Houellebecq | Ein bisschen schlechter | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Houellebecq Ein bisschen schlechter

Neue Interventionen
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-8321-7079-0
Verlag: DuMont Buchverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Neue Interventionen

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

ISBN: 978-3-8321-7079-0
Verlag: DuMont Buchverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Literatur, Religion, Glaube, Meinungsfreiheit, Konservatismus, Liebe - in seinen neuesten Essays beschäftigt sich Michel Houellebecq mit den Themen, die ihn seit jeher bewegen. Und erläutert erneut Positionen, die man von ihm kennt; Positionen, die mal provozieren, mal intellektuell anregen. Dabei geht es auch immer um seine Haltung als Schriftsteller, sei es in sehr persönlichen Gesprächen wie mit seinem Freund, dem Autor Frédéric Beigbeder, oder in Diskussionen wie mit dem Literaturkritiker Marin de Viry oder der Literaturwissenschaftlerin Agathe Novak-Lechevalier. In seinen Essays zeigt sich, dass Michel Houellebecq zu Recht zu den wichtigsten literarischen Stimmen unserer Zeit zählt und als »der umwerfendste Schriftsteller unserer Gegenwart« (Julia Encke, FAS) bezeichnet wird.

MICHEL HOUELLEBECQ, 1958 geboren, gehört zu den wichtigsten Autoren der Gegenwart. Seine Bücher werden in über vierzig Ländern veröffentlicht. Für den Roman >Karte und Gebiet< (2011) erhielt er den Prix Goncourt. Zuletzt erschien sein Roman >Vernichten< (2022).
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GESPRÄCH MIT FRÉDÉRIC BEIGBEDER

Dieses Gespräch erschien im April 2014 in Lui, Nr.7.

Frédéric Beigbeder: Es ist also offiziell, du wirst nächstes Jahr einen Roman veröffentlichen?

Michel Houellebecq: Mmmm … ja, aber den Titel verrate ich dir nicht. Teresa legt Wert auf Exklusivität.

Großartig, daraus schließe ich, dass du bei Flammarion bleibst! (Teresa Cremisi leitet den Verlag.)

Ich möchte zunächst einmal über dich sprechen, Frédéric. Du hast einige Bücher geschrieben, manche gut, manche nicht. Aber du bist eindeutig der beste Literaturkritiker seit Langem. Darum fürchte ich dich!

Haha! Du bist zum Essen gekommen, weil du mich für dich einnehmen willst?

Mmmm … Ich meine das ganz ernst: Du bist der Kritiker, den ich am meisten fürchte.

(lacht) Nein, Michel, du hast dich für ein Essen bei mir entschieden, weil du im Restaurant nicht mehr rauchen darfst.

Dominique Voynet hat gesagt, die Hauptgefahr für Kinder sei das Rauchen in der Wohnung. Du wirst sehen, bald darf man nicht mal mehr zu Hause rauchen! Während des Schreibens steigt mein Zigarettenkonsum stark an. Momentan bin ich bei vier Schachteln am Tag. Ich glaube nicht, dass ich ohne Nikotin schreiben könnte, darum kann ich ihn im Augenblick nicht herunterschrauben.

Können wir über dein Zahnproblem reden? Es hat dich physisch ein wenig verändert. Als du das letzte Mal zum Abendessen hier warst, verzeih, wenn ich dein Privatleben enthülle, aber na ja … Du hattest deine Zähne auf diesem Tisch liegen lassen, und danach hast du die gesamten Filmfestspiele in Berlin ohne Zähne bestritten! Auf den Fotos siehst du dadurch verändert aus … Ist dir das egal?

Ach, na ja … Um ehrlich zu sein, ist es mir wirklich ziemlich egal. (lacht)

Aber gesundheitlich geht es dir ansonsten gut?

Ach … nein. Ich glaube, wenn ich diesen Roman beendet habe, werde ich doch versuchen, weniger zu rauchen. Der Alkohol ist kein Problem, außer bei den Taxifahrern; jeder zweite sagt zu mir: »O nein, Sie nicht! Sie kotzen mir doch ins Auto!«

Deine äußerliche Veränderung ist also kein bewusster Versuch, dich Paul Léautaud anzugleichen?

