• Neu
Horn / Ludwig | Mundgesundheit in der Pflege | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 220 Seiten

Horn / Ludwig Mundgesundheit in der Pflege

Grundlagen und interdisziplinäre Praxis auf Basis des Expertenstandards
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-17-043044-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Grundlagen und interdisziplinäre Praxis auf Basis des Expertenstandards

E-Book, Deutsch, 220 Seiten

ISBN: 978-3-17-043044-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Menschen mit pflegerischem Unterstützungsbedarf haben oftmals aufgrund ihrer körperlichen und kognitiven Einschränkungen Schwierigkeiten, die Mundhygiene selbstständig und adäquat durchzuführen. In Folge können weitreichende Probleme entstehen, die sich auf die Mundgesundheit, das Wohlbefinden und die soziale Teilhabe auswirken können. Grundlage für das vorliegende Werk ist der Expertenstandard 'Förderung der Mundgesundheit in der Pflege' des Deutschen Netzwerkes für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP). Pflegewissenschaftliche und zahnmedizinische Erkenntnisse sowie interprofessionelle Lösungsstrategien zur Förderung der Mundgesundheit bei Menschen mit pflegerischem Unterstützungsbedarf werden für die Pflege, die Zahnmedizin und andere relevante Berufsgruppen präsentiert. Settingspezifische Handlungsempfehlungen - ergänzt durch umfangreiches Zusatzmaterial - beschreiben, wie die Implementierung des Expertenstandards erfolgreich gelingen kann.

Prof. Dr. Annett Horn, FH Münster. Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin, Mitglied der Arbeitsgruppe für den DNQP-Expertenstandard 'Förderung der Mundgesundheit in der Pflege', Vorstandsmitglied mund-pflege e.V. Dr. med. dent. Elmar Ludwig, Zahnarzt, Mitglied im Ausschuss für Alterszahnmedizin der Bundeszahnärztekammer und der Arbeitsgruppe für den DNQP-Expertenstandard 'Förderung der Mundgesundheit in der Pflege', Vorstandsmitglied mund-pflege e.V. Mit Beiträgen von: Elmar Ludwig, Annett Horn, Max Auerbacher, Anna Greta Barbe, Barbara-Beate Beck, Vanessa Berndt, Petra Blumenberg, Andreas Büscher, James Deschner, Simone Dieter, Judith Ebel, Guido Elsäßer, Franziska Ermann, Sylvia Fresmann, Mirjam Gauch, Volkmar Göbel, Adrian Gödderz, Thomas Gottschalck, Debora Hänzelmann, Roswitha Heinrich-Weltzien, Anna-Lena Hillebrecht, Julia Hirschwald, Susanne Karner, Jutta Klostermann, Patryk Myszkowiak, Nada Ralic, Silvia Reichmann, Gabriele Röhrig-Herzog, Jonas Schäfer, Erika Sirsch, Swen Staack, Alisa Stephan, Anne Stöhr, Barbara Strohbücker, Daniela Sulmann, Andrea Uhlmann, Ilona Vincenz, Natalie Waldherr, Ramona Waterkotte, Marco Weinmann, Johan Wölber, Maximilian Wollenweber und Stefan Zimmer.
Horn / Ludwig Mundgesundheit in der Pflege jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


1 Gesund beginnt im Mund


1.1 Orale Transition des Alterns


Greta Barbe

  1. Was bedeutet Altern für die Mundgesundheit?

  2. Was ist Transition?

  3. Welche Faktoren sind relevant für die Planung und Umsetzung präventionsorientierter Mundpflege?

1.1.1 Einleitung

Menschen altern unterschiedlich. Etwa ein Drittel der Varianz der Lebensspanne ist genetisch bedingt. Großen Einfluss haben zudem Umweltfaktoren und der Zufall. Wie und wann welcher akute oder chronische Abbauprozess eintritt, ist nicht exakt vorhersagbar, hat aber einschneidende Konsequenzen für darauffolgende Alterungsprozesse. Die Lebenserwartung ist in Europa lange Zeit kontinuierlich gestiegen. Durch die Corona-Pandemie ist sie allerdings in der Europäischen Union im Jahr 2021 laut der Industriestaaten-Organisation OECD um mehr als ein Jahr gesunken. Die Lebenserwartung liegt aktuell bei etwas mehr als 80 Jahren (OECD/EU, 2022).

1.1.2 Altern und die Bedeutung für die Mundgesundheit

Altern für sich ist keine Krankheit. Dennoch treten Beschwerden und chronische Erkrankungen mit zunehmendem Alter häufiger auf. Die häufigsten sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie arterielle Hypertonie, koronare Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz, Erkrankungen des Bewegungsapparates (Arthrose bzw. rheumatische Erkrankungen), des zentralen Nervensystems (Morbus Parkinson oder Morbus Alzheimer) und der Lunge (Pneumonien, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)). Ebenso steigt die Inzidenz von Stoffwechselerkrankungen (Diabetes mellitus) und Tumorerkrankungen mit dem Alter an.

