Hoffmann Als wenn es gar nichts wär
12001. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8437-0314-7
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Aus meinem Leben
E-Book, Deutsch, 368 Seiten
Reihe: Ullstein eBooks
ISBN: 978-3-8437-0314-7
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Klaus Hoffmann wurde am 26. März 1951 in Berlin geboren. Für seine Arbeit als Schauspieler wurde er mit dem Bambi und der Goldenen Kamera ausgezeichnet. Hoffmann ist verheiratet und lebt in Berlin.
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stille-music
Die neue CD »Das süße Leben« ist gestern auf Platz 34 in die Gesamtcharts eingestiegen. Wir haben es im Büro der stille-music am Kurfürstendamm gefeiert, nur Malene, Natalie und ich. Natalie Liverakos, die unsere stille-music verwaltet, könnte meine Tochter sein. Wir fieberten den Zahlen nach. Sie schreckte uns mit dem Chartseinstieg auf. Sie jaulte wie ein Hund, und ich verlor die erste Wette. Ich bin überglücklich und stolz auf das Ergebnis, aber auch vorsichtig. Immerhin ist es die 37. CD, die ich in die Welt hinausgebracht habe.
Das Telefon steht nicht mehr still. Heute früh rief Udo Lange an, den ich gestern Nacht wegen des Chartseinstiegs angesimst hatte. Ich kenne Udo, er ist scheu, will nicht nerven. Weiß um das Fieber, das sich einstellt, wenn eine CD in die Öffentlichkeit geht. Er hatte sich schon vor Tagen bei mir für das Booklet bedankt, das zu Pfingsten in Kladow entstanden war.
Malene hatte die Innenfotos geschossen, auf geblümter Wiese und mit weitem Blick. Ein gedeckter Tisch für die Band und dazu ein paar Stühle. Immer wieder Stühle. Die Pusteblumen hatten uns wie Hochzeitsgäste zur Wiesenernte begrüßt. Es war ein wunderbarer Frühlingstag, wie gemacht für »Das süße Leben«.
Und das fand Udo Lange heute früh am Telefon noch einmal ganz fabelhaft, und ich möge Malene dafür grüßen.
Ich mag Udo. Ich habe ihn immer gemocht. Nach Georg Baum, meinem ersten Vater und Mentor, der mich 1974 zur RCA Hamburg gelockt hatte, war es Udo Lange, der Direktor des Independentlabels Virgin in München, der meine Lieder mit in die Öffentlichkeit trug.
Richard Branson, der Ballonfahrer, hatte die Virgin München von Großbritannien aus lanciert, und Ende der Siebziger wurde sie von Udo und ein paar ambitionierten jungen Frauen offiziell gegründet. Sie mieteten eine Wohnung in Schwabing, kauften ein paar Ikea-Tische und -Stühle, stellten ein Team zusammen und begannen Musikgeschichte zu schreiben. Zumindest, was Deutschland betraf. Denn der Weltmarkt war den großen Firmen wie Warner, Polydor und EMI überlassen.
Als Georg Baum die RCA verlassen musste, da wackelte die Branche schon. Er ging aufrecht, in seinem Holzfällerhemd, und begann neu. Er gründete den berühmten Hamburger Plattenladen am Neuen Wall und verkaufte Platten, so wie er es immer gemacht hatte.
Ein Jahr später, 1985, flog ich bei der RCA Hamburg raus. Michael Anders, ein schmaler, freundlicher, immer gutgekleideter, mit allen Wassern gewaschener Plattenchef, der Georg ersetzte, versuchte noch, die Verkäufe hochzuziehen. Scheiterte dann aber auch an dem kommerziellen Druck und der Konkurrenz der anderen Firmen. Es kam zu viel aus Amerika, und es war zu wenig Eigenes aus deutschen Landen da. Michael konnte nicht mehr mithalten. Der Tag, an dem ich mit ihm in meinem ersten Lieblingsauto, einem zwölfzylindrigen Jaguar in British Green, saß, und er sagte:
»Geh einen anderen Weg, Klaus! Ich kann dir den Vertrag nicht verlängern. Du verkaufst zu wenig.«
Da kamen mir wirklich die Tränen.
