E-Book, Deutsch, Band 518, 64 Seiten
Holten Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 518
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7517-0106-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Das Unglück am Hochzeitsmorgen
E-Book, Deutsch, Band 518, 64 Seiten
Reihe: Die Welt der Hedwig Courths-Mahler
ISBN: 978-3-7517-0106-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ungeduldig warten die hübsche Anja Weipert und ihr Onkel, bei dem sie seit dem tragischen Tod ihrer Eltern lebt, am Tag der Hochzeit auf den Bräutigam. Doch sie warten vergebens, denn der Mann, den Anja über alles liebt, verunglückt auf dem Weg zum Standesamt tödlich.
Die Braut ist untröstlich und versinkt in tiefer Trauer versunken, als sie nur wenige Wochen später feststellt, dass sie in anderen Umständen ist. Während Anja der Gedanke an das Kind des geliebten Mannes ein wenig Trost spendet, ist Onkel Franz außer sich. Er stellt seiner Nichte ein Ultimatum: Entweder sie heiratet pro forma irgendeinen Mann, damit das Kind nicht unehelich zur Welt kommt, oder der schwerreiche Fabrikant enterbt sie ...
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Das Unglück am Hochzeitsmorgen
Weinend legte die Braut den Schleier ab
Ungeduldig warten die hübsche Anja Weipert und ihr Onkel, bei dem sie seit dem tragischen Tod ihrer Eltern lebt, am Tag der Hochzeit auf den Bräutigam. Doch sie warten vergebens, denn der Mann, den Anja über alles liebt, verunglückt auf dem Weg zum Standesamt tödlich.
Die Braut ist untröstlich und versinkt in tiefer Trauer versunken, als sie nur wenige Wochen später feststellt, dass sie in anderen Umständen ist. Während Anja der Gedanke an das Kind des geliebten Mannes ein wenig Trost spendet, ist Onkel Franz außer sich. Er stellt seiner Nichte ein Ultimatum: Entweder sie heiratet pro forma irgendeinen Mann, damit das Kind nicht unehelich zur Welt kommt, oder der schwerreiche Fabrikant enterbt sie …
Horst Lucks Hand zitterte, als er sich eine Zigarette anzündete. Er tat einen hastigen Zug, dann drückte er die Zigarette wieder aus.
„Geh endlich!“, stieß er wütend hervor. „Merkst du denn immer noch nicht, wie unwürdig das alles ist?“
Mia Döring stand vor ihm, hübsch, zu allem entschlossen. Ihre hellen Augen brannten.
„Unwürdig? Was ist hier unwürdig? Dass du dich heute mit einer anderen verheiraten willst, nachdem du mich jahrelang an der Nase herumgeführt hast – das ist unwürdig!“
„Du kannst doch nichts mehr daran ändern!“, schrie er. „In einer Stunde schon bin ich auf dem Standesamt. Was willst du denn noch?“
„Ich gehe nicht. Und wenn du sie wirklich heiratest, dann mache ich dich unglücklich. Dich und sie. Und mich vielleicht auch. Aber das ist mir egal.“
„Du bist wahnsinnig, Mia!“, würgte er hervor. „Du hast den Verstand verloren.“
„Nicht ich – du.“
Horst lachte gequält auf.
„So etwas kann man doch nur träumen!“, rief er mit schwankender Stimme. „So etwas gibt es in Wirklichkeit nicht. Ich, Horst Luck, heirate in einer Stunde Anja Weipert, und du, Mia Döring, bist hier in meiner Wohnung, um mir klarzumachen, dass diese Hochzeit nicht stattfinden darf. Mia, ich flehe dich an: Gib es endlich auf! Willst du Liebe erzwingen?“
Plötzlich hatte sie Tränen in den Augen. Ihr hübscher Mund verzerrte sich. Vielleicht bin ich wirklich wahnsinnig, dachte sie. Hatte sie sich vielleicht doch zu sehr in die Idee verrannt, dass er ihr gehörte? Aber sie liebte Horst und konnte nicht von ihm lassen. Wenn er die andere heiratete, war für sie alles Glück der Erde ein für alle Mal vorbei.
