Huby | Null Chance | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 4, 304 Seiten

Reihe: Peter Heiland ermittelt

Huby Null Chance

Peter Heilands vierter Fall
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-10-400641-3
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Peter Heilands vierter Fall

E-Book, Deutsch, Band 4, 304 Seiten

Reihe: Peter Heiland ermittelt

ISBN: 978-3-10-400641-3
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Erst zocken sie Gleichaltrige ab, dann einen wehrlosen alten Mann. Sie liefern sich Schlachten mit feindlichen Banden und bezeichnen sich als Original-Gangster und Megachecker - Jungen ohne Chance, zumeist aus der Türkei und den arabischen Ländern. Osman Özal, Chef einer neuen Jugendbande in Berlin-Neukölln, glaubt zu wissen, wie man ein OG, ein Original-Gangster, wird. Man muss wilder, rücksichtsloser und brutaler sein als alle anderen. Er und seine Gang verlangen Respekt und fordern ihn mit ihren Fäusten und ihren Messern ein. Aber dann wird Osman Özal überraschend ermordet. Hauptkommissar Peter Heiland muss den Mörder finden, bevor die Rächer aus Osmans Bande oder aus dessen Familie ihn stellen.

Felix Huby schreibt seit 1976 Kriminalromane, Tatorte und Fernsehserien. Aus seiner Feder stammen die Kommissare Bienzle, Palü, Schimanski und nun auch Peter Heiland. Felix Huby wurde für sein Werk mit dem 'Ehrenglauser' der Autorengruppe Deutsche Kriminalliteratur DAS SYNDIKAT ausgezeichnet.
Huby Null Chance jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


3


Osman, Malik und Johannes, den alle nur Jo nannten, schlurften die Manteuffelstraße hinunter und bogen in die Muskauer Straße ein.

Keiner sprach, bis Jo sagte: »Warum hast du das heute bloß gemacht, Osman?«

»Du weißt, was in der Schule passiert ist.«

»Ja! Aber er ist nicht mit dem Messer auf dich losgegangen.«

»Ihr Deutschen versteht das nicht. Es geht um Respekt. Respekt und Ehre, verstehst du?! Ihr seid meine Offiziere. Ihr müsst das kapieren. Wie sollen denn die Männer aus unserer Gang Respekt vor mir haben, wenn ich so was auf mir sitzen lasse?!«

Malik sagte: »Ich bin Syrer. Wir wissen genauso gut wie du, was Ehre ist. Aber wir sind doch auch Deutsche. Ich bin hier, seitdem ich fünf Jahre alt war, und du noch länger.«

»Was spielt denn das für eine Rolle? Die Ehre, die hast du hier drin!« Osman klopfte sich mit der geballten Faust gegen die Brust.

»Trotzdem«, sagte Malik, »wenn er stirbt, hast du einen Mord am Hals.«

Die Abenddämmerung kroch in die Stadt. Von den kahlen Zweigen der Alleebäume fielen einzelne Tropfen, obwohl es in den letzten Stunden nicht geregnet hatte. Die ersten Straßenlaternen flammten auf. Im diffusen Nebel bildeten sich kleine helle Höfe um die Lampen.

Die drei Jungen erreichten den Mariannenplatz. Auf der anderen Seite des Parks reckten sich die beiden schmalen, ins Mauerwerk eingezogenen Türme des Kulturzentrums Bethanien in den düsteren Himmel. Dort residierte das Kunstamt Friedrichshain-Kreuzberg, eine Musikschule, das Kreuzberger Kunsthaus und die alte Fontaneapotheke. Der langgezogene gelbe Klinkerbau machte um diese Zeit einen verlassenen Eindruck. Nur hinter dem kleinen quadratischen Fenster neben dem Spitzbogentor sah man die Silhouette des Pförtners und das bunte Flimmern e ines Fernsehers.

Osman und seine Freunde gingen weiter Richtung Thomaskirche. Einen Augenblick hielten sie beim Zugang zur Wagenburg inne, der von zwei alten Lastwagen flankiert wurde. Die Stadtverwaltung hatte den Bewohnern ein Ultimatum gestellt. Der »Schandfleck« müsse beseitigt werden, hatte ein CDU-Abgeordneter getönt. Dabei wirkte jeder Wohnwagen, jeder Container, jeder Bretterverschlag wie eine sorgfältig erarbeitete Installation. Unter einem roten Schirm beispielsweise stand ein Amboss, an den zwei alte Fahrradgestelle gelehnt waren, denen die Räder längst abhandengekommen waren. Eine rote Kinderrutsche endete in einem kleinen Sandkasten. Um einen alten Holztisch standen vier verschiedene Gartenstühle. Zwischen den Hütten waren kleine ummauerte Rondelle angelegt, in denen schwarze, halbverkohlte Äste lagen. Es mochte schon eine Weile her sein, dass da ein Feuer gebrannt hatte und Würste gegrillt wurden.

