E-Book, Deutsch, Band 16, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
Holten Lore-Roman 16 - Liebesroman
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7325-5731-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Verlockt vom Glanz der großen Welt
E-Book, Deutsch, Band 16, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
ISBN: 978-3-7325-5731-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Petra Baroness von Schilling - Tochter aus erstklassigem Haus, Spross einer ebenso alten wie reichen Familie - ist gewohnt, mit viel Geld umzugehen, es mit leichter Hand auszugeben und immer wieder neues vorzufinden. Und darin ist sie das genaue Gegenteil von dem bescheidenen Dr. Volker Amberg. Dennoch lieben sie sich. Ihm zuliebe hat die Baroness sogar jeden Umgang mit ihren früheren Bekannten aufgegeben und führt nun ein völlig bürgerliches und zurückgezogenes Leben.
Petra ist zufrieden, bis plötzlich wie aus dem Nichts ein alter Jugendfreund auf der Bildfläche erscheint. Die arglose Baroness denkt sich nichts dabei und freut sich über die Zerstreuung. So hat Herbert ein leichtes Spiel: Mit seinen schicken Anzügen und seinem weißen Sportwagen weiß er Petra zu blenden. Er spricht von großen Bällen, von weiten Reisen und vom Glanz der großen Welt. Da erwacht in Petra die Sehnsucht nach ihrem früheren, nach einem abwechslungsreichen Leben. Und schon ist Volker vergessen ...
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Dr. Volker Amberg stand vor der gläsernen Apparatur, deren viele Leitungen, Kolben und Röhren einem gespenstischen Ungeheuer glichen, und beobachtete gespannt die grünliche Flüssigkeit. Hier kochte es, dort schlugen sich Dämpfe nieder, an einer anderen Stelle kroch gelblicher Rauch durch erdfarbene Filter, an noch anderen Stellen bildeten sich wie durch Zauberhand trockene Spuren von Substanzen. Der Chemiker schaute auf die Laboruhr. Rasch schloss er ein paar Hähnchen, öffnete andere. Das Blubbern im Innern der Gasleitungen verstärkte sich. Dr. Amberg stellte die Flamme eines Bunsenbrenners größer. In diesem Augenblick gab es einen harten Knall, Glassplitter flogen ihm um die Ohren. Rasch riss er die Hände hoch, um das Gesicht zu schützen. Auf seinem Handrücken war auf einmal eine schnittähnliche Wunde. Sie blutete. Mit fliegenden Händen schaltete Dr. Amberg die gesamte Apparatur ab, ehe noch größeres Unheil geschah. Das Blubbern erstarb. Wütend wusch er die verletzte Hand. Es war ein Schnitt, nichts weiter, er hatte Glück im Unglück gehabt. Ebenso gut hätte der Splitter seine Augen treffen können. Dann holte er ein Pflaster und drückte es auf den Handrücken. Fertig. Nun hatte er das zweifelhafte Vergnügen, das Labor aufzuräumen. Die Kollegen, die es am nächsten Morgen betraten, durften von seiner Arbeit nach Feierabend nichts merken. Mürrisch löste er die Gummiverbindungen, kippte die restlichen Chemikalien fort, kehrte die Splitter zusammen. Ein Kolben war geborsten. Plötzlich ging die Tür auf. Dr. Amberg fuhr herum. Der Chef stand im Rahmen. Dr. Bruck, groß, kühl, streng, immer der Überlegene. „Was machen Sie denn hier, Kollege Amberg?“ „Ich bin mit meiner Arbeit nicht ganz fertig geworden, Herr Bruck. Etwas Nachsitzen sozusagen.“ Dr. Bruck kam näher, sah die restlichen Apparaturen, die Amberg noch nicht hatte forträumen können. Nach wenigen Augenblicken sagte er entschieden: „Sie lügen, Amberg. Das ist etwas ganz anderes, und ich nehme an, dass es sich um genau die gleiche Privatsache handelt, mit der ich Sie nach Feierabend schon einmal erwischt habe.“ „Sie haben recht, Herr Doktor Bruck. Entschuldigen Sie.