Hornak | Sieben Tage Wir | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 464 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Hornak Sieben Tage Wir

Roman
18001. Auflage 2018
ISBN: 978-3-8437-1859-2
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 464 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-1859-2
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine Woche mit der Familie kann verdammt lange sein ... Es ist Weihnachten und die Familie Birch trifft sich zum ersten Mal seit Jahren wieder vollzählig in Norfolk. Die älteste Tochter Olivia ist Ärztin und es besteht der Verdacht auf eine ansteckende Krankheit, sodass sie gerade jetzt für eine Woche in Quarantäne muss. Dem Rest der Familie bleibt nichts anderes übrig, als die nächsten sieben Tage mit ihr im Haus zu verbringen.  Aber eine Woche mit den Liebsten kann sich wie eine Ewigkeit anfühlen, vor allem wenn alle versuchen, ihre Geheimnisse voreinander zu verstecken. Doch das letzte rätselhafte Adventstürchen öffnet sich ganz von selbst und ein unerwarteter Gast taucht auf, der vielleicht alle Fäden zusammenführen kann.

Francesca Hornak ist Journalistin und schreibt für »The Sunday Times«, »The Guardian«, »Grazia« und »Stylist«. »Familie ohne Ende« ist ihr Debütroman und war in Großbritannien ein riesiger Publikumserfolg.
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Andrew


Camden, Gloucester Terrace 34,
Arbeitszimmer, 16 Uhr 05


Betreff: Text für 27. Dez.

Von: Andrew Birch

Datum: 17. 12. 2016, 16:05

An: Croft, Ian

Ian,

anbei mein Text. Wenn ihr ihn wieder druckt, ohne mir die letzte Fassung vorzulegen, kriege ich einen Anfall.

Gruß,

Andrew

PS: Und mach mir nicht wieder aus jedem ›doch‹ ein ›aber‹ und umgekehrt. Das nervt gewaltig!

PPS: Ja, es soll ›Hummus‹ heißen und nicht ›Humus‹.

The Perch, Wingham, Berkshire

Essen: 3/5

Atmosphäre: 1/5

Wenn Sie diese Zeilen lesen, stehe ich mitsamt meiner Familie längst unter Hausarrest. Genauer gesagt: unter Haag-Arrest. Am 23. Dezember kehrt meine Tochter Olivia, ihres Zeichens Ärztin und Wiederholungstäterin im Auslandseinsatz, aus Liberia zurück, wo sie die Haag-Epidemie bekämpft – und erlegt ihrer Familie, also uns, damit eine siebentägige Quarantäne auf. Eine geschlagene Woche lang müssen wir jeden Kontakt mit der Außenwelt meiden und dürfen das Haus nur im äußersten Notfall verlassen. Sollte also jemand den Fehler begehen, bei uns einzubrechen, muss er notgedrungen bleiben, bis die Quarantäne vorbei ist. Die Vorbereitungen für die Woche, die im Hause Birch nur noch als »Tage der Be-Haag-lichkeit« bezeichnet wird, laufen bereits auf Hochtouren. Waitrose und Amazon sind mit der Lieferung des vermutlich umfassendsten Weihnachtseinkaufs von ganz Großbritannien betraut. Wie viel Klopapier braucht eine vierköpfige Familie für eine Woche? Werden zwei Kilo Haferflocken reichen? Sollen wir endlich einmal in Angriff nehmen oder uns an versuchen? Die Matriarchin hat bereits lange im Vorfeld der Sicherheitsverwahrung Leselisten, Playlisten, Ausmist-Listen und Wunschlisten zusammengestellt. Und da unser Clan grundsätzlich keine halben Sachen macht, werden wir unsere Zelte in Camden abbrechen und in unser Haus im fernsten, finstersten Norfolk übersiedeln, auf dass wir unsere Sippenhaft auch richtig genießen können. Wenn Sie einen mitleidigen Gedanken übrighaben, verschwenden Sie ihn an Phoebe, die hauseigene Vertreterin der Millenial-Generation, die einer Woche mit höchst lückenhaftem WLAN entgegensieht.

