Interview mit dem Autor Michael Hug
Michael Hug ist ein engagierter Schreiber, der für sich die Sprache als Medium entdeckt hat, um seine Botschaften zu transportieren. Doch wird man nicht als Autor, Journalist oder Texter geboren, vielmehr ist es meist das Endstadium eines Weges, einer Persönlichkeitsentwicklung, die schon früh im Kindesalter beginnt. Nichts liegt also näher, als diese Person zu befragen, welche Beweggründe oder Entwicklungen zu dem geführt haben, was der Lesende nun in Zeitungsartikeln, Blogs oder Büchern dieses Autors findet.
H+P nimmt dies, auch im Hinblick auf die bevorstehende Buchveröffentlichung, zum Anlass, Michael Hug einige Fragen zu stellen.
H+P: Herr Hug, Ihre Passion ist es, abgesehen von Ihrer journalistischen Tätigkeit für diverse Medien, zu reisen und darüber zu schreiben. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
MH: Woher diese beiden Passionen kommen, weiss ich nicht. Meine Familie, Eltern und Geschwister, sind in beiden Disziplinen nicht besonders aufgefallen. Meine Mutter, sie wird 86, ist nach dem Krieg aus Niederösterreich in die Schweiz gekommen und geblieben, das war zeitlebens ihre grösste Reise. Mein Vater war Handelsreisender, sein Tätigkeitsgebiet war die übersichtliche Ostschweiz, er war meines Wissens nie im Ausland. Nun ja, vielleicht bin ich väterlicherseits gentechnisch etwas vorbelastet.
H+P: Aber zumindest muss es ja eine Art von 'Fernweh' geben, dass Sie in die Welt hinaus treibt.
MH: Das Fernweh in mir war schon immer da, ich spürte es, wenn ich mit meinem Vater unterwegs war. Ich erinnere mich an die Situationen, wenn er nach Zug fuhr, wo seine Firma war, und in Schindellegi beim Wegweiser ‹Gotthard› immer in die andere Richtung abbog. Das machte immer meine stillen Hoffnungen schlagartig zunichte. Das Fernweh stillte ich dann, als ich mit 14 Jahren ein 'Töffli' erstand. Damit erkundete ich meine weitere Umgebung und war mit 16 zum ersten Mal im Ausland, im Südtirol. Mit 19 fuhr ich mit meinem 'Döschwo' nach Holland, sah zum ersten Mal das Meer und geflogen bin ich dann zum ersten Mal mit 21, nach Brüssel. In der Rekrutenschule habe ich ohne Murren den Vorschlag zum Weitermachen unterschrieben, weil ich mir sicher war, dass ich danach ins Ausland arbeiten gehe. Was ich dann auch tat, die Schweizer Armee hat so leider einen ihrer fähigsten Aspiranten verloren.
H+P: Wo genau haben Sie im Ausland gearbeitet?
MH: Ich habe als Elektro– und Antriebstechniker 20 Jahre lang für Schweizer Firmen im Maschinenbau gearbeitet und dabei High-Tech-Druckmaschinen in Betrieb gesetzt und Pannen behoben. Ich bin auf vier Kontinenten und über die Jahre mal mehr, mal weniger intensiv auf Achse gewesen. Es hat Zeiten gegeben, da bin ich jeden Montag statt in die Firma mit dem Zug zum Flughafen Zürich gefahren.
H+P: Wann entdecken Sie Ihre Lust am Schreiben?
MH: Als ich auf meinen Arbeitseinsätzen immer wieder das selbe zu sehen bekam. Das Schlüsselerlebnis war 1999 in Moskau. Meine Dolmetscherin fragte mich, wieso ich eine Kamera hätte aber keine Fotos mache. Ich musste mir auf die Lippen beissen um nicht zu sagen: ‹Es interessiert mich halt nicht mehr›. Da spürte ich, dass die Luft draussen war und kündigte den Job. Ich wollte etwas ganz anderes tun und meldete mich auf ein Inserat als Korrespondent einer Lokalzeitung. Da begann meine Journalistenlaufbahn, die mich total begeisterte und ausfüllte. Ich setzte sechs Jahre lang keinen Fuss mehr auf einen Flughafen und alle gesammelten Flugmeilen verfielen sang– und klanglos. Es waren über 250’000, das wären 25 Freiflüge in der Economy Class gewesen!
H+P: Die reisefreie Zeit diente also zum Aufbau Ihrer zweiten Karriere als Journalist?