“ „Sie wissen doch, dass ich derlei Späße gar nicht schätze?“ „Ich weiß es …“ „Dennoch haben Sie die Stirn, Ihre Versuche fortzusetzen? Das ist ein Entlassungsgrund, Amberg!“ „Bitte – wenn Sie meinen …“ Bruck wandte sich der Tür zu. Über den Rücken hinweg sagte er: „Diesmal will ich die Sache noch auf sich beruhen lassen. Beim nächsten Mal aber sind Sie fällig – ohne Rücksicht auf Verluste, Herr Amberg.“ Fort war er. Volker Amberg biss die Zähne zusammen. Am liebsten wäre er Bruck nachgeeilt, hätte ihm seinen Kittel vor die Füße geworfen und wäre gegangen – für immer. Doch weil das nicht möglich war, musste Amberg seinen Zorn in sich hineinwürgen, und das verdoppelte den Ärger. Amberg räumte die restlichen Sachen fort. Nun hatte er also das mehr als zweifelhafte Vergnügen, morgen Früh wieder diese langweiligen Stahlproben zu untersuchen, die sie ihm aus dem Werk heraufschickten. Jeden Tag das Gleiche, immer dieser Trott, den ein geschickter Laborant genauso gut hätte bewältigen können. So wenig es ihm schmeckte: Augenscheinlich doch, denn sonst würde er dies alles hier ja nicht tun. Er hatte nicht so viel Glück gehabt wie zum Beispiel Horst Ehmke, sein Studienfreund, der in der Forschungsabteilung einer Arzneimittelfabrik arbeitete und dort ein Labor zur Verfügung hatte, wie es selbst die Professoren an den Universitäten nur vom Hörensagen kennen. Ja, er, Volker, hatte kein Glück gehabt, keine Beziehungen, er hatte nicht die Gabe besessen, mit seinen Pfunden zu wuchern. Dafür vertat er jetzt sein Leben mit der Analyse von Stahlproben. Alles war aufgeräumt, Volker Amberg knipste das Licht aus und ging. Er nickte dem Pförtner zu und hing den Laborschlüssel an das Brett. Draußen regnete es, Volker schlug den Mantelkragen hoch, und gerade als er dies tat, schoss ihm plötzlich durch den Kopf, warum der Versuch misslungen war. Eine Kleinigkeit war es, eine Lächerlichkeit geradezu. Am liebsten wäre er umgekehrt und hätte von Neuem begonnen, doch das konnte er sich nicht mehr leisten. Wenn Bruck ihn abermals erwischte, dann war alles aus. Erst ein bisschen Zeit verstreichen lassen, warten, bis Bruck vielleicht in Urlaub war oder auf Dienstreise. Dann konnte er sich wieder wie ein Dieb ins Labor schleichen und weiterarbeiten, und er durfte dabei froh sein, dass der Pförtner für ein paar Zigarren beide Augen zudrückte und schwieg. Der notwendige Aufschub war umso ärgerlicher, als Volker Amberg das sichere Gefühl hatte, dass er dicht vor dem Ziel stand. Er suchte nach einer Substanz, die man etwa zum Verstreichen von Mauerritzen verwenden konnte, die zwar trocknete, aber nicht zu bröckeln begann, die elastisch blieb und leicht bearbeitet werden konnte. Er war durch Zufall auf dieses Problem gestoßen, als er daheim im Hause seiner Mutter mit Gips hantierte und sich geärgert hatte, wie schwierig dieses Material zu handhaben war. Nun, die Menschheit musste notgedrungen auf das neue Mittel weiter warten. Missmutig, müde und enttäuscht stieg Dr. Amberg in seinen alten Wagen. Der Motor sprang lärmend an. Der Regen hörte auf. Die Straße glänzte vor Nässe. An der nächsten Ecke bog er rechts ab, fuhr um den Block und schlug die entgegengesetzte Richtung ein. Nein, jetzt mochte er nicht nach Hause. Er wollte zu Petra. Übrigens nicht nur wegen des beruflichen Ärgers. Petra hatte in den letzten Tagen einen gewissen Zwiespalt in ihm wachgerufen, den er nicht verdauen konnte, mit dem er noch nichts Rechtes anzufangen wusste. Er wusste nicht einmal, ob er sich die Veränderungen, die er bei Petra festzustellen glaubte, nur