Nein, ich weiß gar nicht, wie der aussieht. Ich werde manchmal mit Gainsbourg verglichen, aber das finde ich eher beleidigend, weil ich Polnareff oder Joe Dassin bevorzuge.

»Jusqu’en haut des cuisses elle est bottée/Et c’est comme un calice à sa beauté.«2 (»Ihre Stiefel reichen ihr bis über die Schenkel/Sie sind wie ein Kelch für ihre Schönheit.«) Das gefällt dir nicht?

Ach, na ja … Ich habe Besseres geschrieben, nicht? Ich muss dazusagen, dass ich jemand bin, der das Chanson wirklich liebt. Mit elf oder zwölf habe ich angefangen, die Hitparade zu hören. Aber der heftigste ästhetische Schock meines Lebens bleibt doch die Entdeckung des Rock.

Ist Paul McCartney noch immer dein Gott?

Ja, aber auch Schubert kann mich sehr bewegen.

Ich kann verraten, dass ich dich in Guéthary beim Hören von »Let It Be« weinen sah. Du weinst auch, wenn du ein Lied von Schubert hörst.

O ja! »Der Hirt auf dem Felsen«, das war das einzige Mal in meinem Leben, dass ich mitten in einem Konzert laut zu schluchzen anfing. Für die Sängerin war das sehr störend, weil ich wirklich laut weine. Ich meine, vielleicht hat es sie gefreut, diese Wirkung erzielt zu haben, aber es war unangenehm. Der Einsatz der Klarinette gehört zum Schönsten, was je komponiert wurde. Wenn ich mir verdeutlichen will, was ein Genie ist, denke ich eher an Beethoven als an Shakespeare. In der jüngeren Zeit sind es McCartney und mit zunehmendem Alter auch Hendrix. Meine Begegnung mit Iggy Pop zählt zu den größten Freuden meines Lebens. 1969 von den Stooges ist die erste Platte, die ich gekauft habe.

Was überrascht, ist, dass deine Texte von Iggy Pop, Carla Bruni und Jean-Louis Aubert vertont wurden. Das sind sehr unterschiedliche Stile!

Mmmm … Die Spitzenkünstler zieht es auf ganz natürliche Weise zu mir hin!

Du fährst bald zur Einweihung der »Michel-Houellebecq-Straße« in der spanischen Stadt Murcia. Was ist das für ein Gefühl, wenn eine Straße nach einem benannt wird?

Mmmm … Es ist ulkig. Ich glaube, deine Tochter hat es ziemlich beeindruckt.

O ja! Sie war völlig von den Socken. Ich finde, du solltest dort wohnen. Dann könnte man dir schreiben: »An Herrn Michel Houellebecq in der gleichnamigen Straße.«

Mmmm … Ja, recht praktisch … Das hat schon etwas Nobles.

Hat es dir Spaß gemacht, in Guillaume Nicloux’ Film Die Entführung des Michel Houellebecq dich selbst zu spielen?

Das ist lustig, weil die Entführer ihrer Geisel irgendwann überdrüssig sind. Eine Art umgekehrtes Stockholm-Syndrom. Wieder einmal werde ich meinem Ruf als Tausendsassa gerecht! Gut, ich muss darauf hinweisen, dass ich an der Platte von Jean-Louis Aubert streng genommen nicht beteiligt war. Das Projekt hat mich begeistert, aber ich habe nichts dazu beigetragen.

Zugleich sind deine Gedichte in die prestigeträchtige Sammlung »Poésie/Gallimard« aufgenommen worden. Die Verfasserin des Vorworts Agathe Novak-Lechevalier schreibt über dich, du würdest eine Kunst der Kollision entwickeln. Was du so zusammengefasst hast: »Etwas Religiöses schreiben und dabei die Existenz von Tiefgaragen einbeziehen.«

Das war eine Herausforderung! Mein Problem war, die Reihenfolge der Gedichte in dieser Anthologie festzulegen: Immer, wenn ich ein Gedicht ausgezeichnet fand, habe ich – zack! – den entsprechenden Teil geändert. Es war wie beim Film- oder Tonschnitt. Non réconcilié ist wirklich mein Best of.

Soweit ich weiß, hast du einen Roman auf Kuba und einen in Thailand geschrieben. Schreibst du absichtlich in Ländern, in denen kein Französisch gesprochen wird?