„Meinetwegen kannst du sie heiraten“, stieß sie nun hervor. „Wenn du mir versprichst, dass du … dass wir … wir können uns ja auch nachher noch treffen.“
Er packte ihre Schultern und schüttelte das blonde Mädchen.
„Mia, wach endlich auf! Das ist doch nicht dein Ernst! Glaubst du wirklich, dass ich meine Ehe mit einer heimlichen Geliebten beginne? Ich bin doch kein Schuft!“
„Aber du bist der Mann, den ich liebe, Horst. Ich bin dir verfallen. Du kannst doch nicht mit einer Handbewegung alles das auslöschen, was zwischen uns gewesen ist.“
„Das ist längst vorbei! Begreife es endlich! Seit einem Jahr, seitdem ich Anja kenne, haben wir uns nicht mehr gesehen. Und nun plötzlich kommst du her und …“
„Weil ich die Hoffnung nie aufgegeben habe!“, fiel sie ihm leidenschaftlich ins Wort.
„Es ist zu spät, Mia. Zu spät, hörst du!“
Weinend klammerte sie sich an den Mann, als könne er allein sie vor dem Ertrinken retten.
Horst Luck wusste nicht, wie er Mia Döring loswerden sollte. Und er musste sie loswerden, denn nun waren es bis zur standesamtlichen Trauung nur noch fünfundvierzig Minuten. Und mit dem Wagen brauchte man mindestens eine halbe Stunde, bis er drüben im Westviertel war.
„Hör auf zu weinen, Mia“, bat er sie mit heiserer Stimme. „Ich mache dir einen Vorschlag: Du wartest hier auf mich. Ich komme zurück, das schwöre ich dir. Dann reden wir über alles.“
„Wenn du kommst, dann …“
„… dann bin ich schon verheiratet. Ja. Dagegen kannst du nichts mehr tun. Aber wir werden sehen, wie wir weiterkommen. Ich verspreche es dir.“
Plötzlich ließ sie von ihm ab. Mit müden, schleppenden Bewegungen ging sie hinüber zum Sessel, ließ sich darauf fallen und schlug die Hände vors Gesicht.
„Geh“, stieß sie hervor, „geh zu deiner Hochzeit.“
???
„Wo zum Teufel bleibt der Kerl?“, rief der Geheimrat Weipert und zerrte seine goldene Taschenuhr hervor. „Was bildet er sich eigentlich ein?“
Anja Weipert zupfte an ihrem weißen Schleier. Sie trug kein richtiges Brautkleid. Es war eine Art Cocktailkleid, das bis zum Knie reichte, eng anliegend, aus weißer, schimmernder Seide gearbeitet. Der Schleier, den sie in ihr wundervolles dunkles Haar gesteckt hatte, war nur kurz.
„Er muss jeden Moment kommen, Onkel Franz. Du weißt doch, dass um diese Zeit der Straßenverkehr besonders stark ist.“
„Das weiß dein sauberer Herr Bräutigam nicht minder!“, wetterte der Onkel und strich über seinen kahlen Schädel. „Ich habe ja gleich gesagt, mit diesem Burschen, das geht nicht gut!“
„Onkel, bitte!“
Anjas dunkle Augen füllten sich mit Tränen. Bis vor wenigen Minuten war sie noch so glücklich gewesen, denn sie liebte Horst Luck von ganzem Herzen.
Sie standen in der Halle der Geheimratsvilla. Das Personal hatte sich still verzogen. Wenn der Geheimrat wütend war, tat man gut daran, ihm aus dem Weg zu gehen. Nur er und Anja standen dort auf dem gewaltigen Afghan-Teppich, in einiger Entfernung die beiden Trauzeugen, ein Freund des Bräutigams und Renate Kerr, Anjas beste Freundin, eine junge Schauspielerin.
