E-Book, Deutsch, Band 3, 320 Seiten
Reihe: Cilla-Storm-Reihe
Holst Schwedischer Todesfrost
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-641-27491-7
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Schären-Krimi
E-Book, Deutsch, Band 3, 320 Seiten
Reihe: Cilla-Storm-Reihe
ISBN: 978-3-641-27491-7
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Winter hat Stockholm fest im Griff, und Cilla Storm vermisst ihr Häuschen in den Schären. Da kommt ihr die Einladung von ihrem besten Freund Zacke gerade recht. Zusammen mit Zackes Freund Jonathan und Cillas Nachbarin Rosie geht es über die Feiertage in eine gemütliche Hütte im Skigebiet Idre Fjäll. Die Winterromantik findet allerdings ein jähes Ende, als Rosie auf der Piste einen Toten entdeckt. Bevor die Weihnachtsglocken läuten und der Schnee sich über das Verbrechen legt, müssen Cilla und Rosie herausfinden, warum der junge Mann in dieser eisigen Nacht sterben musste.
Christoffer Holst ist Jahrgang 1990, er arbeitet als Lektor und ist Autor mehrerer Romane. Wenn er nicht gerade schreibt, genießt er gerne ein Glas Chardonnay oder guckt romantische Komödien. Als unverbesserlicher Romantiker findet er, dass das Leben mehr wie ein Film oder ein Buch sein sollte. Er lebt in Stockholm.
Weitere Infos & Material
1
Diese Wohnung ist wirklich nur für die warmen Sommermonate geeignet. Meine kleine Einzimmerwohnung in der Bastugatan ist im Sommer ein Traum. Da schlafe ich nachts bei offenem Fenster und höre das Leben in den Straßen von Södermalm. Aber jetzt ist alles anders. Das genaue Gegenteil nämlich. Nach Wochen und Monaten mit einem Wasserschaden, den ich zum Glück in der Wohnung meines besten Freundes Zacke gleich um die Ecke überbrücken konnte, habe ich jetzt mein Zuhause wieder bezogen. Es ist herrlich, nicht mehr aus dem Koffer leben zu müssen, aber ehrlich gesagt ist es manchmal einsam. Und vor allem kalt. Wir haben Dezember, und entweder ist mein Vermieter ein Sadist oder der geizigste Mensch auf diesem Planeten. Denn meine Heizkörper sind tiefgefroren, obwohl ich sie alle entlüftet habe. Aus purer Verzweiflung habe ich den Ofen auf zweihundert Grad gestellt und die Klappe offen stehen lassen.
Die heiße Luft strömt zwar in die Wohnung, aber das nützt leider nichts gegen den eiskalten Fußboden und die schlecht isolierten Fenster. Ich trage Wollsocken, Jogginghosen mit langen Unterhosen darunter, und als i-Tüpfelchen habe ich mir einen Schal um den Hals gewickelt. Als ich mich im Spiegel sehe, muss ich leider schallend lachen.
»Ich sehe ja aus wie eine Wintermumie!«
Adam, der ähnlich eingemummelt wie ich mit seinem Laptop auf dem Sofa sitzt, lacht laut auf.
»Aber eine hübsche Mumie.«
»Aha!«
Ich falte meine Hände auf meiner Brust und öffne den Mund wie eine zweitausend Jahre alte Mumie.
»Hör auf, mich zu verführen«, sagt Adam und nimmt einen Schluck aus seinem großen Teebecher.
Ich bin eigentlich überhaupt kein Teetyp. Ich mag Kaffee und Wein. Aber in dieser sibirischen Kälte hätte ich wahrscheinlich auch einen Becher mit brodelndem Petroleum nicht abgelehnt. Alles, was wärmt, ist mehr als willkommen.
»Deine Eisbude hier ist doch verrückt, Cilla. Hast du deinem Vermieter eine Mail geschrieben?«
»Ja, natürlich. Aber seit dem Wasserschaden im Oktober war der nicht mehr zu erreichen. Der liegt wahrscheinlich am Strand in den Tropen und sonnt sich.«
»Es ist doch illegal, seine Mieter so zu behandeln.«
»Darum müsstest du dich doch eigentlich kümmern. Wer von uns beiden ist denn bei der Polizei?«
Er lächelt mich an.
