Holz / Haury | Antisemitismus gegen Israel | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 424 Seiten

Holz / Haury Antisemitismus gegen Israel


1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-86854-455-8
Verlag: Hamburger Edition HIS
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 424 Seiten

ISBN: 978-3-86854-455-8
Verlag: Hamburger Edition HIS
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieses Buch entwickelt ein präzises und fundiertes Verständnis von israelbezogenem Antisemitismus und macht seine Muster sichtbar. Die Kontroverse um Äußerungen des postkolonialen Theoretikers Achille Mbembe im Frühjahr 2020 hat der Frage nach israelbezogenem Antisemitismus viel Aufmerksamkeit verschafft. Sie ist nur eines von vielen Beispielen. Doch was ist unter Antisemitismus gegen Israel zu verstehen? Klaus Holz und Thomas Haury gehen dieser Frage systematisch und in historischer Perspektive nach. Der gegen Israel formulierte Antisemitismus ist kein Sonderfall, er beruht auf den grundlegenden Mustern des modernen Antisemitismus überhaupt. Die Autoren rekonstruieren seine unterschiedlichen Ausprägungen und die damit einhergehenden Selbstbilder. Sie behandeln Antisemitismus von links, islamistischen und postnazistischen Antisemitismus, antirassistische Identitätspolitik, Christen wider und für Israel und die neue Rechte. Dabei zeigen sich vielfältige Querverbindungen; außerdem wird deutlich, wie sich Antisemitismus im Allgemeinen und Antisemitismen gegen Israel zueinander verhalten.

Klaus Holz ist Generalsekretär der Evangelischen Akademien in Deutschland. Er ist seit Jahrzehnten in der Antisemitismusforschung engagiert und in der Hamburger Edition mit der grundlegenden Studie Nationaler Antisemitismus und der Zeitdiagnose Die Gegenwart des Antisemitismus vertreten. Thomas Haury ist in verschiedenen Bildungseinrichtungen tätig. Er studierte Soziologie und Geschichte und wurde an der Universität Freiburg promoviert. Zuletzt erschien von ihm in der Hamburger Edition Antisemitismus von links.

