»Ich finde es immer schrecklich, wenn du Nachtschicht hast.«

»Ich finde das auch nicht wirklich lustig«, sagte er mit einem Lächeln, das seinem Satz die Schärfe nahm.

Er richtete sich auf, um seine Stiefel anzuziehen, und sie schmiegte sich an ihn an. »Ich liebe dich so sehr, Thomas.«

Er nahm ihre Hand und drückte sie. »Ich dich auch, Mary, und ich weiß jetzt schon, dass du eine wunderbare Mutter sein wirst.«

Seit ihrer offiziellen Hochzeit vor drei Jahren bemühten sie sich um ein Kind. Mary hätte nicht gedacht, dass es so schwierig werden würde, und mit ihren einunddreißig Jahren lief ihr langsam die Zeit davon. Sie hatte immer schon gewusst, dass sie die geborene Mutter war, und sie konnte einfach nicht verstehen, weshalb ihr Gott diese Erfüllung vorenthielt. Jedes Mal, wenn das vertraute Ziehen im Bauch und die einsetzenden Krämpfe ihr bestätigten, wie fruchtlos ihr Bemühen abermals gewesen war, verlor sie etwas von ihrer Zuversicht. Sie sehnte sich danach, morgens um vier von Säuglingsgeschrei geweckt zu werden, und was hätte sie darum gegeben, irgendwo in einer Ecke ihrer Küche einen Eimer voller stinkender Windeln stehen zu haben, die es schnellstmöglich zu waschen galt. Sie wollte in die Augen ihres Babys schauen und darin die Zukunft sehen. Vor allem aber wollte sie ihrem geliebten Thomas gegenübersitzen, während er sein Kind – ob Junge oder Mädchen, spielte keine Rolle – in seinen starken Armen hielt, und hören, wenn es irgendwann nach seinem »Daddy« rief.

Infolge ihres unerfüllten Kinderwunschs starrte sie inzwischen auf der Straße allzu lange fremde Babys an und warf Müttern, die es wagten, ihre Kinder anzuschreien, bitterböse Blicke zu. Einmal hatte sie sogar ihr Taschentuch gezückt und die Nase eines fremden Kinds geputzt, denn ohne dass die nichtsnutzige Mutter auch nur etwas davon mitbekommen hätte, hatte dieser arme Wurm bereits die Zunge nach den langen gelben Fäden, die in Richtung seiner Oberlippe liefen, ausgestreckt. Und genauso wenig wie die Mutter dieses Kindes hatte ihr die Mutter eines kleinen Jungen ihre Fürsorge gedankt, der ganz allein am Strand saß und laute, von wildem Schluckauf unterbrochene Schluchzer ausstieß. Nachdem er nur einmal daran geleckt hatte, war das Eis des Kleinen in den Sand gefallen, und da seine Mutter sich geweigert hatte, für Ersatz zu sorgen, war Mary kurz entschlossen mit ihm zum Eiswagen gegangen, um ihm ein neues Eis zu kaufen. Das strahlende Gesicht des kleinen Kerls war ihr Dank genug.

Ihre mütterlichen Instinkte schwelten immer dicht unter der Oberfläche, und ihr schmerzliches Verlangen, endlich ihr eigenes Baby zu bemuttern, nahm mit jedem Monat zu. Während sie darauf lauschte, wie ihr Mann sich unten in der Küche Brote für die Schicht einpackte und die Thermoskanne füllte, betete sie, dass der Arzt ihr vielleicht heute endlich sagen würde, dass ihr größter Wunsch nach all den Jahren endlich in Erfüllung ging.

