Howard | Das Osmanische Reich | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 480 Seiten

Howard Das Osmanische Reich

Vom Mittelalter bis zum 1. Weltkrieg
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-534-74703-0
Verlag: wbg Paperback in Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Vom Mittelalter bis zum 1. Weltkrieg

E-Book, Deutsch, 480 Seiten

ISBN: 978-3-534-74703-0
Verlag: wbg Paperback in Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Von Osman I. bis Mehmed VI.: Die Geschichte der Osmanen und ihrer Dynastie Das Imperium der Osmanen kann die längste Zeitspanne ununterbrochener dynastischer Herrschaft der Weltgeschichte für sich beanspruchen: Ausgehend von kleinen Emiraten erstreckte sich das Reich schließlich über Afrika, Asien und Europa. Wie spielten auf diesem riesigen Staatsgebiet soziale, ökonomische und kulturelle Entwicklungen zusammen? Douglas Howard ist Professor für Geschichte. Die Türkei und das Osmanische Reich sind seine zentralen Forschungsgebiete. In diesem Sachbuch spannt er den Bogen über sechs Jahrhunderte, von den Anfängen um 1300 bis zur Abschaffung des Kalifats durch die türkische Nationalversammlung. Er beschreibt dabei ebenso die Politik der Kalifen wie das Leben der Menschen. - Die osmanische Dynastie: Was zeichnet ihre Weltsicht aus und wie prägt sie ihre Herrschaft? - Die Geschichte eines Weltreichs, die zugleich die Vorgeschichte der modernen Türkei ist - Die Osmanen als Realpolitiker: Warum ihnen regionale Vielfalt wichtig war - Ein Panorama der osmanischen Kultur: die enorme Bedeutung von Spiritualität, Kunst und Literatur   Alltag in einem Vielvölkerstaat: Vom Leben der Kalifen und der einfachen Leute Douglas Howard zeichnet nicht nur die Biografien der Herrscherfamilie nach. Er behandelt auch die Auswirkungen ihrer Herrschaft auf das Leben in der Hauptstadt und in den weit entfernten Provinzen. Wie sah der Alltag der Eliten und der einfachen Untertanen aus? Welche Rolle spielte die Religion und wie lebten Muslime, Christen und Juden miteinander? Wie war das Selbstverständnis der verschiedenen Völker hinsichtlich Identität und Loyalität? Dem Autor gelingt es, die Geschichte des Osmanischen Reichs mit der Kultur- und Geistesgeschichte des Landes zu einem großen Ganzen zu verknüpfen und genauso übersichtlich wie spannend darzustellen!

Douglas A. Howard ist Professor für Geschichte am Calvin College in Grand Rapids, Michigan. Die Türkei und das Osmanische Reich sind seine zentralen Forschungsgebiete. Als Kind eines Air-Force-Angehörigen blieb Howard nie lange an einem Ort - bis zum Abschluss der High School lebte er aber zweimal längere Zeit in der Türkei. Sein ganzes Leben war er fortan von der türkischen und der osmanischen Kultur fasziniert. Die Idee zu seiner großen Geschichte des Osmanischen Reichs entstand auf einer Reise in die Türkei 2006; auf den Spuren des Osmanischen Reichs führte die Arbeit am Buch Howard über zehn Jahre hinweg in acht verschiedene Länder. Jörg Fündling ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen.
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Weitere Infos & Material


Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1. Osmanische Genese, 1300–1397 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2. Eine gesegnete Dynastie, 1397–1494 . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
3. Eine Sicht auf die Welt, 1494–1591 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
4. Unklarheiten und Gewissheiten, 1591–1688 . . . . . . . . . . 171
5. Globales und Lokales, 1688–1785 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
6. Zusammenarbeit und Zusammenbrüche, 1785–1882 . . 288
7. Auflösung, 1882–1924 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352
Anhang
Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415
Abbildungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436
Verzeichnis der Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465


Einleitung


Der berühmte türkisch-armenische Fotojournalist Ara Güler hat einmal erzählt, wie er 1958 losgeschickt wurde, um über die Einweihung eines neuen großen Staudamms am Fluss Mäander (Menderes) in der Türkei zu berichten. Er reiste aus Istanbul an, und für die dreistündige Anfahrt zu diesem Termin stellte ihm der Provinzgouverneur einen Wagen samt Fahrer zur Verfügung. Der Fototermin zog sich in die Länge. Auf der Rückreise behauptete Gülers Fahrer, er kenne eine Abkürzung durch die Berge, aber sie verirrten sich, die Sonne ging unter, und im Dunkeln konnten sie die Richtung nicht ausmachen. Als sie vor sich ein Licht sahen, hielten sie in einem Dorf an einem Kaffeehaus und fragten, ob es eine Übernachtungsmöglichkeit dort gebe. Während sich Gülers Augen an das trübe Licht im Innern gewöhnten, erkannte er in dem Kaffeehaus nicht etwa Tische, sondern sah, dass die Männer auf den Oberseiten antiker Säulen Karten spielten.1