Im Grunde hat Weihnachten ja immer etwas von einer Quarantäne. Abwesenheitsmeldungen werden eingestellt, Läden liegen verlassen, Freunde ziehen in Scharen nach den elenden Städtchen hin, aus denen sie dereinst kamen. Gelangweilte Ehepaare zucken schon beim kleinsten Räuspern des anderen zusammen (im Januar herrscht bei Scheidungsanwälten Hochsaison – warum bloß?). In dieser wundersamsten aller Jahreszeiten liegt unsere einzige Rettung im Essen. Nur das Essen schlägt eine Brücke zwischen der tauben Tante und dem stummen Teenager. Nur das Essen füllt die Gräben zwischen Geschwistern mit zimtduftender Nostalgie. Und nur das Essen gibt der von Gewissensbissen geplagten Mutter die Mission, längst vergangene Weihnachtsfeste in der Heiligen Dreifaltigkeit aus Puter, Bratensoße und Preiselbeeren wiederauferstehen zu lassen. Darum sollte sich auch kein Restaurant je an einem Weihnachtsessen versuchen. Zu dieser Jahreszeit treibt uns nur ein einziger Grund aus dem Haus: Wir wollen den erstickenden Schwaden aus garendem Fleisch und mütterlichem Gram entfliehen. Abscheulichkeiten wie Brotsoße haben auf Speisekarten nichts verloren.

Das Perch in Wingham hat davon leider noch nichts mitbekommen. Und so hat es sich entschlossen, seine Eröffnung mit einem »alternativen Festtagsmenü« zu zelebrieren (ich wiederhole: Kein Mensch will alternatives Weihnachtsessen). Wie bei allen gastronomisch ambitionierten Provinz-Pubs orientiert sich die Innenausstattung massiv an den Hummus-Tönen der Farbpalette von Farrow & Ball. Die Bedienung zeigte sich erratisch, dies aber mit strahlendem Lächeln. Das Brot mit der »speziell gewürzten Weihnachtsbutter« war schmackhaft und warm, auf die Butter hätten wir allerdings verzichten können: Sie wurde in einer wenig vertrauenerweckenden Petrischale serviert und war von besorgniserregendem Braun. Als Vorspeise verzehrten wir eine tadellose Portion Räucherlachs mit üppiger Torfnote – für das alternative Element sorgte ein einsames Rosmarinzweiglein. Die Matriarchin machte den Fehler, die Rotzunge zu bestellen: ein lappiges Stück fischelnder Irrelevanz. Mein Puter-Curry war ein kurioses Pfützchen aus gelblichem, kreuzkümmellastigem Schmodder, dessen einziger Zweck darin zu bestehen schien, vier zähe Fleischstückchen möglichst unerkannt am Esser vorbeizuschmuggeln. Den Abschluss bildeten eine uninspirierte Käseplatte und eine weihnachtliche Crème brûlée, die die Matriarchin für zahnschmelzversengend süß erklärte, dennoch aber klaglos verputzte.

Doch verzagen Sie nicht, falls Sie in Wingham wohnen. Sie und Ihre westenbewehrten Nachbarn werden die Abwechslung beim Festtagsmenü sicherlich zu schätzen wissen. Wir Birchs hingegen müssen uns eine Woche lang mit Puter-Sandwiches begnügen. Drücken Sie uns die Daumen!

Andrew lehnte sich zurück und hielt kurz inne, ohne die Mail mit seiner Kolumne an Ian Croft – den Schlussredakteur der Zeitschrift , den er am wenigsten leiden konnte – abzuschicken. Für seine Lage war das Perch gar nicht so schlecht gewesen. Im Grunde war es auf seine eigene, provinzielle Art sogar recht gemütlich. Womöglich hätte er die Nacht in dem plüschigen Zimmer über dem Lokal samt Hosenbügler und Wasserkocher sogar genossen, wenn Emma und er nicht längst darüber hinaus wären, Hotels auf diese Weise zu genießen. Er dachte an die Inhaber, ein beflissenes Pärchen mit Schweißperlen auf der Stirn, das extra aus der Küche gekommen war, um ihn persönlich zu begrüßen und ihm etwas über »saisonale Produkte« und »Ethos« zu erzählen, und erwog kurz, die Bemerkung über die Rotzunge ein wenig abzumildern. Dann ließ er sie aber so stehen. In Berkshire las ohnehin kein Mensch die Und außerdem: Hauptsache Presse!