„Ludwig!“, brüllte der Geheimrat nach seinem persönlichen Diener. „Einen Kognak – aber einen doppelten!“
Der grauhaarige Ludwig war in der nächsten Sekunde mit dem Kognak zur Stelle. Er hatte schon damit gerechnet, dass der Geheimrat danach verlangen würde.
Der Geheimrat stürzte das scharfe Getränk hinunter.
„Das wird ein Tag, den ich nicht vergessen werde!“, polterte er dann. „Fehlt nur noch, dass nachher die Kirche einstürzt und dass das Hochzeitsessen anbrennt – dann gehe ich ins nächste Irrenhaus!“
Der Geheimrat riss abermals seine Uhr hervor. Es wurde wirklich höchste Zeit, wenn sie noch rechtzeitig auf dem Standesamt erscheinen wollten.
„Wir fahren!“, bellte der Hausherr. „Ludwig, Sie sagen diesem sauberen Herrn Bescheid, dass er sich gütigst ins Standesamt verfügen möchte. Natürlich nur, wenn der Herr dazu aufgelegt ist. Seine Braut, die sei schon dort. Los, gehen wir!“
Anja presste die schönen, vollen Lippen zusammen. Sie hätte in den Boden versinken mögen. Wie sehr hatte sie kämpfen müssen, bis der Onkel die Zustimmung zu dieser Hochzeit gegeben hatte. Der Geheimrat hatte mit Anja ganz andere Pläne gehabt und sie in die Hochfinanz verheiraten wollen.
Seine Nichte aber hatte nur auf ihr Herz gehört, und das hatte sich für Horst Luck entschieden: dreißig Jahre alt, aufstrebender, tüchtiger Rechtsanwalt. Er hatte noch keine eigene Kanzlei, aber bald wollte er sich selbstständig machen.
Als sie ins Freie traten, wurden sie von der lachenden Sonne und der sommerlichen Wärme begrüßt. Vor dem Portal stand der große schwarze Wagen des Geheimrates, in dem alle vier Menschen bequem Platz hatten. Der Fahrer saß schon hinter dem Lenkrad, ein Diener riss die Türen auf.
„Fahren Sie endlich, Sie Trottel!“, bellte der Geheimrat den Fahrer an.
Lautlos setzte sich das Gefährt in Bewegung.
„Weine doch nicht, Anja“, bat die junge Schauspielerin und reichte der Braut ein Taschentuch. „Er wird bestimmt gleich kommen.“
Im selben Augenblick, als sie das sagte, schrillte in der Geheimratsvilla das Telefon …
???
Hubertusstraße. Jetzt musste Horst Luck nach links in die Hauptstraße einbiegen. Aber er musste warten, denn die Ampel stand auf Rot. Das Warten zerrte an seinen Nerven.
Endlich sprang die Ampel auf Gelb um. Horst ließ den Wagen vorwärtsschießen, ohne auf Grün zu warten. Die Reifen kreischten, als er das Lenkrad nach links einschlug. Die ihm entgegenkommenden Wagen hupten wild, als er dicht vor ihren Stoßstangen ihren Weg kreuzte.
Er trat das Gaspedal tiefer. Vor ihm wollte gerade eine Straßenbahn halten. Schnell noch vorbei, bevor die Leute ausstiegen und er wieder warten musste. Ein alter Mann sprang entsetzt zur Seite, als Horst den Wagen zwischen Straßenbahn und Bürgersteig hindurchschießen ließ.
Horst presste die Lippen zusammen. Seine Hände krampften sich um das Lenkrad.
Mia Döring saß in seiner Wohnung! Und er hatte ihr gesagt, sie solle auf ihn warten. Dabei wusste er genau, dass er noch heute Nachmittag...