Viele dieser Erkrankungen und deren medikamentöse Therapie haben direkte Relevanz für die Mundgesundheit sowie die zahnärztliche Behandlung und Versorgung. Patient*innen mit COPD können möglicherweise nur kurze Behandlungszeiten auf dem zahnärztlichen Stuhl verbringen. Mundtrockenheit als Nebenwirkung einer Polypharmazie erhöht das Risiko für Karies und vermindert das Wohlbefinden. Dementiell erkrankte Patient*innen vergessen die tägliche Mundhygiene oder Patient*innen mit mehreren chronischen Erkrankungen müssen im Alltag bereits viele Arzttermine organisieren. In solchen Fällen gerät selbst der langjährig selbstverständliche Besuch beim Zahnarzt bzw. bei der Zahnärztin zur Kontrolle und ggf. Zahnreinigung aus dem Blick.

Die Zahnmedizin hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr erfolgreich präventionsorientiert aufgestellt. Dies hat dazu geführt, dass die Patient*innen mit immer mehr eigenen Zähnen altern. Die Zahl der Patient*innen, die mit Vollprothesen in stationäre Pflegeeinrichtungen aufgenommen werden, sinkt stetig. Das Mehr an Zähnen führt dazu, dass die Wahrscheinlichkeit an Karies, Wurzelkaries und Parodontitis zu erkranken, in den späteren Lebensphasen kontinuierlich steigt. Die zahnmedizinische Krankheitslast verschiebt sich ins höhere Alter. So haben jüngere Senior*innen (65–74-Jährige) im Jahr 2014 eine bessere Mundgesundheit verglichen zu Daten von vor zehn Jahren (Jordan et al., 2016). Bei den älteren Senior*innen (75–100-Jährige) weisen hingegen neun von zehn Senior*innen eine moderate bzw. schwere Parodontitis nach den gängigen Referenzwerten auf. 60 % der Menschen mit Pflegebedarf sind zudem nicht mehr in der Lage, einen Zahnarzttermin zu organisieren und die zahnärztliche Praxis aufzusuchen. Reduzierte Mundpflege, Karies, Parodontitis und schlechtsitzende Prothesen führen zu Zahnverlust, Zahnlosigkeit und eingeschränktem Kauvermögen, was wiederum die Entwicklung von Mangelernährung begünstigt. So konnte gezeigt werden, dass Patient*innen mit eingeschränkter Kaufunktion ein hohes Risiko für Unterernährung, Gebrechlichkeit und Mortalität haben (Semba et al., 2006). Die Zahl der Zähne ist Hauptprädiktor für die Kauleistung, wodurch dem Zahnerhalt eine zentrale Bedeutung zukommt (Hatch et al., 2001). Gebrechliche Menschen in häuslicher Umgebung zeigen schlechtere Mundhygiene und weniger Zähne als nicht gebrechliche Menschen. Ältere mit plötzlichem Gewichtsverlust, Muskelschwäche oder reduzierter Mobilität haben mehr Mundgesundheitsprobleme (Shwe et al., 2019) und der Eintritt von Frailty1 erfolgt sehr schnell nach Zahnverlust (Halpern et al., 2020). Zudem treten Mundgesundheitsprobleme gehäuft bei ortho-geriatrischen Patient*innen auf (Barbe et al., 2020). In der wissenschaftlichen Literatur wird eine schlechte Mundgesundheit folgerichtig als eigenständiges Geriatrisches Syndrom vorgeschlagen (van der Putten et al., 2014).

Die Mundflora bei älteren Menschen verändert sich, insbesondere wenn die tägliche Mundhygiene nicht mehr suffizient durchgeführt wird. Der Biofilm in der Mundhöhle hat lange Zeit zu reifen und es kommt regelhaft zu einer Besiedlung mit opportunistischen Erregern, die u. a. das Risiko zur Entwicklung einer Aspirationspneumonie erhöhen. Bakterien der oralen Mundflora erreichen insbesondere bei Vorliegen entzündlicher Zustände (wie etwa einer chronischen Parodontitis) über kleine Verletzungen der Mundschleimhaut aber selbst beim einfachen Kauen im Mund die Blutbahn und können so zu einer direkten Infektion von Organen (z. B. Endokarditis, Lungenabszess und Lungenentzündung) oder auch Fremdmaterialien (z. B. Endoprothesen) führen. Begünstigt wird dieser Vorgang durch die altersassoziiert eingeschränkte Immunkompetenz, die sogenannte Immunoseneszenz, sowie eine durch die Pathogene, ihre Abbauprodukte und die Entzündungsmediatoren ausgelöste Entzündungsreaktion des Körpers. Die Immunoseneszenz äußert sich vor allem darin, dass wiederholte Infekte oder anhaltende chronische Entzündungen bei älteren Patient*innen zu einer schnellen Erschöpfung der immunologischen Reserven führen (Ebersole et al., 2018).

