Howard Das Geheimnis der Mackenzies
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95576-593-4
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 203 Seiten
ISBN: 978-3-95576-593-4
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Joe Mackenzies größter Traum hat sich erfüllt: Er ist Pilot bei der Air Force geworden. Jetzt soll er zusammen mit seinem Team und einigen Wissenschaftlern an einem Geheimprojekt arbeiten. Doch ausgerechnet Dr. Caroline Evans wird von Washington zu dem einsamen Camp in der Wüste entsandt. Prompt befürchtet Joe Komplikationen: Die außergewöhnlich attraktive Wissenschaftlerin könnte seine Männer zu sehr ablenken! Er sieht nur einen Ausweg: Er und Dr. Evans werden eine Scheinbeziehung eingehen. Zum Glück kann er die ebenso intelligente wie unerfahrene Caroline von der kühlen Logik seines Vorschlags überzeugen. Doch dann verlangt seine Rolle, dass er Caroline vor versammelter Mannschaft innig küsst, und dabei beginnt für Joes Herz ein steiler Sturzflug in Richtung Liebe.
Seit Linda Howards Karriere als vielfach beachtete Autorin begann, hat sie mehr als 25 Romane geschrieben, die weltweit eine begeisterte Leserschaft gefunden haben und millionenfach verkauft wurden. Zahlreiche Auszeichnungen sprechen für den internationalen Ruhm, den sie durch ihr Schaffen erreicht hat. Zusammen mit ihren Mann und zwei Golden Retrievers lebt sie in Alabama.
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1. KAPITEL
Sie war eine Schönheit, die heißeste Braut, die er je gesehen hatte. Schnell und schlank – und tödlich. Allein bei ihrem Anblick schlug sein Puls schneller. Selbst hier im Hangar, mit kalten Motoren und Bremsklötzen an den Rädern, wirkte sie wie die lebendige Verkörperung der Schnelligkeit.
Colonel Joe Mackenzie strich mit langen schlanken Fingern über ihren Rumpf, zärtlich wie ein Liebhaber. Die dunkle Metallhülle fühlte sich glatt und seidig an, anders als bei jedem Jet, den er bisher geflogen hatte. Dieser Unterschied berauschte Joe. Er wusste, es lag an der revolutionären Legierung, einer Mischung aus Thermokunststoff, Graphit und Glasfasern, die weit härter, widerstandsfähiger und zugleich dehnbarer war als Stahl. Sie würde größeren Kräften standhalten als jedes Flugzeug vor ihr. Das war die rationale Erklärung. Emotional jedoch war er der festen Überzeugung, dass sie lebendig war und deshalb alles aushalten würde. Sie fühlte sich nicht an wie Metall, war nicht so kalt. Wahrscheinlich lag das an der Glasfaser.
Entwicklungsprojekte erhielten normalerweise Codenamen, die nichts über die Art des Programms verrieten. Aus diesem Grund war der Vorläufer, der SR-71 Blackbird, “Ochsenkarren” genannt worden. Die Entwicklung dieser zweiten Generation von Kampfjets lief unter dem Projektnamen “Night Wing”. Erst wenn die Serienproduktion anlief, würde man sich wohl für einen weniger poetischen Namen wie F-15 Eagle oder F-17 Falcon entscheiden. Für Colonel Mackenzie jedoch hieß die Maschine “Baby”. Es gab fünf Prototypen, und er nannte sie alle “Baby.” Die Testpiloten, die dem Projekt unter seinem Kommando zugeteilt worden waren, beschwerten sich darüber, dass Baby – welche es auch gerade war – bei anderen Piloten aufmuckte, weil er sie mit seinem Flugstil verwöhnte. Daraufhin hatte Colonel Mackenzie seine Leute mit seinem berüchtigten eisblauen Blick bedacht und erwidert: “Ich weiß, das sagen auch alle meine Frauen über mich.” Sein Gesicht war dabei so ausdruckslos geblieben, dass die Männer nicht wussten, ob das nun als Scherz oder ernst gemeint war. Sie nahmen an, es war sein Ernst.