»Wie läuft es in Sachen Kochtopf?«, fragt er statt einer Antwort.
»Ich gehe das umgehend überprüfen!«
Ich sprinte an den Herd und hebe den Deckel von meinem roten Le-Creuset-Topf. Ein Geschenk von Zacke, von wem sonst. Er ist offenbar der Überzeugung, dass es physisch unmöglich ist, ein Essen in einem Topf zu kochen, der weniger als tausend Kronen kostet. Mir steigt eine herzhafte Duftwolke in die Nase. Einfach köstlich. Das Chili steht schon seit heute Nachmittag auf dem Herd und köchelt vor sich hin. Zuerst habe ich Ancho-Chili mit Zwiebeln und Sellerie angebraten, danach wanderte das Stück Rindernacken zusammen mit Brühe und einem dunklen Ale in den Zaubertopf. Das Fleisch ist mittlerweile butterweich und fällt auseinander, und es ist an der Zeit, den Tisch zu decken. Wir essen das Chili in warmen Tortillas mit aufgeschlagener Crème fraîche, cremigem Maisbrei, knackigem Salat und einem Berg von Koriander. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn ich nur dran denke. Die Zeit der Wunder ist noch nicht vorbei – ich, Cilla Storm, habe auf meine alten Tage mit dem Kochen begonnen!
Es gab eine Zeit in meinem Leben – und die ist nicht besonders lange her –, da bestanden meine Kochkünste aus Tütensuppen und, wenn es hoch kam, Penne mit Pesto. Das Pesto aus dem Glas, versteht sich. Wenn das Konto es hergab, kam es durchaus vor, dass ich mir eine Spezialbestellung bei meinem Privatkoch gönnte (ja, ja, schon gut, der heißt Jawad und arbeitet bei Lieferando). Aber es ist eigentlich ganz einfach. Man nehme einen gut aussehenden Polizisten namens Adam Ångström, werfe ihn in mein Leben (und in mein Bett), und plötzlich kann ich mir nichts Schöneres vorstellen, als am Herd zu stehen und ihm feinste Dinge zu kochen.
Man füge noch ein Korsett hinzu und kippe das Frauenwahlrecht, und schon hat man die perfekte Hausfrau.
Aber Zacke hat mir gestanden, dass es ihm ganz genauso geht. Zwar hat Zacke es schon immer geliebt, Essen zu kochen. Aber als er mit Jonathan zusammenkam, hat ihn quasi eine Kochmanie gepackt.
Es ist windig, die kahlen Bäume knarren in der Dunkelheit. Obwohl wir schon Mitte Dezember haben, hat Stockholm bisher noch keine Schneeflocke gesehen. Wenn man in einer Großstadt lebt, muss man es hinnehmen, dass es keine Schneegarantie gibt. Ich mag es trotzdem, im Winter in der Stadt zu leben. Aber viele beklagen sich. Aber ich bin hier aufgewachsen. Ich habe meine Winter nicht damit verbracht, auf Langlaufskiern von Hütte zu Hütte zu fahren und Waffeln zu essen oder in den zugefrorenen jämtländischen Teichen Barsche zu angeln. Ich habe stattdessen die Weihnachtsdeko am Kaufhaus und die Lichterketten auf den Booten am Strandvägen bewundert. Das war vollkommen ausreichend. Auch heute noch.
Trotzdem haben Adam und ich uns letztes Wochenende für eine kleine Auszeit auf dem Land entschieden. Na ja, was heißt hier auf dem Land. Wir sind in meine heiß geliebte Laube in der Schrebergartenkolonie auf der Insel Bullholmen gefahren. Das ist uns buchstäblich in letzter Minute eingefallen. Ich wollte noch vor Weihnachten in meinem kleinen Refugium nach dem Rechten sehen, also sind wir letzten Samstag kurzerhand mit der Fähre rübergefahren. Adam und ich waren fast die einzigen Passagiere, das war ungewöhnlich und auch lustig. Denn im Sommer ist die Fähre fast immer proppenvoll, und sogar im Herbst, als Rosie und ich für ein Wellnesswochenende nach Bullholmen gefahren sind, war die Fähre gut ausgelastet mit Besuchern, die Bullholmen im Oktobergewand genießen wollten. Aber letztes Wochenende war die Fähre wie gesagt praktisch wie ausgestorben. Und so auch die Insel. Der Supermarkt war zum Glück geöffnet, sonst hätten wir sofort wieder umkehren müssen.
