Howard Mitten in sein Herz
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95576-610-8
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 150 Seiten
ISBN: 978-3-95576-610-8
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Liebe auf den ersten Blick: Früher hätte Madelyn darüber gelacht. Aber dann antwortet sie auf Ray Duncans Kontaktanzeige, und plötzlich steht sie dem Mann ihres Lebens gegenüber. Oder ihrem schlimmsten Feind? Denn Ray ist nicht nur faszinierend, sondern auch undurchschaubar. Madelyn muss herausfinden, warum seine erste Frau damals floh. Dann erst darf sie ihn lieben ...
Seit Linda Howards Karriere als vielfach beachtete Autorin begann, hat sie mehr als 25 Romane geschrieben, die weltweit eine begeisterte Leserschaft gefunden haben und millionenfach verkauft wurden. Zahlreiche Auszeichnungen sprechen für den internationalen Ruhm, den sie durch ihr Schaffen erreicht hat. Zusammen mit ihren Mann und zwei Golden Retrievers lebt sie in Alabama.
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2. KAPITEL
Die Maschine landete etwas früher in Billings. Aufmerksam musterte Madelyn die kleine Gruppe, die in der Ankunftshalle auf die Passagiere wartete, entdeckte aber keinen einzelnen Mann, der nach ihr Ausschau zu halten schien. Sie atmete erleichtert auf, froh über die kleine Galgenfrist, und nutzte die gewonnene Zeit, um in der Damentoilette zu verschwinden. Plötzlich war sie viel nervöser, als sie erwartet hatte.
Als sie die Toilette verließ, hörte sie, wie ihr Name mit blecherner Stimme ausgerufen wurde. “Miss Madelyn Patterson, kommen Sie bitte zum Informationsschalter.”
Ihr Herz schlug ein bisschen zu schnell, aber sie fand das keineswegs unangenehm. Dieses Gefühl der Erregung gefiel ihr. Nun war der große Augenblick gekommen, die Neugier kaum noch zu ertragen.
Trotz ihrer inneren Unruhe zwang sie sich, lässig zum Schalter zu schlendern. Ihre Augen glänzten vor Abenteuerlust. Der Billings Airport mit dem großen Brunnen war viel hübscher als die üblichen Flughäfen mit ihrer nüchternen Atmosphäre, und Madelyn ließ die angenehme Umgebung besänftigend auf sich einwirken. Ihre Nervosität ließ nach, und was davon noch übrig blieb, merkte man ihr nicht an.
Das musste er sein. Er lehnte am Informationsschalter und trug einen Hut, sodass sie sein Gesicht nur undeutlich sah. Doch sie stellte fest, dass er schlank und groß war. Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Was für eine unmögliche Situation – ein sinnloses Unterfangen … Sie würden sich kennenlernen, einander höflich behandeln, einen Tag zusammen verbringen. Und morgen würde sie ihm die Hand schütteln, ihm sagen, sie habe den Besuch auf seiner Ranch sehr genossen. Und das wäre dann das Ende. Zivilisiert, emotionslos – genau wie sie es mochte.
Er richtete sich auf und wandte ihr den Kopf zu. Madelyn spürte seinen Blick, und ihre innere Anspannung wuchs wieder. Sie kannte die Bedeutung des Wortes “umwerfend”, hatte dieses Gefühl aber noch nie am eigenen Leib erlebt. Ihr lässiger Gang wurde unsicher, und dann blieb sie wie angewurzelt mitten in der Halle stehen – unfähig, noch einen einzigen Schritt zu tun. Noch nie war ihr so etwas passiert, dieser völlige Verlust ihrer Selbstkontrolle. Sie war hilflos, fast betäubt, als hätte sie einen wuchtigen Schlag bekommen. Jetzt schlug ihr Herz wie rasend, in einem wilden, schmerzhaften Rhythmus. Sie musste nach Atem ringen, die Henkel der Reisetasche glitten ihr aus den schlaffen Fingern. Mit einem sanften Aufprall landete das Gepäck auf dem Boden. Obwohl sie wusste, dass sie sich idiotisch benahm, konnte sie nicht aufhören, Ray Duncan anzustarren.