»Versuch’s doch, du kannst bestimmt was drehen. Mach es wie Georg!«
»Es geht nicht. Ich schmeiß auch bald hin.«
Er hatte es versucht. Immer wieder hatten mir Männer geholfen, meine Eigenart zu bewahren. Ob Georg Baum, Michael Anders oder auch der verrückte Leon Dean, der die beiden Baccara-Mädels aus Spanien nach Deutschland holte, die dann einen Hit mit meinem damaligen Arrangeur Rolf Soja landeten. Das Lied hieß »Yes Sir, I Can Boogie«, und Rolf hatte es in einer Viertelstunde auf dem Klo geschrieben. Keiner konnte mich davor schützen, wieder in diese andere Welt hinauszupurzeln, ohne die väterliche Hand.
Michael hat die RCA noch eine Weile geführt damals, mehr schlecht als recht. Dann übernahm Eckhart Gundel, ein cleverer Plattenmann, der sich auf Filmmusik spezialisierte. Ich traf ihn erst auf der Beerdigung von Georg, in der schönen lichtdurchfluteten Kirche im hohen Norden, die Georg so liebte, und danach immer wieder in Hamburg, meiner Stadt fürs große Fenster.
Michael Anders starb viel zu früh. Wie Vater. Wie Georg. Sie starben alle zu früh und hinterließen gerade noch ihren Fingerabdruck. Verrückte, verkehrte Welt.
»Du musst wissen, was du willst. Schlager oder Rock.«
Hatte Michael noch gesagt, dann fuhr ich ihn zum Flieger. Es war das letzte Mal, dass ich einen dermaßen freundlichen Rat von einem Geschäftsmann bekam. Ich habe ihn nicht befolgt, habe meine eigenen Lieder vorgezogen, eigenartig, deutsch. Etwas ängstlich und eben allein.
Nachdem mich kein großes Plattenlabel mehr wollte, irrte ich eine Zeitlang umher, bis ich in einer Musikzeitschrift von dem Ballonfahrer Branson und seinen verrückten Ideen las und mich wagemutig bei dem damaligen Independentlabel Virgin München bewarb. Ich folgte einfach der Eingebung, dass die Typen dort offen für Sänger wie mich wären.
An einem Frühlingsmorgen saß ich in einem kleinen Büro vor Michael Beck, dem zweiten Mann der Virgin, einem Großstadtindianer mit langen Haaren und kleinem Bauch, der mit mir durch mein Leben ging und echtes Interesse an meinen Liedern zeigte. Es war ihm egal, wie viele Platten ich nach dem RCA-Rausschmiss verkauft hatte.
»Was ist das Credo der Virgin?«
Mir fiel nichts Gescheites ein.
»Nichts ist unmöglich!«
Beck strich sich über die schulterlangen Haare, rückte sein Jackett zurecht und forderte mich auf, ihn auf einer Tour durch die Firma zu begleiten. Ich fühlte mich sofort zu Hause.
Udo Lange hatte es in den Achtzigern geschafft, mit ein paar ehrgeizigen Promotionfrauen aus diesem Label eine wirkliche Alternative zu den Majorfirmen zu machen. Innerhalb eines halben Jahres hatte er der Virgin enorme Umsätze beschert. Er hatte junge Bands wie Die Toten Hosen und nationale Künstler wie Nicki und Sandra gefördert und erfolgreich auf den Markt geschickt. Udo war ein eloquenter, gewitzter, durchtrainierter Kaufmann, der mich unterstützte und förderte, wie es Georg Baum in den Anfängen getan hatte, und der mein Floß werden sollte, nachdem Georg von den Amerikanern gefeuert worden war.