Joe Mackenzie hatte schon eine Menge Flugzeuge geflogen, aber Baby war etwas ganz Besonderes, nicht nur wegen der neuartigen Konstruktion und der Kraft, die in ihr steckte, sondern auch wegen ihres Waffensystems. Sie war eine wahrhaft revolutionäre Neuerung. Und sie gehörte ihm. Als Leiter des Entwicklungsprojekts lag es in seiner Verantwortung, ihr über die ersten Schwierigkeiten hinwegzuhelfen, damit die Produktion anlaufen konnte. Das hieß, wenn der Kongress die Gelder bewilligte. General Ramey war allerdings zuversichtlich, dass es da keine Schwierigkeiten geben würde.
Baby war so außergewöhnlich, dass nur die Besten der Besten zu dem Projekt zugelassen worden waren, es herrschte höchste Geheimhaltungsstufe. Bei den strengen Sicherheitsvorkehrungen kamen nichts und niemand ohne entsprechende Berechtigung in den Hangar.
“Brauchen Sie etwas, Sir?”
Joe drehte sich um und richtete seinen Blick auf Staff Sergeant Dennis Whitside, von allen nur “Whitey” genannt. Whitey hatte feuerrotes Haar, unzählbar viele Sommersprossen und war als Flugzeugmechaniker ein unübertroffenes Genie. Whitey betrachtete Baby als sein Flugzeug. Er ließ nur zu, dass die Piloten es anfassten, weil er bis jetzt noch keine Möglichkeit gefunden hatte, das zu verhindern.
“Ich wollte nur noch mal nach ihm sehen, bevor ich für heute Schluss mache”, antwortete Joe. “Hatten Sie nicht auch schon vor Stunden Dienstschluss?”
Whitey zog ein Tuch aus der hinteren Hosentasche und polierte den Fleck weg, den Joes Finger auf der Hülle hinterlassen hatten. “Es gab da ein paar Arbeiten, die ich beaufsichtigen wollte. Sie steigen morgen früh mit ihm auf, nicht wahr, Sir?”
“Ja.”
Whitey schnaubte. “Zumindest gehen Sie nicht so grob mit ihm um wie manch anderer von den Jungs.”
“Wenn Ihnen auffällt, dass meine Jungs falsch mit den Maschinen umgehen, lassen Sie es mich wissen.”
“Na, das kann man eigentlich nicht sagen. Es ist nur … Die haben eben nicht Ihr Fingerspitzengefühl.”
“Trotzdem. Ich meine, was ich sagte.”
“Jawohl, Sir.”
Joe klopfte Whitey auf die Schulter und ging in Richtung seines Quartiers. Der Sergeant schaute ihm lange nach. Er zweifelte keine Sekunde daran, dass der Colonel jeden Piloten zur Rechenschaft ziehen würde, sollte er nachlässig oder leichtsinnig mit dem Prototyp verfahren. Colonel Mackenzie war dafür berüchtigt, nicht weniger als absolute Perfektion von seinen Piloten zu verlangen. Im Gegenzug wussten alle, dass er das Leben seiner Männer über alles stellte. Die Wartung der Maschinen hatte also oberste Priorität. Deshalb war Whitey auch noch im Hangar. Mackenzie erwartete von allen seinen Leuten vollen Einsatz, ohne Ausnahme. Ein Fehler der Bodencrew konnte den Verlust eines der Achtzig-Millionen-Dollar-Vögel bedeuten, oder schlimmer noch, den Verlust eines Mannes. Jemand mit einer lässigen Einstellung hatte in diesem Projekt keinen Platz.
Als Joe durch die Wüstennacht ging, sah er in einem der Büros noch Licht brennen und lenkte seine Schritte zu dem Container. Er hatte nichts dagegen, wenn jemand noch spät arbeitete. Aber er erwartete auch von seinen Leuten, dass sie am nächsten Morgen frisch und ausgeruht zum Dienst antraten. Es gab ein paar Workaholics beim Night Wing-Projekt, die zwanzig Stunden durcharbeiten würden, wenn er sie nicht aufhielt.
Seine Schritte waren kaum zu hören. Nicht weil er sich anschleichen wollte, sondern weil man es ihm so beigebracht hatte, von dem Moment an, da er Laufen gelernt hatte. So oder so hätte ihn niemand hören können, die Klimaanlage in den Containern lief ständig, um die Juli-Hitze zu vertreiben. Kühl wurde es dennoch nicht, da die Sonne die Metallhütten stets stark aufheizte.