Der Zug fuhr kurz nach Mittag mit so laut quietschenden Bremsen in den Bahnhof ein, dass Mary sich die Ohren zuhielt, während Thomas sich nach seiner Tasche bückte und sie sich über die Schulter warf. Er hasste diese Abschiede genauso sehr wie sie, doch er versuchte immer, ihr zuliebe möglichst gutgelaunt zu sein. Er zog sie eng an seine Brust und legte kurz sein Kinn auf ihrer Schulter ab. »Ich bin sicher, dass der Doktor gute Neuigkeiten haben wird, Mary. Ich drücke dir die Daumen.« Er hob ihr Kinn und küsste sie zärtlich auf den Mund. »Und sobald das Kleine auf der Welt ist, reiche ich meine Kündigung ein.«

»Wirklich?« Mary klatschte in die Hände, und ein Ausdruck grenzenloser Freude legte sich auf ihr Gesicht. Um ganz sicherzugehen, fragte sie: »Versprichst du mir das?«

Er bekreuzigte sich kurz. »Ja, Schatz, das verspreche ich.«

»Du weißt gar nicht, wie glücklich du mich damit machst.« Sie küsste seine raue Wange und stieß einen Seufzer aus. »Oh,Thomas. So süß ist Trennungswehe.«

»Eh?«

»Romeo und Julia.«

Er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, das ist zu hoch für mich.«

»Ach, Thomas.« Sie schlug ihm lachend auf den Arm. »Es kann doch wohl nicht sein, dass du ein solcher Kunstbanause bist! Julia sagt zu Romeo, dass für sie Trennung nicht nur schmerzlich, sondern gleichzeitig auch süß ist, weil sie dabei bereits an ihr nächstes Wiedersehen denkt.«

»Oh, verstehe.« Er runzelte die Stirn und zog die Nase kraus. »Das ergibt natürlich einen Sinn. Der alte William wusste schon, wovon er redet.«

Er bestieg den Zug, zog die Tür hinter sich zu, schob das Fenster auf und lehnte sich hinaus. Als er seine Fingerspitzen küsste und Marys Wange berührte, hielt sie seine Hand fest und versuchte krampfhaft, nicht in Tränen auszubrechen, weil sie wusste, wie verhasst ihm solche Gefühlsausbrüche waren. »Also, Thomas Roberts, pass auf jeden Fall gut auf dich auf.«

Sie hob mahnend einen Zeigefinger in die Luft, und er legte die Hand wie zum Salut an seine Stirn. »Zu Befehl, Ma’am.«

Der Schaffner blies in seine Pfeife, und der Zug fuhr an. Mary lief noch ein paar Schritte mit, und Thomas winkte ihr mit seinem weißen Taschentuch. Sie wusste, dass er sie nur aufzog, als er sich damit über die Augen fuhr, rief möglichst fröhlich: »Wir sehen uns übermorgen«, und sah ihm so lange hinterher, bis die Bahn am Horizont verschwand.

Das Wartezimmer ihres Arztes war bis auf den letzten Platz besetzt. Die Luft war stickig, und die Frau zu Marys linker Seite hielt ein Baby in den Armen, dessen Windeln dem Geruch nach nicht mehr wirklich frisch waren. Der Mann zu ihrer Rechten nieste lautstark in sein Taschentuch, und als ein wilder Hustenanfall folgte, wandte sie sich eilig ab und hielt sich eine abgegriffene Zeitschrift vors Gesicht. Sie war zu fünfzehn Uhr bestellt gewesen, aber jetzt war es schon Viertel nach. Ehe sie jedoch vor lauter Aufregung den nächsten Fingernagel mit ihren Zähnen attackieren konnte, rief eine der Helferinnen endlich ihren Namen auf. »Mary Roberts? Der Herr Doktor wäre jetzt bereit.«

»Danke.« Unsicher legte sie die Zeitschrift weg,...


Hughes, Kathryn
Kathryn Hughes wurde in Altrincham in der Nähe von Manchester geboren. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Sekretärin und gemeinsam mit ihrem Mann leitete sie über neunundzwanzig Jahre ein Familienunternehmen. Kathryn Hughes liebt das Reisen, unter anderem nach Indien, Singapur, Südafrika und Neuseeland. "Drei Worte Glück", ihr erster Roman, ist ein internationaler Bestseller.

Kathryn Hughes wurde in Altrincham geboren und lebt heute mit ihrer Familie in der Nähe von Manchester. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Sekretärin und gemeinsam mit ihrem Mann leitete sie über neunundzwanzig Jahre ein kleines Unternehmen. Kathryn Hughes liebt das Reisen, unter anderem nach Indien, Singapur, Südafrika und Neuseeland. Ihr erster Roman "Drei Worte Glück" war ein großer internationaler Erfolg.



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