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II
Ein Blick in die Geschichte: Die zionistische Bewegung, ihre Gegner und ihre Feinde
Viele der Gegner Israels erhoben und erheben massivste Anschuldigungen gegen den jüdischen Staat und »den Zionismus«, welche häufig auf regelrechte Verdammungsurteile hinauslaufen: Nationalismus, Rassismus, Kolonialismus, Faschismus bis hin zur Gleichsetzung mit dem deutschen Nationalsozialismus und dessen millionenfachen Morden. Dieser Sicht Widersprechendes wird häufig ebenso ausgeblendet oder zu Marginalien erklärt, wie die eigene Position nicht auf ihren Gehalt von Nationalismus, essentialistischem Denken, Bedürfnis nach kollektiver Identität oder auch Antisemitismus reflektiert wird. Daher sollen hier die zentralen Entstehungsbedingungen der zionistischen Bewegung, ihre unterschiedlichen Fraktionen und darin von Anfang an enthaltenen Ambivalenzen skizziert werden bis hin zu den spezifischen Gründungsbedingungen des Staates Israel.1 Mit der Entstehung der zionistischen Bewegung standen ihr Kritik, Gegnerschaft und Feindschaft gegenüber. Die hierbei deutlich werdenden, äußerst unterschiedlichen Argumente, ideologischen Grundlagen und Antriebe sind auch hilfreich für die Analyse der späteren wie gegenwärtigen Kritiker, Gegner und Feinde des Zionismus. 1. Die Entstehung der zionistischen Bewegung, ihre Fraktionen, ihre Ambivalenz2
Bereits 1890 prägte der jüdische Wiener Schriftsteller Nathan Birnbaum den Begriff »Zionismus« als Selbstbezeichnung für die vermehrten Bestrebungen verschiedener jüdischer Gruppen und Personen in Europa, in Palästina ein jüdisches Gemeinwesen aufzubauen.3 Eine zentrale Ursache dieser publizistischen, organisatorischen und alsbald auch Siedlungsaktivitäten war zum einen der europaweit zusammen mit dem Nationalismus anwachsende Antisemitismus. Kulminationspunkte waren die blutigen Pogromwellen im zaristischen Russland, die Dreyfus-Affäre in Frankreich, die Wahlerfolge antisemitischer Parteien im Deutschen Reich und die Wahl Karl Luegers zum Bürgermeister von Wien. Dies strich Theodor Herzl in seinem 1896 veröffentlichten Buch Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage, das zur grundlegenden Schrift der zionistischen Bewegung werden sollte, klar heraus. Er vermochte nicht mehr an das bürgerlich-aufklärerische Emanzipations- und Integrationsversprechen zu glauben und sah die Assimilationshoffnungen als eine gefährliche Illusion an: »Wir haben überall ehrlich versucht, in der uns umgebenden Volksgemeinschaft unterzugehen und nur den Glauben unserer Väter zu bewahren. Man läßt es nicht zu. Vergebens sind wir treue und an manchen Orten sogar überschwängliche Patrioten. […] In unseren Vaterländern, in denen wir ja auch schon seit Jahrhunderten wohnen, werden wir als Fremdlinge ausgeschrien. […] Wer der Fremde im Lande ist, das kann die Mehrheit entscheiden. […] Wenn man uns in Ruhe ließe … Aber ich glaube, man wird uns nicht in Ruhe lassen.«4 Der zweite Bedingungsfaktor des Zionismus war das damalige diskursive politisch-ideologische Feld, in dem er entstand: der europa- und bald auch weltweit zur dominierenden Ordnungsvorstellung anwachsende Nationalismus, als dessen relativ spätes Produkt auch ein jüdischer Nationalismus entstand.5 Auch dies notierte Herzl: »Wir sind ein Volk – der Feind macht uns ohne unseren Willen dazu.«6 Der Zionismus entstand als ein gewissermaßen »reaktiver« Nationalismus von Juden, der angesichts des wachsenden Antisemitismus, aber auch angesichts der wachsenden Angleichung an die nichtjüdische Gesellschaft sowie der damit verbundenen Abnahme der Bindungskraft der Religion die Juden dazu aufrief, sich wie alle anderen selbstbewusst als »Volk« zu erkennen und als solches zu behaupten. Herzl sah im Aufbau eines eigenen Staates sowohl das legitime Recht der Juden als auch die einzig mögliche, »moderne« Lösung der Judenfrage. »Ich halte die Judenfrage weder für eine soziale, noch für eine religiöse. […] Sie ist eine nationale Frage. […] Wir sind ein Volk, ein Volk.