E-Book, Deutsch, 276 Seiten
Hofrichter Das Mittelmeer und der liebe Gott
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-347-21716-4
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Vier Jahrtausende Kultur- und Religionsgeschichte: Wie Gottesvorstellungen unsere Welt veränderten
E-Book, Deutsch, 276 Seiten
ISBN: 978-3-347-21716-4
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der 1957 in Bratislava (Preßburg) geborene und seit 1981 in Salzburg lebende Autor liebt das Mittelmeer. Als promovierter Zoologe und Meeresbiologe, Buchautor, Naturfotograf und Umweltschützer hat sich Robert Hofrichter schon früh ganzheitlichen und multidisziplinären Studien des Mittelmeerraumes zugewandt und die Mediterranistik zu seinem Lieblingsfach erwählt. Sein letztes großes Werk, Das Mittelmeer - Geschichte und Zukunft eines ökologisch sensiblen Raums (2020), verschrieb sich auch diesem mediterranistischen Zugang. Der Religionsgeschichte der monotheistischen Religionen hat sich der Autor seit seiner Jugend gewidmet, die einführenden Kapitel dieses Buches liefern dazu ausführlichere Informationen. Robert Hofrichter ist Autor von bisher etwa 30 Büchern, darunter sind auch einige Bestseller mit Übersetzungen in bis zu zehn Sprachen. Er ist Präsident der Meeresschutzorganisation MareMundi, die 2001 von ihm gegründet wurde.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Einleitende Episode Nr. 1
Das auserwählte Volk: Deinem Samen will ich dieses Land geben!
Der Herr aber hatte zu Abram gesprochen: Geh hinaus aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und aus dem Haus deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde! Und ich will dich zu einem großen Volk machen und dich segnen und deinen Namen groß machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf der Erde!
Genesis 12,1–3, Schlachterbibel
Zwei außergewöhnliche Entitäten (philosophisch für abgrenzbare und definierbare „Dinge“ oder Einheiten) begegnen uns seit mindestens zweitausend Jahren im Mittelmeerraum. Das Eine sind die Juden als … als was? Als Volk, als Nation, als Ethnie, als Religion, gar als Rasse? Wir sehen: Gleich zu Beginn kommen wir mit solchen Begriffen in Verlegenheit. Das Judentum ist unser einführendes Beispiel Nr. 1. Unser zweites ist der Jude Jesus von Nazareth, der um das Jahr 30 n. Chr. von Römern hingerichtet wurde. Genauer geht es um die unglaubliche Entwicklung jener Bewegung, die er – wahrscheinlich sogar ungeplant – ins Leben gerufen hat.
Diese beiden fixen Größen brauchen wir gleich am Anfang unserer Spurensuche, damit wir über das Mittelmeer und den lieben Gott weiterreden können. Denn die Götter der Philister, der Moabiter, der Edomiten, der Ägypter, der alten Griechen, der Römer und all die anderen, die sind längst tot und vergessen, wie auch die Völker, die sie verehrt haben. Sie sind einfach verschwunden, vergessen, wiedergefunden nur auf den verstaubten Seiten alter Schriften und bei Ausgrabungen im Sand. Im krassen Gegensatz zu ihnen sind die oben angegebenen zwei Entitäten hingegen mehr als quicklebendig. Auf der Landkarte finden wir einen politischen Staat Israel. Und die Person Jesu steht im Mittelpunkt der größten Religionsgruppe der Welt. Juden und Christen haben uns gemeinsam ein Buch hinterlassen, das wir Bibel nennen. Sie ist der absolute Weltbestseller aller Zeiten – es wird wohl auch künftig kaum etwas geben, was an diese Schriftensammlung herankommen könnte. Damit haben wir bereits die wichtigsten Zutaten genannt, aus denen sich die meisten anderen Themen unseres Buches ableiten.
Beginnen wir mit dem Judentum. Dem Alten Testament nach könnten wir die Geschichte der Juden in wenigen Sätzen folgendermaßen zusammenfassen: Vor knapp 2.000 Jahren vor unserer Zeitrechnung sprach (der einzige und wahre) Gott einen Mann in der mesopotamischen Stadt Ur an, weil der bemerkt hatte, dass die Götterbilder seiner Mitbürger bloß Holzfiguren waren. Wie konnte er so etwas anbeten? Diesem Mann, Abram hieß er, offenbarte sich der einzig wirkliche Gott. Es gäbe da ein fernes Land, dass er, Gott, ihm geben möchte. Sein Same (Nachkommen) soll sehr zahlreich werden, und sich zu vielen Völkern entwickeln. Dasselbe wird auch Abrahams Sohn Isaak verheißen, und ebenso dessen Sohn, Abrahams Enkel, Jakob. Dieser erhält im weiteren Verlauf der Geschichte einen neuen Namen, Israel, der übersetzt in etwa „Gott streitet (für uns)“ bedeutet.