Nur ein Fenster des Gebäudes war beleuchtet. Der Arbeitsbereich beherbergte das zivile Team, das vor Ort an der Laserzieltechnologie arbeitete. Macken tauchten immer auf, sobald ein neues System getestet wurde, und diese Fehler sollten so schnell wie möglich behoben werden. Jetzt fiel Joe wieder ein, dass heute ein neuer Techniker ankommen sollte, als Ersatz für einen Mann aus dem Team, der einen Herzinfarkt erlitten hatte. Der Mann hatte sich zwar wieder erholt, doch der medizinische Offizier war der Meinung, dass eine weitere Arbeit bei über dreißig Grad Hitze nicht mehr möglich sei. Also hatte die Firma einen Ersatz geschickt.
Joe war neugierig auf das neue Crewmitglied, eine Frau namens Caroline Evans. Er hatte die anderen drei Zivilisten stöhnen hören, als ihr Name gefallen war. Sie hatten sie “die Schönheitskönigin” genannt; das hatte sich nicht gerade nach einem Kompliment angehört. Das Team mochte aus Zivilisten bestehen, aber Joe würde keine Spannungen in der Gruppe zulassen, die sich auf die Arbeit auswirkten. Wenn sie nicht miteinander auskamen, würde er nach einem Ersatz für den Ersatz verlangen. Wer immer dort so spät noch arbeitete, er würde sich bei ihm erkundigen, ob Miss Evans angekommen war und warum genau ihre Ankunft eine solche Reaktion hervorgerufen hatte.
Joe ging leise auf die offene Tür zu und blieb einen Moment im Rahmen stehen. Die Frau in dem Büro musste die Schönheitskönigin selbst sein, denn sie hatte er noch nie hier gesehen. An sie würde er sich auf jeden Fall erinnern.
Es war alles andere als unangenehm, sie zu betrachten. Unmerklich versteifte er sich, als jeder Muskel in seinem Körper sich anspannte und in Alarmbereitschaft ging. Er war müde, doch plötzlich pulste Adrenalin durch ihn hindurch, alle Sinne waren geschärft. Das geschah sonst nur, wenn er im Cockpit saß, die Rückstoßraketen einschaltete und jäh vorwärts schoss.
Sie trug einen gerade geschnittenen, roten Rock, der knapp über den Knien endete. Die Schuhe hatte sie ausgezogen, die nackten Füße auf die Schreibtischkante gelegt und sich mit dem Stuhl, in dem sie saß, nach hinten gelehnt. Joe stützte sich mit der Schulter gegen den Türrahmen und studierte die bloßen Schenkel, die sich seinem Blick darboten. Auf Strümpfe hatte Miss Evans bei der Hitze verzichtet. Es waren hübsche Beine, wie er zugeben musste. Nein, nicht hübsche … umwerfende Beine.
Ein fetter Computerausdruck lag auf ihrem Schoß. Sie las jede Zeile und prüfte ab und zu etwas in dem Buch, das aufgeschlagen neben ihr lag. Eine Tasse grünen Tees stand in unmittelbarer Reichweite. Ohne hinzuschauen griff sie relativ häufig danach und nippte daran. Ihr Haar war hell und schulterlang, klassisch aus dem Gesicht zurückgekämmt. Obwohl er nur einen Teil ihres Gesichts sehen konnte, fiel ihm auf, dass sie hohe Wangenknochen und volle Lippen hatte.
Er wollte sie von vorn, nicht nur im Profil sehen. Ihre Augen interessierten ihn, und er wollte ihre Stimme hören.
“Zeit, für heute Schluss zu machen”, sagte er.
Mit einem unterdrückten Aufschrei zuckte sie auf dem Stuhl zusammen, der Tee spritzte in die eine Richtung, der Ausdruck flog in die andere, die langen Beine kamen ruckartig auf den Boden, und der Stuhl rollte abrupt rückwärts und landete krachend vor dem Karteischrank. Sie wirbelte herum, eine Hand an der Brust, so als könne sie dadurch ihren Herzschlag beruhigen. Eine sehr wohlgeformte Brust, wie Joe auffiel, denn mit ihrer Geste hatte sie den dünnen Baumwollstoff fest zurückgedrückt.
Ärger huschte über ihre Züge, schnell wie ein Blitz, und war auch wie der Blitz verschwunden. Sie riss die Augen auf. “Ach, du meine Güte, das ist ja G.I. Joe!”, entfuhr es...