Wir haben einen ausgedehnten Spaziergang gemacht und den knackig kalten Wintertag genossen. Bis auf die andere Seite der Insel sind wir gelaufen, wo die Felsen viel steiler sind und das neue Spa-Hotel steht, das um diese Zeit sogar geöffnet hat. Rosie und ich waren vor ein paar Monaten dort und haben eine ziemlich dramatische Geschichte erlebt. Aber jetzt ist alles wieder ruhig und still. Sogar das Meer hält eine Art Winterschlaf. Abends haben wir uns ganz banale Tacos gemacht – mit Mais aus der Dose und Crème fraîche – und haben dazu Ginger-Bier getrunken und auf meinem iPad ein paar Folgen einer britischen Krimiserie gesehen. Da es nachts aber schon empfindlich kalt wurde, sind wir gleich am nächsten Morgen mit der ersten Fähre zurück aufs Festland gefahren. Um dann den gesamten Vormittag in der Badewanne zu verbringen, gemeinsam.
Das Ende vom Lied aber war die Feststellung, dass an meinen beiden Rückzugsorten eisige Kälte herrscht.
Mit Ausnahme von Adam natürlich. Verstohlen werfe ich einen Blick zu ihm aufs Sofa. Obwohl er wie eine Mumie bis obenhin eingemummelt ist, kann ich sein Gesicht in dem voluminösen Rollkragenpullover sehen. Seine aufmerksamen Augen, die vollen, kussfreudigen Lippen und den dunklen Dreitagebart …
Es hätte mich schlimmer treffen können. Das steht fest.
Ich kann nicht einschlafen. Wälze mich im Bett hin und her.
Adam schnauft lieblich neben mir, und obwohl ich es ansonsten liebe, mich dicht an ihn zu kuscheln, schleiche ich kurz nach eins in die Küche. Da wir beide in Wollsocken und Jogginganzug ins Bett gegangen sind, muss ich mir auch nichts Zusätzliches anziehen.
Neben der Spüle stehen noch die Reste unseres Schmortopfs, der tatsächlich so gut geschmeckt hat wie erhofft. Aber abgewaschen wird erst morgen, denn ich will meine Schlafstörung sinnvoll nutzen und arbeiten. Ich mache mir also einen großen Becher Tee, der wunderbar nach Passionsfrucht duftet, und verkrümele mich mit meinem Laptop aufs Sofa.
In anderthalb Wochen ist Weihnachten, aber das darf einen Freiberufler nicht weiter tangieren. Während die Festangestellten ihre Ausgleichs- und Brückentage zusammenzählen, hängt meine Arbeit immer wie ein Damoklesschwert über mir. Nicht dass man mich falsch versteht, mir macht das nichts aus. Ich liebe es, freiberuflich zu arbeiten. Ich liebe es, zu jeder Tages- und Nachtzeit zu schreiben, wie es mir gefällt. Und mein Job ist sogar noch aufregender geworden, seit ich für schreibe, den mittlerweile bekanntesten Podcast des Landes. In der Kategorie sind wir ohne Frage der größte. Mit fast zweihunderttausend Zuhörern pro Folge jede Woche kann sich mit den Giganten der Branche messen. Zu verdanken ist dieser Erfolg in erster Linie den beiden charismatischen Frontfrauen, die in der Lage sind, mit Empathie und wohl dosierter Dramaturgie die Geschichten zu erzählen. Hoffentlich aber auch meiner Neugier für andere Menschen, die ich einbringe, wenn ich die Manuskripte für jede Folge schreibe. Denn ich bin die alleinige Autorin der Folgen. Ich recherchiere, sammle Informationen und versuche dann, so zu schreiben, dass die Zuhörer fünfzig Minuten mit...