MH: Nicht unbedingt. Meine neue Berufung schlug derart ein, dass das Reisen kein Thema mehr war. Ausserdem hatte ich überhaupt keine Lust mehr, die ganzen Umtriebe beim Reisen auf mich zu nehmen. Ich hatte es gesehen, es tat sich ein neues Kapitel auf.
H+P: Und dies mit Erfolg, schliesslich wurden Sie mit dem Ostschweizer Journalistenpreis ausgezeichnet.
MH: Bezeichnenderweise bekam ich diesen Preis nicht für einen Bericht im Lokalteil, sondern für eine Reportage in Schottland. Nach sechs Jahren begann es mich nämlich wieder ‹abroad› zu ziehen. Ich gründete eine Kultur– und Reisezeitschrift und veröffentlichte da meine Reisereportagen.
H+P: Aber nun zu Ihrem Buchprojekt. Ihr erstes Buch erscheint im Herbst 2014. Was kann der Lesende erwarten?
MH: Ich reise und schreibe und erzähle danach. Ich bin wahnsinnig neugierig, aber wo andere hingehen, gehe ich nicht hin. Selbsterfahrungstrips à la barfuss durch Patagonien mit nur 1 Liter Wasser im Gepäck interessieren mich nicht. Es geht mir nie um Selbstdarstellung, sondern um Erkundung und Mitteilung der Sache. Ich bin Journalist und als solcher an der Wahrheit interessiert. Im Wissen, dass die Wahrheit trotzdem nie umfassend erfahren werden kann. Ich schreibe über das, was ich sehe und über versteckte Zusammenhänge. Darin bin ich akribisch und verwende viel Zeit für die Recherche. Dennoch, ich will nicht belehren, missionieren liegt mir nicht. Ich will feststellen und überliefern, aber nicht urteilen oder bewerten. Ich habe eine Meinung und ich habe Vorurteile, aber die teile ich nicht mit. Wenn ich das tue, selten, dann verstecke ich es nicht in Stereotypen sondern stelle es als Kommentar dar. Ich möchte, dass sich die Lesenden selbst ein Urteil bilden.
H+P: Hat sich Ihr Reiseverhalten geändert?
MH: Ja, in der Tat. Früher reiste ich, weil mich ein unerklärlicher Fern-Drang dazu trieb. Das Ziel war, auf schnellstem Weg dahin zu kommen. Es war weniger die Neugier als vielmehr eine Sucht nach Weggehen. Meine Arbeit war stets der Reisegrund und lenkte mich davon ab, über die Bedeutung für mich persönlich nachzudenken. Als ich für meine Kultur– und Reisezeitschrift wieder zu reisen begann, wusste ich ganz klar, weshalb ich das tue. Ich reise zu meiner eigenen Freude und überbringe das, was ich dabei sehe und erlebe, an alle, die daran teilnehmen wollen. Der Weg ist das Ziel geworden. Dabei muss es nicht schnell gehen.
H+P: Das hört sich vielversprechend an!
MH: Vielleicht interessiert noch meine Art des Reisens: Ich liebe komfortables Reisen, will in Hotels übernachten, wo die Nasszelle im Zimmer ist und wo es, unbedingt, WiFi gibt. Ich bin kein Backpacker, aber auch kein Business-Class-Traveller. Ich bezahle meine Reisen selbst, spare natürlich wo’s geht, aber ich gehe nicht zehn Kilometer zu Fuss um das Busticket zu sparen. Ausserdem esse ich gerne und darauf verzichte ich erst recht auf Reisen nicht. Ich wähle die Ziele, reise individuell und organisiere alles selbst.
H+P: Und nun gibt es bald den ersten Band Ihrer Reiseberichte.
MH: Einfach so zu reisen, macht für mich keinen Sinn. Zudem würden mich die Eindrücke regelrecht erdrücken und irgendwann würde ich wohl wieder sagen: ‹Es interessiert mich halt nicht mehr›. Wenn ich aber schreibe, ist das wie Entladen einer Fracht, die ich mir im Laufe der Reise aufgeladen habe. Weil’s mich halt immer wieder rauszieht — womit ich nicht sagen will, dass ich nicht gerne zuhause bin, im Gegenteil! — kommt auch viel zusammen, das aufgeschrieben werden muss. Deshalb ist mehr als dieses eine Buch zu erwarten!
H+P: Michael Hug, vielen Dank für das Gespräch.
Online: http://michael.hug.huetzen.com/das-interview/