Es war nur altmodische Begierde, sonst nichts. Etwas anderes konnte es nicht sein, nicht bei der allerersten Begegnung. Bei dem Gedanken, es könnte etwas anderes sein, stieg Panik in ihr auf. Nein, es war nur sinnliche Faszination.
Dabei war er keineswegs der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte. In New York wimmelte es von großartigen Männern. Aber in allem, was zählte – mochte man es Chemie, Biologie, Elektrizität oder sonst wie nennen –, erschien er ihr überwältigend. Ray Duncan strahlte puren Sex aus. Alle seine Bewegungen weckten die Vorstellung von erhitzter Haut, von zerwühlten Bettlaken. Du lieber Himmel, warum musste ein solcher Mann eine Heiratsannonce aufgeben?
Mindestens eins neunzig groß, mit vermutlich eisenharten Muskeln, erweckte er den Eindruck, dass er Tag für Tag schwere körperliche Arbeit verrichtete. Er war sonnengebräunt, das Haar unter dem Hut dunkel, fast schwarz, das Kinn kantig, der Mund klar gezeichnet, mit Grübchen zu beiden Seiten. Für dieses Treffen hatte er sich nicht besonders fein gemacht, trug ein schlichtes weißes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln, alte Jeans und abgewetzte Stiefel. Angestrengt konzentrierte sich Madelyn auf Einzelheiten seiner äußeren Erscheinung, während sie versuchte, den Aufruhr ihrer Gefühle zu bewältigen. Obwohl er noch kein einziges Wort gesagt hatte, übte er eine verheerende Wirkung auf sie aus.
Nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hatte sie sich so etwas ausgemalt. Was sollte eine Frau tun, wenn sie endlich den Mann traf, der ihre schlummernden Sinne in ein loderndes Inferno verwandelte? Am liebsten wäre sie davongelaufen, aber sie konnte sich nicht rühren.
Ich würde gern mit ihr ins Bett gehen, war Rays erster Gedanke. Aber als Ehefrau kam sie nicht infrage. Sie sah genauso aus, wie er es befürchtet hatte – eine schlanke, kultivierte Städterin, die nichts von den Lebensbedingungen auf einer Ranch wusste. Das war offensichtlich, von ihrem blonden Kopf bis zu den Spitzen ihrer teuren Schuhe.
Sie trug Weiß, keine besonders praktische Farbe für unterwegs, aber es war kein bisschen zerknittert. Der schmale Rock reichte bis knapp über die Knie und lenkte den Blick auf sensationelle Beine. Ray spürte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte. Allein schon diese Beine … Mit einiger Mühe zwang er sich, in ihr Gesicht zu schauen, und wurde von ihren Augen verhext.
Unter der offenen weißen Jacke trug sie ein knappes T-Shirt in Blau, das ihren Augen einen blauen Schimmer verleihen müsste. Aber so war es nicht. Er glaubte in diesen Augen zu ertrinken. Grau, ohne eine Spur von Blau. Sanfte Augen, obwohl sie nun … bestürzt wirkten? Er wusste es nicht, stellte nur fest, dass sie ziemlich blass war. Und dass sie ihre Tasche hatte fallen lassen.
Er trat vor, nutzte die Gelegenheit, sie anzufassen, ergriff ihren Oberarm, der sich unter dem Jackenärmel erstaunlich kühl anfühlte. “Ist Ihnen nicht gut? Miss Patterson?”
Die Berührung ließ Madelyn beinahe erschauern. Sie spürte seine Körperwärme, und seine Nähe weckte den Wunsch, das Gesicht an seinen Hals zu pressen. Nun geriet sie erneut in Panik. Sie musste weg von hier. Mit alldem hatte sie nicht gerechnet. Aber statt zu fliehen, riss sie sich zusammen, brachte ein Lächeln zustande und streckte die Hand aus. “Mr. Duncan?”
Ihre Stimme hatte einen heiseren Unterton, der ihn faszinierte. Er ließ ihren Oberarm los und schüttelte ihr die Hand. Dabei merkte er, dass sie außer schlichten goldenen Ohrringen keinen Schmuck trug. Er mochte es nicht, wenn an jedem Finger einer Frau Ringe steckten, schon gar nicht, wenn sie so schmale Hände hatte wie Miss Patterson.