Die drei Jungen ließen die Wagenburg links liegen.

Auf einer Bank schräg gegenüber der Thomaskirche, einem mächtig aufragenden Bau aus rotem Klinker mit zwei quadratischen Türmen und einer Kuppel über dem Kirchenraum, saß ein alter Mann. Er hatte die Hände hinter dem Kopf gefaltet, seine Lippen bewegten sich tonlos. Zwischen seinen Füßen stand eine Bierflasche.

»Sieh dir den an!«, zischte Osman.

»Lass ihn in Ruhe«, sagte Jo. »Er kann nichts dafür.«

»Für was?« Malik lachte.

»Natürlich kann er was dafür«, sagte Osman. »Hast du ’ne Ahnung, was son alter Sack uns kostet?«

»Dich?« Nun musste auch Jo lachen.

Osman trat nach ihm und traf den Jüngeren am Schienbein.

»He, du! Was ist denn mit dir los?«

»Hört auf!«, sagte Malik.

Aber Osman beachtete ihn nicht. Er zog sein Messer und trat vor den Alten hin. »Na?«

Der Mann schaute auf. Das zerfurchte Gesicht war dunkel. Die Farbe zeigte, dass dieser Mensch sein Leben im Freien verbrachte. Neben ihm auf der Bank lag ein grauer Seesack. Die Augen des alten Mannes waren wässrig blau. Er beugte sich nach vorne und griff nach der Bierflasche. Aber Osman war schneller. Er hob die Flasche auf, nahm einen Schluck und sagte: »In deinem Alter sollte man nicht so viel trinken.«

Der Alte sagte nichts. Er fasste mit beiden Händen nach dem Kragen seines Mantels und zog ihn hoch.

»Steh auf!«, sagte Osman. Und als der Mann nicht reagierte, brüllte der junge Kurde: »Du sollst aufstehen, hab ich gesagt!«

Langsam erhob sich der alte Mann. Leise sagte er: »Was hab ich dir getan?«

»Es reicht, dass du auf der Welt bist.« Osman boxte den Mann mit der Bierflasche gegen die Brust und fuchtelte mit dem Messer in seiner anderen Hand vor dem Gesicht des Mannes herum.

»Ich habe viel von der Welt gesehen«, sagte der Mann mit großem Ernst, »aber ...«

Osman lachte. »Du?« Wieder stieß er ihn gegen die Brust. »Wer bist du denn? Wie heißt du. Hä?«

»Burick«, sagte der andere ruhig und verbeugte sich dabei ein klein wenig. Als er den Kopf wieder hob, hatte sich sein Blick verändert. Die Augen waren hart geworden und glichen grauen Kieseln.

Malik stand stumm daneben. Jo zog sich ein paar Schritte zurück, stellte sich hinter einen Busch und tat so, als müsste er pinkeln.

Der alte Mann schaute sich um. Weit und breit war niemand zu sehen.

Osman hob die Flasche über den Kopf des Mannes. Langsam drehte er sie. Die braune, schäumende Flüssigkeit ergoss sich über das schüttere Haar. Malik lachte.

Die Tür der Thomaskirche öffnete sich. Ein schmaler, großgewachsener Mann trat heraus, erfasste die Szene mit einem Blick und ging schnell auf die Gruppe zu. »Lasst den Mann in Ruhe!«

Jo trat hinter dem Busch hervor. Endlich konnte er auch etwas sagen. »Misch dich nicht ein, ja?«

Der Mann maß den Jungen mit einem abschätzigen Blick: »Gehörst du nicht nach Hause ins Bett?«

Osman rief über die Schulter: »Lässt du dir das gefallen, Jo?«

Malik trat auf den Neuankömmling zu: »Verschwinde, oder es passiert was!«

Der Mann holte ein Handy aus der Tasche und wählte. Malik trat ihm das Telefon aus der Hand und schlug im gleichen Moment mit der rechten Faust zu. Mit einem leisen Aufschrei knickte der Mann nach vorne. Das Telefon landete dicht vor Buricks Füßen an der Bank und trudelte auf dem kiesbestreuten Weg aus.

»Was ist?«, rief Osman über die Schulter.

»Er wollte die Bullen rufen!«

»Was??« Osman ließ von dem Mann an der Bank ab und kam herüber. »Du wolltest wirklich die Bullen holen? Tz, tz, tz. So dumm kann man doch gar nicht sein. Wer bist du überhaupt?«

Burick bückte sich und hob das Handy auf.

