E-Book, Deutsch, 134 Seiten
Hoffmann Schwester Monika erzählt und erfährt
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95885-160-3
Verlag: Venusbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 134 Seiten
ISBN: 978-3-95885-160-3
Verlag: Venusbooks
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Kopierschutz: 0 - No protection
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II. Abschnitt
Ich habe Euch unsere Ankunft in Teschen erzählt; hört nun weiter!
Wir fuhren bei unserer Tante vor. Ich hatte diese Tante noch nicht gesehen; sie hatte so etwas Strenges im Gesicht, daß sie gegen das immer freundliche Antlitz meiner Mutter aussah, wie drei Tage Regenwetter nach einer schönen Frühlingssonne von vier Wochen.
Ei, schon so groß, so hübsch gewachsen! ma niêce! — fing sie gegen mich an.
O ja! gewachsen ist sie, fiel meine Mutter ein, aber — hier sagte sie Tante etwas ins Ohr — die Kenntnis ihrer Natur erstreckt sich schon bis an die Wendezirkel, und da — ihr Herr Zuchtmeister — hat schon Physik mit ihr studiert.
Est-il possible! schrie Tante und legte ihre Hände ineinander.
Gervasius wurde feuerrot, ich schlug die Augen nieder, errötete gleichfalls, und Linchen spielte an ihrer Busenschleife.
Ich wünschte, Schwester — fing meine Mutter an, nachdem sie sich an der Verlegenheit von uns dreien geweidet hatte — dich allein zu sprechen. Willst du nicht so gut sein, diesem Herrn da und meinem Mädchen ihre Zimmer anzuweisen, ich werde diesmal etwas lange bei dir hausen und vieles Geld bei dir lassen.
Sogleich, Schwester, sollst du bedient werden, versetzte jene, schellte gab dem eintretenden Bedienten ihre Befehle, und Gervasius und Linchen verließen mit ihm das Zimmer.
Stell dir vor, Schwester! fing jetzt meine Mutter an, mein Malchen glaubt steif und fest, aus lauter Lust zusammengesetzt zu sein, und die wenigen Begriffe, die ich ihr vom Schmerz; gegeben habe, haben durchaus keine bleibenden Eindrücke je noch auf ihr zurückgelassen. —
Ei, Ei, mon enfant! versetzte Tante, das ist nicht gut! In der Welt wohnt die Lust auf dem Dache bei den Sperlingen, die fliegen davon, wenn es ihnen zu wohl ist; aber der Schmerz liegt wie ein Kettenhund im Hof und muß beständig entweder beißen oder bellen.
Ich will Malchen hier lassen, fuhr meine Mutter fort, weißt du nicht in der Nähe ein Institut für Mädchen ihrer Art, so eines, wo die Lust Ferien hat, und die Unlust den Tag und die Nacht herumtreibt?
Hm, Schwester! wir tun sie zu Madame Chaudelüze, dort lernt sie alles, was verdrießlich macht, und hat dabei nicht einmal Muße, sich darüber zu beklagen.
Wie ich die beiden so reden hörte, wurde mirs angst und wehe, ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten.
Ei, wer wird weinen, mon enfant! tröstete die Base, hast du nicht gelesen, was der Apostel Paulus alles gelitten hat, und das war doch ein Heiliger, und du bist eine unzeitige Geburt schnöder Lüste? — Ma Soeur.
Wenn du willst, so wollen wir die Kleine gleich fortschaffen?
Ich fiel bei diesen gewitterschwangeren Worten meiner Mutter zu Füßen; aber da war keine Barmherzigkeit, so wenig als auf dem Gesicht der Tante zu finden.
Ich bin es zufrieden, Jettchen, erwiderte die Mutter und befahl mir aufzustehen.
Weinend gehorchte ich, und die beiden satanischen Weiber nahmen mich zwischen sich und schleppten mich zum Wagen, der noch vor der Tür stand, und nun fuhren wir wieder zu der Stadt hinaus nach einem kleinen Landgute zu, das meine Tante der Mutter in einer ziemlichen Entfernung von Teschens Weichbild zeigte, und dessen edle Simplizität, als wir näher kamen, mich sehr eingenommen haben würde, wenn die Verfassung, in der ich gleichsam aufgelöst, wie ein Embryon in Branntwein mich befand, mir erlaubt hätte, mehr als einen Blick auf die mich umgebenden Gegenstände zu werfen.
Eine große, schöne Frau empfing uns, als wir vorgefahren waren, an der Haustür und führte uns nach einigen gegenseitigen Begrüßungen in einen Salon, wo ein halbes Dutzend junger Mädchen sich mit Sticken und Zeichnen beschäftigten.
Madame Chaudelüze! fing meine Mutter auf französisch an, und Tante lispelte der schalkhaft lächelnden Eros-Philantropinistin etwas zu:
Hier, — meine Tochter wünscht etwas zu lernen, vorher aber den Schmerz zu kennen, der, wie sie nicht glauben kann, unsern Leib eigentlich mehr regiert, als ein Pelzhandschuh den Frost.
Madame Chaudelüze lächelte und sah mich an; ich schlug die Augen nieder und weinte.
Ja, Madame, sagte meine Tante, wir wünschten, daß das in unserm Beisein, und zwar jetzt gleich geschehen könnte.
Madame Chaudelüze lächelte, ging zu einem der Mädchen, nahm eine Schere und winkte mir zu sich.
Zitternd ging ich zu ihr. Meine Mutter und Tante hatten sich gesetzt. Madame Chaudelüze hielt mich zwischen ihren Knieen fest, zog mir den Kopf auf die Seite und sagte: Kind! ich will dir jetzt deine Nase abschneiden.