Am nächsten Morgen machte Güler einen Rundgang und fotografierte dabei. Das Dorf namens Geyre war vollständig inmitten der Ruinen einer antiken römischen Stadt errichtet worden. „Etwas Seltsameres habe ich nie im Leben gesehen“, erinnerte er sich später. „Die Leute sagen zwar: ‚Eine Ruine ist wie die andere‘, aber das hier war etwas völlig anderes – Vergangenheit und Gegenwart existierten übereinander.“2 Gülers Fotos sorgten für einiges Aufsehen, als er sie zurück nach Istanbul brachte und seiner Redaktion zeigte. Eine amerikanische Zeitschrift wollte die Bilder und gab einen Artikel in Auftrag. Als Autor schlug Güler den angesehenen Archäologen Kenan Erim von der New York University vor. Im Lauf der nächsten drei Jahrzehnte besorgte Professor Erim die nötigen Geldmittel und grub die Fundstätte aus – aber erst nachdem das ganze Dorf an einen neuen, gut anderthalb Kilometer entfernten Standort verlegt worden war.

Wer heute Aphrodisias besucht, ist beeindruckt vom Ausmaß des Ruinenfelds, von den umfangreichen Überresten, die sich an einer landschaftlich ausgesprochen schönen Stelle erhalten haben, und von dem nahe gelegenen, attraktiven Museum, in dem zahlreiche Funde ausgestellt sind. Aber ohne das Dorf und nach der Verwandlung der Grabungsstätte in eine große Touristenattraktion war das „Aphrodisias des Lebens“, wie Güler es nannte, in dem die Menschen die Ruinen in ihr Alltagsleben einbezogen hatten, verschwunden. Der Ort, bemerkte er, sei jetzt Geschichte.3

In Gülers Fotografien aus den 1950er-Jahren finden Grundzüge einer Lebenseinstellung, einer Weltsicht Ausdruck, die das Thema dieses Buches sind. Seine Bilder boten weder nostalgische Momentaufnahmen vom Landleben für ein Stadtpublikum, noch stellten sie gönnerhaft eine vermeintliche dörfliche Überzeitlichkeit einem vermeintlichen modernen Geschichtsbewusstsein gegenüber. Stattdessen zeigten die Fotos den vertrauten Umgang der Dörfler mit antiken Überresten, ihre leichtherzige Hinnahme der Natürlichkeit eines Lebens zwischen den Trümmern der Vergangenheit, die ihre alltägliche Landschaft bevölkerten. Diese Haltung steht dem Bedürfnis entgegen, Ruinen zu sammeln und auszustellen, mit Absperrungen zu umgeben und zu konservatorischen oder pädagogischen Zwecken zu musealisieren.

Aphrodisias, die antike Stadt, war in römischer Zeit ein wichtiges Zentrum des Aphroditekults und eine Kunstmetropole. Nach der Christianisierung wurde es in der Spätantike Bischofssitz. Seit etwa 1000 n. Chr. machten wandernde Turkmenenstämme Aphrodisias zum Ziel blutiger Überfälle, die Stadt entvölkerte sich langsam und wurde schließlich aufgegeben.4 Doch in den Katastern des Osmanischen Reiches ist das Dorf verzeichnet und trägt den Namen Gerye. Zwar noch nicht in den ersten Vermessungsakten der Region aus den 1460er-Jahren,5 sehr wohl aber in der Landesaufnahme von 1530 erscheint es, und dazu ein Markt.6 Irgendwann während der Jahrzehnte zwischen den beiden osmanischen Katastervermessungen ist das Ruinenfeld neu besiedelt worden. Mit seiner Lage inmitten der Ruinen war Gerye exemplarisch, aber wahrscheinlich kein Einzelfall. Die osmanische Geschichte, der Gegenstand dieses Buches, spielte sich in alten Ländern mit langer Vergangenheit ab, die an wichtige Wasserwege wie die Ägäis, das Schwarze Meer und das Mittelmeer grenzten. Überall in dieser Landschaft verstreut lagen Ruinen.

Abb. I.1: Dörfler auf den Feldern in Aphrodisias (1958). Foto: Ara Güler. Mit freundlicher Genehmigung von Magnum Photos

Ruinen als Metapher


Für Autoren der osmanischen Zeit standen Ruinen für Verlust, jedoch für etwas weit Größeres als nur verlorene Kulturen oder den Verlauf der Zeit. Gleichwohl pflegten osmanische Autoren die Erinnerung an die Vergangenheit. In einem denkwürdigen Abschnitt des Buches der Bittgebete, das um 1500 entstand und für Generationen osmanischer Leser zu einem spirituellen Klassiker wurde, marschiert eine lange Reihe von Helden durch eine lyrische Litanei auf die verlorene Zeit. Die Propheten sind vertreten, angefangen mit Jesus und Moses, dazu die Heiligen, von den rechtgeleiteten Kalifen bis zu Sufi-Meistern wie Rumi. König Dareios kommt vor, Nebukadnezar und die Pharaonen von Ägypten. Die Meister der hellenistischen und indischen Wissenschaften treten auf, unter ihnen Platon, Aristoteles und Galen, dazu die ganze Heldenschar aus dem persischen Schahname (Buch der Könige), „die alle auf der Wahrheit gegründet wohnten, manche freudig, andere voller Leid“. Die Aufzählung endet mit einer Klage:

Wo sind die Kaiser, Byzanz-Hegemone,

Wo, die als „Chosrau“ besaßen die Throne?