Ich muss in meiner Sprache allein sein. Ich verständige mich den ganzen Tag lang nicht in meiner Sprache. Das Französische ist für das Schreiben reserviert, das ermöglicht, die Konzentration aufrechtzuerhalten.

Wie beginnst du einen Roman? Entscheidest du dich für ein bestimmtes Thema, oder wartest du auf Inspiration?

Mmmm … Man beschäftigt sich mit gewissen Dingen, die ersten Seiten stellen sich ein, und dann macht man weiter. Und ab geht’s!

Du hast mir oft gesagt, dass du lange Romane magst, weil sie es einem ermöglichen, sich einzurichten, es sich bequem zu machen, um Dinge zu entwickeln, Figuren zu folgen …

Vielleicht ist es ein Fehler, aber diesmal versuche ich noch mehr als sonst, perfekt zu sein, also korrigiere ich ständig Dinge. Und darum wird der nächste Roman kürzer sein als die anderen.

Ah, das ist gut!

Was heißt »das ist gut«?

Äh … ich bin ein bisschen lesefaul.

Du bist beleidigend! Sag doch gleich, dass dich meine dicken Bücher ankotzen!

(lacht) Hat der Prix Goncourt dein Leben verändert?

Nein, kein bisschen. Mein nächster Roman wird nicht im September erscheinen, das ist der einzige Unterschied.

Mein Buch erscheint im September.

Du könntest den Goncourt noch bekommen.

Ausgeschlossen, ich bin Juror beim Prix Renaudot.

Ach, wie bescheuert! Warum machst du so einen Blödsinn? (lacht)

So habe ich eine Entschuldigung dafür, dass ich ihn nie kriege! Nachdem du einige Jahre in Irland gelebt hattest, bist du vor einem Jahr nach Frankreich zurückgekehrt, in ein Hochhaus, das an einen New Yorker Wolkenkratzer erinnert, mit Blick auf chinesische Schriftzüge. Du lebst wie in Blade Runner, im XIII. Arrondissement von Paris!

Das hat zwei Aspekte. Zum einen wollte ich in Frankreich leben, ohne das Gefühl zu haben, in Frankreich zu sein. Zum anderen kann ich durch die Nähe zur Autobahn das Land sehr schnell verlassen.

Du bist nicht froh, in dein Heimatland zurückgekehrt zu sein?

Ich fühle mich in Frankreich ausgesprochen unwohl. Seit meinem Weggang hat es einige zusätzliche Einschränkungen gegeben. Es ist unglaublich, wie die Regierung offensichtlich das Unglück der Menschen zu vergrößern sucht, in vielleicht beispiellosem Ausmaß. Ich bin traurig über den Zustand meines Landes. Soll ich dir etwas sagen? Ich befürchte einen Bürgerkrieg. Momentan herrschen große Spannungen. Es kann jeden Augenblick zum Ausbruch kommen.

Man kennt den Begriff der »sozialen Kluft«; du bist als der Romancier der »sexuellen Kluft« bekannt. Wie denkst du über das Gesetz, das den Besuch von Prostituierten unter Strafe stellt?

Das ist schlichtweg eine Schweinerei. Ich kenne einige Prostituierte, und gar nicht mal als Freier, sondern als Freund. Sie haben immer noch leichte Schuldgefühle, denn einige von ihnen haben mir erzählt, dass sie sich viel Blödsinn kaufen, Designerklamotten und so weiter, um etwas Buße zu tun und das Geld schneller loszuwerden. Abgesehen davon, lieben sie ihren Beruf, und diese Mädchen an dessen Ausübung zu hindern, ist eine erstrangige, wirklich beachtliche Schweinerei; dass die Prostituierten gar nicht gefragt werden, ist eine tragische...


Houellebecq, Michel
MICHEL HOUELLEBECQ, 1958 geboren, gehört zu den wichtigsten Autoren der Gegenwart. Seine Bücher werden in über vierzig Ländern veröffentlicht. Für den Roman ›Karte und Gebiet‹ (2011) erhielt er den Prix Goncourt. Zuletzt erschien sein Roman ›Vernichten‹ (2022).

Kleiner, Stephan
STEPHAN KLEINER, geboren 1975, lebt als literarischer Übersetzer in München. Er übertrug u. a. Geoff Dyer, Chad Harbach, Tao Lin und Hanya Yanagihara ins Deutsche.



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