einbildete oder ob sie tatsächlich existierten. Warum sollte er nicht versuchen, sich Klarheit zu verschaffen? Ungewissheiten konnte er nicht ausstehen, und dies war eine Ungewissheit, die ihn erheblich bedrückte. Verständlich, denn er liebte Petra. Sie war nicht nur bildhübsch mit ihrem lockigem Haar, ihrer samtenen Haut, ihrem lachenden Mund und den sprühenden Augen. Sie war auch wirklich ein liebenswertes Menschenkind, zärtlich, dann wieder ausgelassen wie ein Kind, klug, wenn es etwas Gescheites zu sagen oder zu tun gab, und sehr temperamentvoll. Petra Baroness von Schilling – Tochter aus erstklassigem Haus, Spross einer ebenso alten wie reichen Familie, verwöhnt – war gewohnt, mit viel Geld umzugehen, es mit leichter Hand auszugeben und immer wieder neues vorzufinden. Und darin war sie das genaue Gegenteil von Volker Amberg. Sein Vater war Lehrer gewesen, der noch während Volkers Studium starb. Volker hatte verbissen gearbeitet, um Geld zu verdienen. Er hatte es geschafft, er hatte eine Stelle, er verdiente auch einigermaßen, aber eben nicht üppig. Und so drehte er nach wie vor jeden Pfennig um, gönnte sich nicht viel, sparte. Gegensätze über Gegensätze. Dennoch liebten sich die reiche Petra von Schilling und der bescheidene Dr. Volker Amberg. Wie war das eigentlich gekommen? Es begann wie ein Zufall. Sie waren im Verkehrsgewühl mit ihren Autos zugammengestoßen. Es hatte leichte Schäden, aber eine sehr erregte Debatte gegeben. Petra hatte ihre Schuld an diesem kleinen Zwischenfall abgestritten, obwohl sie wirklich schuld gewesen war. Aber dann hatte sie plötzlich gelacht. Er hatte eingestimmt – und beide hatten erkannt, dass der Vorfall so viel Erregung gar nicht wert gewesen war. Und aus diesem Lachen war langsam die Liebe erwachsen. Man hatte sich verabredet, hatte Gefallen aneinander gefunden, mehr und mehr, und eines Tages gab es einen Kuss. Er war nicht der einzige geblieben. Beinahe hätte Volker Amberg eine rote Ampel überfahren. Das brachte ihn aus seinen Gedanken wieder in die Gegenwart zurück. Ungeduldig wartete er, bis das Stopplicht auf Grün sprang. Die Häuser wurden niedriger, die geschlossenen Zeilen rechts und links neben der Fahrbahn lösten sich auf, parkähnlicher Wald kam, Volker bog in eine Seitenstraße ab. Nur noch Villen gab es hier, eine schöner als die andere. Noch eine Seitenstraße – da lag das Haus, das Petra gemietet hatte. Weiß, flach, modern und luxuriös. In einiger Entfernung gab es einen kleinen Parkplatz. Volker lenkte seinen Wagen dorthin, weil die Straße ziemlich schmal war. Er stieg aus und ging dem Haus entgegen. Plötzlich blieb er stehen. Aus der Garageneinfahrt des Hauses schob sich rückwärts ein weißer offener Sportwagen. Volker kannte ihn nicht. Ein Mann in einer hellbraunen Lederjacke saß hinter dem Lenkrad. Er lachte und rief etwas. Als er auf der Straße stand, hielt er den Wagen an. Petra von Schilling trat aus dem Haus und sagte etwas. Der junge Mann lachte noch mehr. Er streckte die Hand aus, zog Petras Rechte zu sich und küsste sie. Dann streckte er ihr seinen Mund entgegen, doch sie schüttelte lachend den Kopf und lief ins Haus. Volker Amberg trat hinter einen Baum, als der Sportwagen vorwärts schoss und an ihm vorbeipreschte. Die Szene war ganz harmlos gewesen, doch ihr Anblick hatte Volker die Kehle zugeschnürt. Er glaubte zu fühlen, dass mehr dahintersteckte. Der Chemiker sah dem Mann hinter dem Lenkrad nach. Gepflegte Erscheinung, einer von jenen jungen Männern, die durch ihr Aussehen und ihr Gehabe auf den ersten Blick glänzende Vermögensverhältnisse ahnen lassen. Er ging...