Hauptursache für die beschriebenen Mundgesundheitsprobleme ist eine oft zunehmend unbefriedigende Mundhygienesituation, wobei natürlich auch andere Faktoren wie eine veränderte Ernährung eine Rolle spielen. Wo viele jüngere Menschen in der Lage sind, ein Maß an Mundhygiene aufrechtzuerhalten, das zu stabiler Mundgesundheit führt, nimmt diese Fähigkeit beim Eintreten von chronischen Erkrankungen und weiteren Risikofaktoren wie Mundtrockenheit ab. Wechselnde Versorgungszuständigkeiten (Angehörige zu Hause, ambulante bzw. stationäre Langzeitpflege) können die Mundhygiene und damit eine stabile Mundgesundheit zusätzlich gefährden ( Abb. 1.1). Wenn die eigenverantwortliche Mundhygienefähigkeit sinkt, ist zunehmend Unterstützung durch Dritte erforderlich. Der DNQP-Expertenstandard »Förderung der Mundgesundheit in der Pflege« beschreibt ausführlich die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung einer bedarfsgerechten Mundhygiene durch die Patient*innen selbst aber auch durch Dritte, wenn Unterstützung notwendig ist (DNQP, 2023). Häufig setzen heute die aktuellen Maßnahmen vor allem dort an, wo die tägliche Mundhygiene bereits längere Zeit unzureichend oder nicht mehr stattgefunden hat. Wie auch die medizinischen Komorbiditäten und der Alterungsprozess ein meist schleichender Prozess sind, beginnen auch deren Auswirkungen auf die Mundhygienefähigkeit schleichend.

Abb. 1.1: Ausgangssituation vor (a) und Zustand nach erfolgter Zahn- und Mundpflege (b). Weiche Beläge und Speisereste wurden entfernt (Bilder: Dr. Elmar Ludwig, Erstveröffentlichung Barbe, Derman & Ludwig, 2023 bei und mit freundlicher Genehmigung des Quintessenz-Verlags).

1.1.3 Transition: Was versteht man darunter?

Unter Transition (lat. transitio = Übergang) versteht man im Sinne der Transitionsmedizin den geplanten und begleiteten Übergang von Kindern oder jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen von einer kindzentrierten hin zu einer erwachsenenorientierten Gesundheitsversorgung (siehe auch Gesellschaft für Transitionsmedizin (GfTM e. V.) – www.transitionsmedizin.net). Ziel der Transitionsmedizin ist es, diesen Übergang zum Wohl der Patient*innen zu standardisieren. Hierzu zählen die Entwicklung von Schulungsmaßnahmen unter dem Aspekt der Gesundheitskompetenzförderung, die Erarbeitung von Vergütungssystemen und die Entwicklung von medizinischen Guidelines. Dieser Transitionsbegriff wurde als Grundlage für die weiteren Ausführungen zur oralen Transition gewählt, da in der Systematik der Übergänge auch in späteren Lebensphasen große Ähnlichkeiten bestehen.

1.1.4 Physiologische Alterungsprozesse der Mundhöhle versus Orale Transition des Alterns

Genau wie der Gesamtorganismus physiologischen Altersveränderungen unterworfen ist, verändern sich die Strukturen der Mundhöhle mit...


Prof. Dr. Annett Horn, FH Münster. Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin, Mitglied der Arbeitsgruppe für den DNQP-Expertenstandard "Förderung der Mundgesundheit in der Pflege", Vorstandsmitglied mund-pflege e.V.
Dr. med. dent. Elmar Ludwig, Zahnarzt, Mitglied im Ausschuss für Alterszahnmedizin der Bundeszahnärztekammer und der Arbeitsgruppe für den DNQP-Expertenstandard "Förderung der Mundgesundheit in der Pflege", Vorstandsmitglied mund-pflege e.V.

Mit Beiträgen von:
Elmar Ludwig, Annett Horn, Max Auerbacher, Anna Greta Barbe, Barbara-Beate Beck, Vanessa Berndt, Petra Blumenberg, Andreas Büscher, James Deschner, Simone Dieter, Judith Ebel, Guido Elsäßer, Franziska Ermann, Sylvia Fresmann, Mirjam Gauch, Volkmar Göbel, Adrian Gödderz, Thomas Gottschalck, Debora Hänzelmann, Roswitha Heinrich-Weltzien, Anna-Lena Hillebrecht, Julia Hirschwald, Susanne Karner, Jutta Klostermann, Patryk Myszkowiak, Nada Ralic, Silvia Reichmann, Gabriele Röhrig-Herzog, Jonas Schäfer, Erika Sirsch, Swen Staack, Alisa Stephan, Anne Stöhr, Barbara Strohbücker, Daniela Sulmann, Andrea Uhlmann, Ilona Vincenz, Natalie Waldherr, Ramona Waterkotte, Marco Weinmann, Johan Wölber, Maximilian Wollenweber und Stefan Zimmer.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.