E-Book, Deutsch, Band 1, 544 Seiten
Reihe: Sky & Dean-Reihe
Hoover Hope Forever
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-423-42498-1
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman | Die deutsche Ausgabe von ›Hopeless‹
E-Book, Deutsch, Band 1, 544 Seiten
Reihe: Sky & Dean-Reihe
ISBN: 978-3-423-42498-1
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Colleen Hoover ist nichts so wichtig wie ihre Leserinnen. Seit der Veröffentlichung von >Weil ich Layken liebe< hat sie eine riesige Fangemeinde. Inzwischen ist sie die erfolgreichste Autorin der Welt und stürmt mit all ihren Romanen die Bestsellerlisten. 2023 wurde sie auf die Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt des >Time<-Magazins aufgenommen. Colleen Hoover lebt mit ihrem Mann und ihren Söhnen in Texas.
Zielgruppe
ab 14 Jahren
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
Samstag, 25. August
23:50 Uhr
Zwei Monate vorher
Ich bilde mir gern ein, dass ich in meinem siebzehnjährigen Leben hauptsächlich kluge Entscheidungen getroffen habe. Zumindest haben sie hoffentlich die dummen, die im Laufe der Zeit auch dabei waren, überwogen. Damit das so bleibt, werde ich als Nächstes allerdings ziemlich viele kluge Entscheidungen treffen müssen, um auf der Waage der Vernunft wieder auszugleichen, dass ich Grayson schon zum dritten Mal in diesem Monat nachts heimlich durchs Fenster in mein Zimmer klettern lasse. Ich fürchte nämlich, dass das auf der Dummheitsskala ziemlich massiv ausschlägt.
Jedenfalls wenn meine Mutter es mitkriegt.
Nicht dass hier ein falscher Eindruck entsteht: Ich bin keine Schlampe. Es sei denn, man wäre eine, nur weil man sich von Typen küssen lässt, ohne wirklich in sie verknallt zu sein. In dem Fall müsste man überlegen, ob es nicht vielleicht doch die passende Bezeichnung für mich wäre.
»Hey, was ist?« Grayson, der offensichtlich nicht versteht, warum ich mir so viel Zeit lasse, klopft ungeduldig an die Scheibe.
Ich lege den Riegel um und schiebe das Fenster so geräuschlos wie möglich nach oben. Karen ist zwar eine ziemlich untypische Mutter, aber wenn es um mitternächtliche Jungsbesuche geht, ist sie genauso streng wie andere Eltern auch.
»Schsch, nicht so laut«, zische ich.
Grayson schwingt ein Bein übers Fensterbrett und steigt ins Zimmer. Weil unsere Fenster so niedrig liegen, ist es beinahe so, als hätte ich einen Extra-Eingang nur für mich allein. Meine beste Freundin Six und ich nehmen deshalb auch meistens den direkten Weg und ignorieren die Haustür. Karen ist daran gewöhnt und wundert sich nicht mehr darüber, dass mein Fenster fast immer offen steht.
Bevor ich den Vorhang zuziehe, sehe ich zu Six rüber. Sie winkt mir zu, während sie die andere Hand Jaxon hinstreckt, um ihm zu helfen, in ihr Zimmer zu klettern. Sobald er drin ist, dreht er sich noch einmal um.
»In einer Stunde bei deinem Wagen, okay?«, ruft er Grayson leise zu, dann schiebt er mit einem Ruck das Fenster runter und schließt die Vorhänge.
Six und ich sind praktisch unzertrennlich, seit sie und ihre Eltern vor vier Jahren nebenan eingezogen sind. Dass sich unsere Zimmer direkt gegenüberliegen, hat sich als ausgesprochen günstig erwiesen.
Am Anfang war alles noch ganz unschuldig. Mit vierzehn schlich ich mich fast jeden Abend zu ihr rüber, und wir haben es uns mit einer Familienpackung Eis bei ihr im Bett bequem gemacht und DVDs geschaut. Als wir fünfzehn waren, kamen immer öfter heimlich Jungs aus ihrer Klasse zu Besuch, mit denen wir Eis gegessen und Filme geschaut haben. Mit sechzehn begannen die Jungs dann allmählich interessanter zu werden als das Eis und die Filme. Mittlerweile sind wir siebzehn, empfangen die Jungs getrennt in unseren jeweiligen Zimmern, und erst wenn sie wieder weg sind, gehe ich zum Eisessen und Filmeschauen rüber.