Welchen Weg wir auch im Leben einschlagen, es sollte ein Weg des Friedens sein. Das ist die Botschaft dieser Straße in Tel Aviv in Hebräisch, Arabisch und in lateinischen Buchstaben shalom aleichem ist die bekannteste Begrüßung der jüdisch und arabisch geprägten Region, die in diesem Buch behandelt wird. Friede sei mit dir. Die passende Antwort ist aleichem shalom – Zu dir Frieden. Die arabische Version der Begrüßung lautet salam aleikum. Die eigentliche Botschaft dieses Buches. Die Ähnlichkeit zwischen den drei Religionen ist beträchtlich, weil sie von der Abstammung her eine Religionsfamilie bilden – die abrahamitische oder abrahamsche. Zu ihr zählt mehr als die Hälfte der Menschheit. Es sind monotheistische Religionen mit einer einzigen gemeinsamen Wurzel. Zwischen shalom aleichem und salam aleikum ist kein großer Unterschied. Rationale Aufklärung soll intolerante und irrationale religiöse Standpunkte minimieren. Im Koran finden wir unzählige Parallelen sowohl zum Neuen Testament als auch zur hebräischen Bibel. Die größte Nähe freilich besteht zwischen Juden- und Christentum, denn der Tanach – die Heilige Schrift der Juden – ist gleichzeitig das Alte Testament der Christen. Die wesentlichen handelnden Personen aller drei Religionen sind für die ersten Jahrtausende der Geschichte identisch, beginnend mit Adam und Eva über Stammvater Noah (Sintfluterzählung), Abraham (der Urvater aller Gläubigen der drei Religionen), David (im Koran Dawud) und Salomon (Suleiman „… der Friede sei mit ihm, er war ein König der Kinder Israels und ein Prophet des Islam“) bis zu Maria, der Mutter Jesu und Jesus selbst. Ja, es bestehen beträchtliche Ähnlichkeiten zwischen den Religionen und auch manche Unterschiede, die wir nicht unter den Teppich kehren wollen. Die substanzielle Ähnlichkeit, die gemeinsamen Wurzeln bieten aber eine wunderbare Gelegenheit zum Dialog. Es wäre ein Verlust, den spirituell-kulturellen Schatz der unterschiedlichen Überlieferungen der drei Wege zu verlieren, was niemand möchte, dennoch wäre es töricht, ihren gemeinsamen Ursprung und den einen einzigen gemeinsamen Gott, der sie verbindet, zu leugnen.
Jakob oder Israel bekam zwölf legitime Söhne. Das sind die Stammväter der zwölf Stämme Israels: Ruben, Simeon, Levi, Juda, Dan, Naftali, Gad, Ascher, Issachar, Sebulon, Josef und Benjamin. Durch verschiedene Umstände gelangte einer von ihnen, Joseph, nach Ägypten, was sich als Segen erweisen sollte: Dort gab es – dank dem Nil – genug Nahrung, und die ganze Familie Jakobs konnte später dort hinreisen und so eine Hungersnot überstehen. In Ägypten wurden die Nachfahren Jakobs (Israels) zu einem mächtigen Volk, dem Volk Israel, das am Ende beinahe drei Millionen Menschen zählte. Der ägyptische Pharao unterjochte aber das künftige Volk Gottes. Da stand Moses auf, führte sein Volk aus der Sklaverei heraus und 40 Jahre lang durch die Wüste (Halbinsel Sinai). Als sie das Land Kanaan erreichten, das Gott ihrem Urvater Abraham 400 Jahre davor versprochen hatte, eroberten sie es unter Josuas Führung und rotteten dabei auf ausdrücklichen Befehl Gottes große Teile der ursprünglichen kanaanäischen Bevölkerung aus.
Etwa weitere 400 Jahre später formierte sich ein Königreich, zuerst unter König Saul, dann unter dem berühmten David, welcher den berüchtigten Riesen der Philister, Goliath, mit einem Stein aus einer Schleuder niederstreckte, und schließlich unter seinem ebenso berühmten Sohn, dem weisen König Salomo mit seinen 700 Ehefrauen und 300 weiteren Konkubinen. Die Hauptstadt Israels, Jerusalem, stieg zu nie dagewesenem Ruhm auf, mit einem prächtigen Tempel, den der weise Salomo erbauen ließ.
Das Allerheiligste im Jerusalemer Tempel durfte nur zu Jom Kippur (Versöhnungstag) einmal im Jahr vom Hohepriester betreten werden. Für alle anderen war der Raum unzugänglich. Man glaubte, dass Gott im Allerheiligsten in besonderer Weise präsent sei. Neben der geheimnisumwitterten Bundeslade fand sich darin der Siebenarmige Leuchter (Menora) als eines der wichtigsten Kultobjekte des Judentums. Als die Römer 70 n. Chr. den Tempel zerstörten, wurde das Tempelinventar, darunter die Menora, von Soldaten erbeutet und vom späteren Kaiser Titus beim Triumphzug in Rom präsentiert. Genau diese Szene zeigt ein Relief des berühmten Titusbogens.
Und so könnten wir noch lange weiter erzählen. Im Wesentlichen gibt es für diese Anfänge des Volkes Israel nur eine überlieferte Quelle: das Alte Testament, die hebräische Bibel. Diese wurde nicht etwa von Moses geschrieben, von dem man nicht weiß, ob er existiert hat. Einzelquellen und mündliche Überlieferungen wurden ab ca. 1.000 v. Chr. und speziell im babylonischen Exil zusammengefasst.
Moderne Archäologen und Historiker haben mit der ganzen Geschichte seit Jahrzehnten ein Problem. Sie vermuten, dass es die geschilderten Ereignisse und die entsprechenden Akteure – wie eben Moses – gar nicht gegeben hat. Die geschilderten Erzählungen seien Mythen, Legenden also. Historisch und archäologisch lassen sich diese Narrative in vielen Fällen nicht fassen. Kaum realistisch ist die Vorstellung, dass drei Millionen Menschen 40 Jahre durch die Wüste zogen und dort ausreichend Wasser und Nahrung fanden. Die Halbinsel Sinai ist auch nicht so groß, dass man vierzig Jahre bräuchte, um sie zu Fuß zu durchqueren. Dass es ungefähr um das Jahr 1000 v. Chr. ein ruhmreiches, vereinigtes israelisches Königreich mit der Hauptstadt Jerusalem und einem prächtigen Tempel gegeben haben soll, lässt sich aus archäologischen...