Entscheidend war ohnehin der Teil über sein Privatleben. Er fand, dass er seine Familie durchaus sympathisch präsentiert hatte. In Wahrheit freute er sich nicht sonderlich auf eine ganze Woche in Weyfield, dem zugigen Herrenhaus in Norfolk, das Emma geerbt hatte. Er wusste nie genau, worüber er mit seiner älteren Tochter Olivia reden sollte. Sie taxierte ihn immer auf so unangenehme Weise, todernst und fast ein wenig angewidert, als könnte sie ihm direkt in die Seele blicken und wäre unzufrieden mit dem, was sie dort sah. Und Emma würde die ganze Woche in einem Strudel freudiger Panik verbringen, weil Olivia endlich wieder einmal bei ihnen war. Zum Glück gab es noch Phoebe, den leichtherzigen Gegenpol zu den anderen beiden.

Manchmal schien es ihm fast, als hätte er mit seiner jüngeren Tochter mehr gemeinsam als mit seiner Frau – vor allem, seit Phoebe auch in der Medienbranche arbeitete. Wenn sie von der heillosen Produktionsfirma erzählte, für die sie als feste Freie arbeitete und deren männliche Mitarbeiter allesamt in sie verschossen waren, brachte ihn das zuverlässig zum Lachen. Gerade wollte er Phoebe herunterrufen, um sie zu fragen, ob sie ihn für seine nächste Kolumne in ein frisch eröffnetes Sushi-Lokal begleiten wolle, da fiel sein Blick auf eine neue, ungelesene E-Mail. Er kannte den Absender nicht, das sprach für irgendwelchen unverlangt eingesandten Schwachsinn irgendeiner PR-Firma. Doch der Betreff »Hallo!« überraschte ihn. Er öffnete die Mail.

Betreff: Hallo!

Von: Jesse Robinson

Datum: 17.12.2016, 16:08

An: Andrew Birch

Lieber Andrew Birch,

mir ist klar, dass diese Nachricht ein Schock für Sie sein dürfte, aber ich suche den Kontakt zu Ihnen, weil ich glaube, dass Sie mein leiblicher Vater sind. Meine inzwischen verstorbene leibliche Mutter, Leila Deeba, stammte aus dem Libanon, und ich vermute, Sie müssten sie 1980 in Ihrer Zeit als Auslandskorrespondent in Beirut kennengelernt haben. Sie hat mich kurz nach meiner Geburt zur Adoption freigegeben, und ich bin bei meinen Adoptiveltern in Iowa aufgewachsen. Inzwischen wohne ich in Los Angeles und produziere Dokumentarfilme, hauptsächlich zu Gesundheits- und Wellness-Themen. Über die Weihnachtstage bin ich in Großbritannien, um für ein neues Projekt zu recherchieren, und würde mich sehr freuen, wenn wir uns treffen könnten – natürlich nur, wenn es Ihnen auch recht ist.

Beste Grüße,

Jesse Robinson

PS: Ich bin übrigens ein großer Fan Ihrer Kolumne!

»Alles in Ordnung?« Emma stand in der Tür des Arbeitszimmers. »Du schaust, als hättest du ein Gespenst gesehen.«

»Ach ja?«, fragte Andrew. »Mir geht’s bestens. Bestens.« Obwohl sie den Bildschirm seines Laptops gar nicht sehen konnte, klappte er ihn hastig zu. »Ich habe gerade meine Kolumne abgeschickt. Und du?« Er staunte selbst immer wieder über...


Hornak, Francesca
Francesca Hornak ist Journalistin und schreibt für 'The Sunday Times', 'The Guardian', 'Grazia' und 'Stylist'. 'Familie ohne Ende' ist ihr Debütroman und war in Großbritannien ein riesiger Publikumserfolg.



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