«7 Allerdings stieß der Zionismus unter den Juden auf eine sehr unterschiedliche Resonanz. In Westeuropa fand er unter den rechtlich emanzipierten und wirtschaftlich relativ gesichert lebenden Juden lange Zeit nur eine begrenzte Anhängerschaft und noch weniger real Auswanderungswillige. Auch nach dem Ersten Weltkrieg blieben die Zionisten innerhalb der Juden der jeweiligen Länder eine Minderheit; zahlreiche von ihnen waren ostjüdische Emigranten. Und nicht wenige deutsche Juden verfochten die Auswanderung nach Palästina weniger als eine Perspektive für sich als für die verfolgten Juden in und aus Osteuropa. Unter den osteuropäischen Juden im zaristischen Russland dagegen, wo seinerzeit nahezu 75 Prozent der Weltjudenheit lebten, fielen Herzls Ideen auf einen fruchtbareren Boden. Dies lag zum einen begründet in der dort herrschenden, allgemeinen »Judennot«,8 Millionen von Juden litten unter bedrückender Armut, rechtlicher Diskriminierung und Wellen von Pogromen. Zum anderen war hier infolge der speziellen Siedlungsverhältnisse – Schtetl-Leben im Ansiedlungsrayon – und der damit verbundenen religiösen wie Alltagskultur sowie des Jiddischen als gemeinsamer Sprache das Selbstverständnis, eine eigene »Nationalität« neben anderen zu sein, plausibler und präsenter. Die 1897 in Basel auf dem ersten Zionistischen Kongress gegründete Zionistische Organisation – die größte Delegation kam aus dem Zarenreich und auch nicht wenige der westlichen Delegierten waren osteuropäischer Herkunft – erhob »für das jüdische Volk die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina« zu ihrem zentralen Ziel, das sie fortan auf vielerlei Ebenen und mit politischen und pragmatischem Geschick verfolgte; in relativ kurzer Zeit konnte sie beachtliche Fortschritte und Erfolge verzeichnen. Die überwiegende Mehrheit der jüdischen Einwanderer nach Palästina stammte bis in die 1930er Jahre hinein aus Osteuropa, vor allem aus Russland und Polen. Doch auch hier blieb der Zionismus in der Gesamtsicht eine zwar bedeutende, aber trotzdem minoritäre Bewegung. Die deutlich häufigste Reaktion ostjüdischer Menschen auf ihre Lebensbedingungen war die »unpolitische« Auswanderung nach »Übersee«: Während zwischen 1880 und 1929 um die 100 000 osteuropäische Juden dauerhaft nach Palästina übersiedelten, wanderten in der gleichen Zeit über zweieinhalb Millionen Ostjuden in die USA ein. Eine weitere massenhaft ergriffene, explizit politische Reaktion auf die jüdischen Lebensverhältnisse bildete die Teilnahme an der sozialistischen Bewegung. Diese versprach eine grundlegende Veränderung der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse, in deren Zuge sich auch die Lebenssituation der Juden verbessern sowie der Antisemitismus verschwinden würde. 1897 gründete sich in Vilnius der »Allgemeine jüdische Arbeiterbund in Litauen, Polen und Russland«, kurz »Bund« genannt, als der erste landesweite Zusammenschluss sozialdemokratischer Gruppen in Russland. Der Bund hatte die ersten Jahre deutlich mehr Mitglieder als die ein Jahr später gegründete Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands.9 Der Zionismus war von Anfang an eine internationale, intern heterogene Bewegung verschiedener »Zionismen«, die sich mitunter heftig stritten. Das vom ersten Zionistischen Kongress 1897 postulierte Ziel der »Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina« war eine Kompromissformel mit Interpretationsspielraum, unter der sich durchaus unterschiedliche Vorstellungen und Konzepte wiederfanden. Schon nach kurzer Zeit differenzierten sich verschiedene Richtungen beziehungsweise Fraktionen aus mit je eigenen ideologischen Grundpositionen, Vorstellungen über die konkreten Vorgehensweisen wie auch sozialer Zusammensetzung ihrer Anhängerschaft.10 Hier sollen im Folgenden kurz die Unterschiede in der jeweiligen Konzeption von »Volk« und »Nation«, der ausgemalten Ziele bzw. Utopien sowie der Sicht auf die arabisch-palästinensische Bevölkerung und den Konflikt mit dieser skizziert werden.11 Zum einen gab es die bürgerlich-liberalen, mehrheitlich westlich-europäisch geprägten Zionisten in Herzls Tradition, auch »Allgemeine Zionisten« genannt, die die meiste Zeit die Führung der Zionistischen Organisation stellten.12 Herzl bestimmte in Reaktion auf »Judennot«13 und wachsenden nationalen Antisemitismus die Juden primär politisch als ein »Volk«, das sich als eine souveräne »Nation« auf eigenem Territorium bewusst konstituieren müsse.14 Dabei sah er die Juden als ein »Volk« neben anderen »Völkern«, die allesamt ein Recht...



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