Barmherziger Gott! schrie ich, riß mich mit Gewalt los und fiel halb ohnmächtig zur Erde.
Schäme dich, Malchen! rief meine Mutter zürnend, dein ganzer Körper ist Schmerz, und du willst den kleinen einer abgeschnittenen Nase nicht ertragen?
Madame Chaudelüze hob mich von der Erde auf und stellte mich mit Gewalt zwischen ihre Kniee.
Hast du noch nie, fragte sie mich, die Geschichte von jenem Frauenzimmer gehört oder gelesen, welches, als sie alle die Uebel erfuhr, die ihre Schönheit unter dem männlichen und weiblichen Geschlecht angerichtet hatte, sich selbst das Angesicht zerschnitt und verstümmelte? Nichts von jenem Jüngling, den ein geiles Mädchen mit Gewalt zur Wollust reizen wollte, und der sich lieber die Zunge abbiß, als ihren Willen tat?
Ja, Kind! ich kann dir sagen, redete meine Mutter hinein, ich bin eifersüchtig auf dein schönes Näschen, und also fordere ich einen Beweis deiner Liebe zu mir.
Mutter! schrie ich, die Hände nach ihr aufhebend, ich bitte Sie um Gottes Willen! der mich doch auch ohne ihr Zutun hätte bilden können, martern Sie mich nicht mit einem so grausamen Scherz.
Malchen! schrie meine Tante und steckte ihre beiden Nasenlöcher voll Schnupftabak, es ist der Mutter völligster Ernst. —
Aber nun fing alles an zu lachen, und eine der jungen Elevinnen, ein Fräulein von Grollenhain, schlug ein so schallendes Gelächter auf, daß uns allen die Ohren gellten.
Ich sehe wohl, fuhr Frau Chaudelüze fort, mit dem Nasenabschneiden ists nichts, und die Ohren schneidet man nur den Dieben ab, die Augen sticht man nur den Vaterlandsverrätern aus, und siedend Blei gießt man nur einem Crassus{i} und allen Geizigen in die gierigen Rachen. Deine fünf Sinne wären also nicht unmittelbar zur Erkenntnis des Schmerzes anzuwenden. Ich will sehen, ob das nicht auf eine weniger kostspielige Art und Weise und doch zur Versöhnung der Mutter mit deiner Schönheit geschehen kann. Eregine, holen Sie mir hier im Kabinett das silberne Becken, die Lanzette nebst der Aderlaßbinde, die auf meinem Toilettentisch stehen.
Eregine, eine schlanke, milchweiße Gestalt mit rabenschwarzen Haaren und einem Busen wie Hebe, der halb entblößt hinter der Hülle hervorzitterte, schwebte ins Kabinett und kam sogleich mit dem Verlangten zurück. Ich stand da wie Butter an der Sonne, zerfloß in Tränen und zitterte wie Espenlaub. Jetzt winkte Madame Chaudelüze Rosalien, der gewaltigen Lacherin, und zweien anderen. Alle drei stellten sich vor sie hin; jetzt stand Madame. Chaudelüze plötzlich auf, schob mich auf die Seite und sagte zu Rosalie in strengem und gebietendem Tone: Rosalie! Sie müssen sterben. Rosalie, welche die Launen ihrer Lehrerin wohl besser verstehen mochte als ich, versetzte: Mutter! wenn Ihnen mein Tod nützen kann, so nehmen Sie mein Leben hin.
Was nützen! versetzte die Strenge, Sie sind in meiner Gewalt, mir übergeben auf Tod und Leben, und Sie müssen sterben; fassen Sie sie an! fuhr sie zu den beiden neben Rosalie stehenden Schwestern fort, faßt an! Sie umschlangen sie mit ihren rechten Händen, und — hier nahm Madame Chaudelüze ihnen die Busentücher weg — und der ersten, die jetzt Rosalie in ihren letzten Augenblicken verläßt, stoße ich diesen Dolch in die Brust.
Die Mädchen erblaßten vor dem Ernst der gestrengen Zuchtmeisterin, gehorchten aber und drückten die schon außer sich gesetzte Rosalie so fest zusammen, daß an ihr nichts beweglich blieb, als ihre Lenden und Füße.
Hebt ihr die Kleidung auf bis an den Nabel, befahl Madame Chaudelüze weiter.
Sie zauderten.
Geschwind! oder — hier streifte ihr Dolch auf einer Brust.
Schnell waren Rosalies Kleider bis auf den Nabel in die Höhe gehoben und festgehalten unterm Busen.
Nun kommen Sie, meine Damen! sagte Madame Chaudelüze zur Mutter und Tante, und sehen Sie, wie ich Unartigkeit bestrafe.
Mutter und Tante standen auf und stellten mich in ihre Mitte. Chaudelüze nahm das Becken und die Lanzette und winkte mich zu sich. Nehmen Sie, Kind! dieses Becken und halten es fest hierher. Rosalie, tun Sie ihre Lenden voneinander. Sie brauchen sich ihrer Schönheit nicht zu schämen; schämen Sie sich ihrer Ungesittetheit, wenn Sie können.
Rosalie öffnete ihre zitternden Lenden, und die ganze Versammlung, Chaudelüze ausgenommen, schrie: Ach Gott! wie schön! und sterben! Ach Gott! Ach Gott!
Jetzt mußte ich das Becken unter Rosalies Scham halten, die Chaudelüze nahm die Lanzette — ein einziger Schlag, dicht über den Rosenlippen, auf dem noch wenig beschatteten Venusberge, und — Rosalies purpurrotes Blut floß. Die Rosen ihrer Wangen erloschen nach und nach, und der Schrecken mehr, als daß sie ihr Blut fließen sah, (was denn auch wirklich...