Six’ Herz ist extrem leicht entflammbar. Sie verliebt sich alle paar Wochen neu und wechselt ihre Freunde ungefähr so häufig wie ich meine Lieblingseissorte. Ihr aktueller Favorit heißt Jaxon, meiner Rocky Road von Ben & Jerry’s. Grayson ist Jaxons bester Freund, was auch der Grund dafür ist, dass er und ich uns näher kennen. Ich profitiere nämlich von Six’ Männerverschleiß, indem ich mir immer die hübschesten Exemplare aus der Clique ihres jeweiligen Freunds aussuche. Und Grayson ist definitiv hübsch. Er hat einen tollen, durchtrainierten Körper, zerzauste Locken, funkelnde dunkle Augen … mit anderen Worten: alles, was das Herz begehrt. Ich schätze, die meisten Mädchen würden sich schon geehrt fühlen, mit ihm in einem Raum sein zu dürfen.
Pech für ihn, dass sich meine Dankbarkeit in Grenzen hält.
Als ich die Vorhänge zugezogen habe und mich umdrehe, stoße ich fast mit ihm zusammen. Grayson ist offensichtlich bereit, gleich aufs Ganze zu gehen. »Hallo, Schönheit«, flüstert er, streicht mir über die Wange und schenkt mir sein erprobtes Verführerlächeln. Er gibt mir gar keine Chance, etwas zu sagen, sondern drückt sofort seine Lippen zu einer feuchten Begrüßung auf meine. Während er mich routiniert küsst, streift er die Schuhe ab und führt mich zum Bett, ohne seinen Mund auch nur einen Moment von meinem zu lösen. Die Lässigkeit, mit der er all das gleichzeitig tut, ist beeindruckend, aber auch leicht verstörend. Er drückt mich sanft aufs Bett. »Ist die Tür abgeschlossen?«
»Schau lieber noch mal nach«, murmle ich. Grayson gibt mir einen Kuss, bevor er aufspringt und sich vergewissert, dass der Schlüssel umgedreht ist. Ich will keinen Ärger mit Karen riskieren. In den dreizehn Jahren, die ich jetzt bei ihr bin, hatte sie noch nie Grund, mir Hausarrest zu verpassen, obwohl sie sehr streng sein kann. Wobei »streng« vielleicht nicht das richtige Wort ist, ihre Erziehungsmethoden sind ziemlich … widersprüchlich. Wir haben zum Beispiel kein Telefon und weder Fernsehen noch Internetzugang. Handys sind auch tabu, weil sie der Meinung ist, dass die moderne Technologie die Wurzel von so ungefähr allem Übel auf dieser Welt ist.
In anderen Bereichen ist sie dann wiederum extrem entspannt. Zum Beispiel darf ich mit Six jederzeit ausgehen, solange sie weiß, wo wir sind. Ich muss auch nicht zu einer festen Uhrzeit zu Hause sein. Allerdings war ich bisher immer vernünftig und habe ihre Großzügigkeit nie überstrapaziert, weshalb es durchaus sein kann, dass es diese Uhrzeit gibt und ich nur nichts davon weiß. Sie erlaubt mir sogar, zu besonderen Gelegenheiten Wein zu trinken, obwohl ich erst Ende September achtzehn werde.
Karen hat mich vor dreizehn Jahren adoptiert, trotzdem ähnelt unser Verhältnis eher dem von Freundinnen als dem zwischen einer Mutter und ihrer Tochter. Vielleicht hat das auch etwas damit zu tun, dass sie selbst noch relativ jung ist. Jedenfalls scheint sie bei meiner Erziehung einiges richtig gemacht zu haben, denn ich vertraue ihr hundertprozentig und habe (fast) keine Geheimnisse vor ihr.