Wo sind, die als Kalifen den Muslimen befahlen?

Wo sind, die als Fürsten sich diesen Menschen empfahlen?

Wo ist der Marwaniden Pracht,

Wo ist der Abbasiden Macht?

Wo Dschingis-Khan und Söhne nun spielen,

Wo seine Kinder und Enkel, die vielen?

Seldschukische Fürsten sind wo nur geblieben,

Die Osmanensultane wohin jetzt vertrieben?

Wo blieb Sultan Mehmet und seine Größe,

Auf deren hehre Kraft man noch stöße?

Wohin verschwand seine rohe Gewalt,

Wozu nahm sein Springen und Reiten Gestalt?

Wo sind Regierungskraft und Entschluss?

Wo Größe und Mut aus einem Guss?7

Doch für osmanische Schriftsteller waren die Ruinen mehr als nur das. Ruinen standen für den Verlust, den alles im tiefsten Inneren trug. Wenn osmanische Dichter von „Ruinen“ sprachen, meinten sie üblicherweise das Herz oder aber eine Schänke – sie waren ein und dasselbe, und beide waren Trümmerstätten. Figani (gestorben 1532) schrieb:

Seit das steinerne Herz meines Herzens Provinz hat verheert,

Man sieht: Kein Stein auf dem andern, die Stadt ist zerstört.8

Oder Esrar Dede (gestorben 1796):

In Kneipen tust du´s oder lässt es dir tun –

Als Ruinen die gebauten Werke nur ruhn.9

In den Augen von Yahya (gestorben 1644) entsprachen die Ruinen, die sich über die Landschaft verteilten, dem verwüsteten und verwaisten Zustand seines Herzens.

Das Hausherz zerstöre, lasse nicht Stein auf Stein –

Dies tue, den Fremden sollen es Ruinen sein.10

Aber in Ruinen zu liegen war für die Dichter nichts Schlechtes. So schmerzlich die Erfahrung auch sein mochte, begrüßten sie sie doch, denn sie allein bot ihnen die Möglichkeit zum Einblick in das wahre Wesen der Dinge. Ruiniert zu sein, in einem Zustand völligen Verlorenseins – nur unter solchen Umständen war ein innerer Wandel möglich, und innerer Wandel war das, worum es im Leben ging. Verfall war keine Tragödie, er war der Sinn der Sache. Das dunkle Innere einer Taverne, eingehüllt in den Schmerz des Verlangens und Liebeskummers, erhellte das Innere des Herzens. Sich langsam zu betrinken war wie in einen Schlaf zu sinken, jedoch in einen, aus dem ein spirituelles Erwachen möglich war. So zum Beispiel Fuzuli (gestorben 1556):

Den Schatz seines Wohls im Winkel der Kneipe Fuzuli sich fand,

Das Segens-Reich nicht zerfalle, Gott verleihe Bestand!

Und Revani (gestorben 1524):

Dem Wein wie sein Schaum die Frömmler gaben die Kronen,

Betrunken von Kneipe zu Kneipe die Welt nun bewohnen.11

Elemente einer osmanischen Weltsicht


Dieses Buch erzählt die osmanische Geschichte als Geschichte dieser Weltsicht. Es sucht zu erklären, worin die osmanische Weltsicht bestand, wie sie zustande kam und wie sie sich auflöste. Sie blieb nicht unangefochten, und auch an Widerspruch fehlte es nicht. Doch die Grundbestandteile dieser Weltsicht wurden von allen Gemeinschaften der osmanischen Welt, gleich ob muslimischen, christlichen oder jüdischen, geteilt, auch wenn jede Gemeinschaft und die zu ihr gehörenden Gruppen ihre Elemente entsprechend den Traditonen der...


Douglas A. Howard ist Professor für Geschichte am Calvin College in Grand Rapids, Michigan. Die Türkei und das Osmanische Reich sind seine zentralen Forschungsgebiete. Als Kind eines Air-Force-Angehörigen blieb Howard nie lange an einem Ort - bis zum Abschluss der High School lebte er aber zweimal längere Zeit in der Türkei. Sein ganzes Leben war er fortan von der türkischen und der osmanischen Kultur fasziniert. Die Idee zu seiner großen Geschichte des Osmanischen Reichs entstand auf einer Reise in die Türkei 2006; auf den Spuren des Osmanischen Reichs führte die Arbeit am Buch Howard über zehn Jahre hinweg in acht verschiedene Länder.

Jörg Fündling ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen.



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