»Ich bin der Mesner der Kirche. Ich bitte euch … «

»Das ist gut. Das ist sehr gut. Bei uns muss man ganz schön bitte, bitte machen, wenn man was von uns will. Aber richtig. Auf die Knie, du Arsch!«

Der Mesner schaute Osman ungläubig ins Gesicht. Leise sagte er: »Ich beuge mein Knie nur vor Gott!«

Osman lachte laut auf. Er kriegte sich gar nicht mehr ein vor Lachen. Es klang kehlig, laut und hässlich über den menschenleeren Platz. Dann brach es plötzlich ab. »Vor eurem Gott?«, schrie Osman. Und noch mal: »Vor eurem Gott?! Auf die Knie, und dann bitte Allah, dass er dir Schweinefleischfresser vergibt!«

Hinter Osmans Rücken schulterte Burick seinen Seesack und ging mit kräftigen Schritten davon, ohne sich noch einmal umzusehen. Hinter einem dicken Baumstamm blieb er stehen und wählte 110.

»Hinknien!, haben wir gesagt.« Malik war hinter den Mesner getreten, packte ihn an beiden Schultern und trat ihn mit dem rechten Fuß in die Kniekehlen.

»Hilfe!«, schrie der Mann.

Osman lachte. »Dich hört keiner, und wenn, dann rennt er weg. Das will niemand sehen, was dir jetzt gleich passiert.« Er holte mit dem rechten Fuß aus und trat dem Mann mit dem klobigen Stiefel so hart ins Gesicht, dass der nach hinten fiel.

Jo kam hinzu und trat nun dem Mann in die Seite. Osman goss seinem Opfer das restliche Bier aus der Flasche ins Gesicht und spuckte hinterher. Malik lehnte an einem Baumstamm, die Arme über der Brust gekreuzt und schaute zu.

»Bitte, ihr habt keinen Grund … «, keuchte der Mann am Boden.

»Wir brauchen keinen Grund!« Osman trat erneut zu. Seine Stiefelspitze traf die Schläfe des Mannes. Aus einer klaffenden Wunde trat Blut.

»Es reicht!«, sagte Malik.

»Ich bestimme, wann es reicht!«, schrie Osman. Er beugte sich über den Mann, der das Bewusstsein verloren hatte, packte ihn mit beiden Händen am Kragen seines Mantels und zog ihn hoch.

Auf der anderen Seite des Parks tauchten Scheinwerfer auf. Ein Auto bog beim Bethanienhaus in einen Parkweg ein. Das Licht erfasste die Gruppe vor der Kirche. Im gleichen Moment begann das Blaulicht des Polizeiautos zu kreiseln, der Motor heulte auf, die Reifen drehten auf dem Kiesweg durch.

Osman ließ den leblosen Mann fallen und rannte los. Gefolgt von seinen Kumpels, spurtete er die Waldemarstraße hinunter und verlangsamte sein Tempo erst, als er den Görlitzer Park erreichte. Dort ließ er sich auf eine Bank fallen. Jetzt grinste er zufrieden. Die beiden anderen hatten ihn eingeholt und setzten sich links und rechts neben Osman auf die Bank. Er legte seine Arme um ihre Schultern, zog sie an sich und sagte: »Hab ich nicht gesagt, wir verschaffen uns Respekt?«

Etwa zwanzig Meter entfernt tauchte Burick auf. Er lehnte sich gegen einen Baum, zog aus seiner Jackentasche ein Päckchen Tabak und Zigarettenpapier und begann sich mit einer Hand eine Zigarette zu drehen. Er wollte sie sich grade anzünden, als die drei Kumpels aufstanden und den Görlitzer Park verließen. Burick schulterte seinen Seesack und folgte ihnen.

Die beiden Schutzpolizisten hatten den blutenden Mesner auf die Bank gebettet. Während der eine nach dem Notarzt telefonierte, fragte der andere: »Verstehen Sie...


Huby, Felix
Felix Huby schreibt seit 1976 Kriminalromane, Tatorte und Fernsehserien. Aus seiner Feder stammen die Kommissare Bienzle, Palü, Schimanski und nun auch Peter Heiland. Felix Huby wurde für sein Werk mit dem „Ehrenglauser“ der Autorengruppe Deutsche Kriminalliteratur DAS SYNDIKAT ausgezeichnet.

Felix HubyFelix Huby schreibt seit 1976 Kriminalromane, Tatorte und Fernsehserien. Aus seiner Feder stammen die Kommissare Bienzle, Palü, Schimanski und nun auch Peter Heiland. Felix Huby wurde für sein Werk mit dem „Ehrenglauser“ der Autorengruppe Deutsche Kriminalliteratur DAS SYNDIKAT ausgezeichnet.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.