Ich habe mein Leben lang unwahrscheinliches Glück gehabt. Wo mir einer die Unterstützung entzog, tat sich etwas Neues für mich auf. Ich musste nur diese Zwischenzeit aushalten, was mir am schwersten fiel. In allen Übergängen erlebte ich mich zutiefst verunsichert, vaterlos und auf mich selbst zurückgeworfen. Die besten Lieder entstanden in dieser unsicheren Zeit.
»Was fang ich an in dieser Stadt?«
»Was bleibt?«
Schon als Kind fehlte mir dieses Grundvertrauen, um das ich Sänger wie Herbert Grönemeyer und Reinhard Mey beneidete. Ein Vatervertrauen, ein Selbstvertrauen, das mir bis heute fehlt. Ich musste es mühsam aufbauen und im Grunde wurde ich mir selbst später aus dieser Lücke heraus bewusst.
»Wenn dir etwas fehlt, musst du es dir selbst ersetzen.«
Sigi Schmidt-Joos, der berühmte und kluge Musikkritiker, der Erschaffer des Rock-Lexikons, der mich in Hamburg seit Ende der Siebziger erst streng, dann liebevoll begleiten sollte, hatte mir diesen Satz auf einer Autofahrt ins Ohr geraunt. Wir kamen aus Brandenburg und wollten nach Berlin, und er übergab mir feierlich diesen Zaubersatz. Es war eine legendäre Fahrt, nie hatte ich Sigi derart offen über sich selbst sprechen gehört. Später drehte ich ihn mir um: Wo nichts mehr geht, fängt alles an. Es war das alte Credo meiner Leute gewesen. Sigis Satz war besser, er funktioniert, wenn du selbst etwas tust und nicht auf Geschenke des Himmels wartest.
Ich wollte mir oft aus dem Wege gehen, um nicht neu beginnen zu müssen. Zum Glück gab es immer wieder Männer und Frauen in meinem Leben, die es besser wussten, die mich ein paar Meter an die Hand nahmen, und ich lief allein weiter. Vielleicht ist der Weg wahrhaftig das Ziel, wie sie in den Siebzigern sagten.
Denke ich an die erste Virgin-CD von 1987, die ich wie auf meiner ersten Platte nur mit meinem Namen versah – »Klaus Hoffmann« –, dann kommen mir dieselben Gefühle hoch: Ich war immer wieder der absolute Beginner.
Ich wollte klassisch sein, in meiner Musik und in jeglichem Ausdruck. So wie ich es bei den Franzosen und Hilde Knef gesehen hatte. Udo Lange ließ mich machen. Mein Gott war ich glücklich, völlig überwältigt von der Sicherheit und Gewissheit, bei der Virgin ein neues künstlerisches Zuhause gefunden zu haben. Endlich war da eine Company, die mich annahm, so wie ich war, mit Typen und Frauen, die mich und meine Musik wollten.
Wir saßen im Wohnraum unseres Hauses in Kladow, das Malene über eine Anzeige gefunden hatte, und Brigitte Dörner, meine Freundin aus den Anfangsjahren, weit vor der RCA, mit der ich unser eigenes Label stille-music aufgebaut hatte, ließ die Verträge kreisen. Udo hätte mich liebend gerne als zweiten Grönemeyer gesehen. Begriff aber schnell, dass ich eben kein Rock ’n’ Roller war. Ich kam, wie Herbert, vom europäischen Lied, ein Rocker war ich nie. Ich sah mich eher französisch im Ausdruck. Theatralisch zwar, aber liedhaft und nicht in rockigen Posen.
Herbert mochte wie ich das französische Chanson. Ich finde, seine ersten Lieder lehnen sich Charles Aznavour an, auch wenn er das Chanson später verließ. Als ausgebildeter Pianist und Theatermusiker hatte er bei Peter...