Karen ist ein sehr spezieller Mensch. Bei ihr gibt es nur Schwarz oder Weiß, keine Grautöne. Mal ist sie supertolerant, dann wieder radikal streng. Ihre Erziehungsprinzipien sind so wenig nachvollziehbar, dass ich es mittlerweile aufgegeben habe, sie verstehen zu wollen.
Das einzige Thema, das bei uns immer wieder für hitzige Diskussionen gesorgt hat, ist die Schule. Sie hat mich von Anfang an zu Hause unterrichtet (staatliche Schulen sind ihrer Meinung nach nämlich auch ein Hort des Bösen), aber seit Six mir die Idee in den Kopf gesetzt hat, habe ich sie angebettelt, mich auf die örtliche Highschool gehen zu lassen. Ich könnte mir vorstellen, dass ich an meinem Wunsch-College bessere Chancen hätte, wenn ich die Teilnahme an Kursen nachweisen könnte, die sich zu Hause nicht unterrichten lassen. Nachdem Six und ich Karen jahrelang bearbeitet haben, hat sie endlich nachgegeben und mir erlaubt, mich für das zwölfte Schuljahr anzumelden. Von meinen Noten her hätte ich in zwei Monaten als Externe meinen Abschluss machen können. So wird es etwas länger dauern, aber das nehme ich gern in Kauf, wenn ich dafür endlich wie eine ganz normale Jugendliche zur Schule gehen kann.
Hätte ich allerdings geahnt, dass Six ausgerechnet in der Woche, in der wir gemeinsam unser letztes Schuljahr antreten wollten, als Austauschschülerin nach Italien gehen würde, hätte ich nie ernsthaft in Erwägung gezogen, mich anzumelden. Aber ich bin berühmt dafür, unglaublich störrisch zu sein, und würde mir eher eine Gabel in den Handballen rammen, als Karen gegenüber zuzugeben, dass ich meine Entscheidung bereue.
Den Gedanken, Six die nächsten sechs Monate nicht an meiner Seite zu haben, habe ich lange verdrängt. Ich weiß, wie sehr sie sich gewünscht hat, dass das mit dem Italien-Austausch klappt, und freue mich für sie. Aber wenn ich ehrlich bin, hat ein ganz kleiner, egoistischer Teil von mir insgeheim gehofft, sie würde doch hierbleiben. Die Vorstellung, ohne meine engste Vertraute durch die Schultüren gehen zu müssen, treibt mir den kalten Angstschweiß auf die Stirn. Jetzt dauert es nicht mehr lange, bis ich in die Welt hinausgestoßen werde, in der auch noch andere Menschen leben außer Six und Karen.
Bisher habe ich immer versucht, meine mangelnde Erfahrung mit der rauen Wirklichkeit durch Lesen wettzumachen – ich liebe Liebesromane –, aber auf Dauer kann es nicht gesund sein, im Märchenland zu leben. Vielleicht haben mich die Bücher ja wenigstens ein bisschen auf die (hoffentlich in der Realität nicht ganz so dramatische) Welt der Highschool vorbereitet, auf meine erste Zeit als »Neue«, auf die Cliquen und die fiesen Zicken, die dort womöglich lauern. Wobei natürlich erschwerend hinzukommt, dass ich durch meine Freundschaft mit Six schon einen gewissen Ruf habe. Sie ist nicht dafür bekannt, wie eine Nonne zu leben, und die Jungs, mit denen ich rumgeknutscht habe, haben auch kein Schweigegelübde abgelegt. Zusammengenommen könnte das bedeuten, dass mir ein ziemlich, na ja, sagen wir mal … spannender erster Schultag bevorsteht.
Nicht, dass mir das große Sorgen macht. Ich gehe ja nicht auf die Highschool, um neue Freunde zu finden; insofern werden mich irgendwelche Gerüchte, die womöglich über mich kursieren, ziemlich kaltlassen.
Hoffe ich jedenfalls.
Grayson kommt grinsend zum Bett zurückgeschlendert. »Wie wäre es mit einem kleinen Striptease?« Er wiegt sich in den Hüften, zieht sein T-Shirt hoch und enthüllt ein hart erarbeitetes Sixpack. Ich kenne das...