Während er ihre zarten Finger immer noch festhielt, wiederholte er seine Frage. “Ist Ihnen nicht gut?”
Verwirrt schluckte sie. “Doch, alles in Ordnung.” Sie machte sich nicht die Mühe, ihr eigenartiges Verhalten zu erklären. Was sollte sie auch sagen? Dass sie von plötzlichem Verlangen nach seinem Körper überwältigt worden war? Es stimmte zwar, aber so etwas durfte man nicht gestehen. Nun müsste sie ihren Charme sprühen lassen, um die peinliche Situation zu überspielen, doch irgendwie schaffte sie es nicht, belanglose Konversation zu machen.
Sie musterten einander wie verfeindete Revolverschützen in der Wüste, ohne den Trubel zu bemerken, der ihre einsame Insel umbrandete. Ray betrachtete Madelyn, nahm sich viel Zeit dafür und verbarg seine Gedanken.
Obwohl seine Augen von der Hutkrempe überschattet wurden, sah Madelyn, dass sie dunkel waren, grün und blau und braun, mit hellen, leuchtenden Punkten, von feinen Fältchen umgeben. Offenbar hatte er jahrelang in die Sonne geblinzelt, denn es sah nicht so aus, als wären diese Linien durch häufiges Lachen entstanden. Sein Gesicht wirkte streng und unnachgiebig. Sie sehnte sich nach einem Lächeln auf seinen Lippen und überlegte, ob er jemals unbeschwert gewesen war. Anscheinend hatte er harte Zeiten erlebt.
“Holen wir Ihr restliches Gepäck”, schlug er vor, um die stumme Konfrontation zu beenden. Die Rückfahrt zur Ranch würde lange dauern, und es drängte ihn, aufzubrechen. Immerhin hatte er noch eine ganze Menge zu tun.
Sein Bariton klang ein bisschen rau, was sie registrierte, bevor sie auf ihre Reisetasche deutete. “Das ist alles.”
“Alles?”
“Ja.”
Wenn ihre gesamte Reisegarderobe in dieser kleinen Tasche steckt, hat sie offenbar nicht vor, mich mit ihren Kleidern zu beeindrucken, dachte er. Natürlich, sie will mich vor allem ohne Kleider beeindrucken.
Ray bückte sich, um nach der Tasche zu greifen, und umfasste Madelyns Ellbogen. Sie war eine wandelnde Provokation, völlig ungeeignet für das entbehrungsreiche, mit schwerer Arbeit ausgefüllte Leben auf einer Ranch. Aber alle seine maskulinen Hormone sandten Signale aus. Sie würde nur einen Tag hier verbringen. Warum sollte er dieses Beisammensein nicht genießen? Ein letztes Abenteuer, ehe er eine Frau heiratete, die besser zu ihm passte.
Abends würde er Miss Patterson zum Essen ausführen und dann vielleicht mit ihr im “Jasper’s” tanzen. Wenigstens für eine kleine Weile wollte er sie in den Armen halten, ihren weichen Körper spüren, ihr Parfüm riechen. Wer weiß, vielleicht würden sie nach der Rückkehr auf die Ranch nicht in getrennten Betten schlafen. Natürlich musste er ihr vorher sagen, dass sie nicht die richtige Ehefrau für ihn wäre. Aber das würde sie möglicherweise gar nicht stören.
Während Ray sie aus dem Flughafengebäude führte, glitt seine Hand wie selbstverständlich von ihrem Ellbogen zu ihrem Rücken. Gezielt setzte er nun seine Verführungstaktik ein, die er früher so mühelos beherrscht hatte wie sein Lächeln. Jene Tage gehörten einer fernen Vergangenheit an, aber er hatte nichts verlernt. Glücklicherweise begann Miss Patterson zwanglos zu reden, stellte Fragen über Montana, und er antwortete genauso lässig, half ihr, sich zu entspannen und sich in seiner Gegenwart wohlzufühlen. Dabei beobachtete er immer wieder ihr Mienenspiel.
Sie war eigentlich nicht schön, nur hübsch,...