E-Book, Deutsch, 436 Seiten, Format (B × H): 148 mm x 210 mm, Gewicht: 321 g
Höppner / Piepenbrock Digitale Werbung und das Google Ökosystem
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8005-9462-7
Verlag: Fachmedien Recht und Wirtschaft in Deutscher Fachverlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 436 Seiten, Format (B × H): 148 mm x 210 mm, Gewicht: 321 g
Reihe: r&w/Fachmedien Recht und Wirtschaft
ISBN: 978-3-8005-9462-7
Verlag: Fachmedien Recht und Wirtschaft in Deutscher Fachverlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Werk erläutert das Ökosystem von Google im Kontext der Bedeutung und Funktionsweise digitaler Werbung: Es behandelt die Besonderheiten von Online-Werbung und die makro- und mikro-ökonomischen Prämissen, die sog. „Googlenomics“, die Google zum erfolgreichsten, mächtigsten, aber auch gefürchtetsten Medienunternehmen aller Zeiten werden ließ.
Zunächst werden die Technologie und Ökonomie digitaler Werbung geschildert. Anschließend werden die zentralen Google-Dienste vorgestellt und ihre Funktion im Gesamtsystem geschildert und gewürdigt. Der Schwerpunkt liegt dann in der Analyse der technischen, (verhaltens-)ökonomischen und rechtlichen Faktoren, die Googles Suchmaschine – als Herzstück des Ökosystems – für Wettbewerber unangreifbar und für Werbetreibende und Inhalte-Anbieter zum zentralen Flaschenhals im Internet für den Zugang zu Endkunden macht. Abschließend werden die bisherigen Rechtsstreitigkeiten zwischen Google und anderen Marktteilnehmern skizziert und ein Blick auf die Konsequenzen von Googles Daten- und Marktmacht für die zukünftige Regulierung des Unternehmens geworfen.
Zielgruppe
Juristen, Ökonomen, Kommunikations- und Sozialwissenschaftler
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
II. Black Box Google als faktischer Internetregulierer
Google ist eine Black Box – niemand kennt Google wirklich. Das ist kein Zufall, sondern Teil von Googles Unternehmensstrategie. Unter der Überschrift “Einführung in die Google Suche” räumt der offizielle Unternehmensblog ein: “For something that is used so often by so many people, surprisingly little is known about ranking at Google. This is entirely our fault, and it is by design. We are, to be honest, quite secretive about what we do”.9 Obwohl Google in Deutschland mehr Umsatz als jedes andere Medienunternehmen erwirtschaftet10, beteiligt sich der Konzern in keinem Joint-Industry-Committee, wie der Arbeitsgemeinschaft Onlineforschung (AGOF). Im Gegensatz zu anderen Onlinevermarktern meldet Google auch nicht seine Umsätze an den Marktforscher Nielsen. “Überall dort, wo Transparenz gefragt wäre, hält sich Google kategorisch zurück”.11 Google unterliegt auch keiner Form der sektorspezifischen Regulierung, die mehr Transparenz schaffen könnte. Trotz der vielfältigen wirtschaftlichen Interessenkonflikte, denen Google als gleichzeitiger Anbieter auf verschiedenen Marktseiten ausgesetzt ist12, greift für Google keine branchenspezifische Aufsicht. Das Vakuum einer Internetregulierung hat Google selbst gefüllt. Durch seine Richtlinien für Webmaster und Werbetreibende und als Betreiber des meistgenutzten mobilen Betriebssystems, des meistgenutzten App Stores sowie des meistgenutzten Browsers ist Google heute de facto der Internetregulierer.13 Googles Richtlinien geben vor, wie Publisher ihre Seiten, App-Entwickler ihre Apps und Videoanbieter ihre Videos zu gestalten haben und wie Werbekunden ihre Anzeigen designen müssen, um im Internet gefunden zu werden. Wer sich nicht an Googles Vorgaben hält, den straft Google durch Herabstufungen oder Delistungen (sog. Penalties) ab. Bis auf die begrenzte Hilfe, die die P2B-Verordnung14 schafft, gibt es keine institutionalisierten Beschwerdeverfahren. Google ist Gesetzgeber und Richter der Internetwirtschaft zugleich. Google greifbar zu machen, wird weiter dadurch erschwert, dass der Konzern zugleich einer der stärksten politischen Beeinflusser der Welt ist. Seit mehreren Jahren gibt Google mehr Geld für politisches Lobbying in der politischen Schaltstelle Brüssel aus als jedes andere Unternehmen der Welt, 2020 knapp EUR 5.8 Mio.15 Gemessen an “high-level” Meetings mit der Europäischen Kommission ist Google der zweithäufigste Darsteller in eigener Sache.16 Seit 2016 hat Google insgesamt mehr als USD 140 Millionen für politisches Lobbying ausgegeben und ist somit Vorreiter unter den Förderern aus der Internetindustrie.17 Googles Deutschland-Kampagne “Verteidige Dein Netz” zur Abwehr des Leistungsschutzrechts für Presseverleger im Jahr 2012 war da noch eine der transparentesten Initiativen. Google legt offen, ca. 140 Industrie- und andere Verbände in den USA sowie insgesamt über 500 Organisationen sowie staatliche und lokale politische Akteure, Parteien und Vereine finanziell zu unterstützen.18 Google ist aber auch “sehr stark in den politischen Strukturen Europas [...] verankert”.19 Tatsächlich “scheint Google in Deutschland mittlerweile mit zahlreichen Netzakteuren einträchtig zusammenzuarbeiten”20, was einige der Google-verherrlichenden Blog-Beiträge erklären mag. Besonders intensiv arbeitet Google auch an der Beeinflussung von Entscheidungsträgern, die sonst die Alarmglocken über Googles Verhalten läuten könnten.21 Dazu gehören nicht nur Behörden und Institutionen, sondern auch Wissenschaftler. Diese werden durch finanzielle Unterstützungen und dadurch beeinflusst, dass Google ihnen für Gefälligkeitsgutachten nur die Tatsachen offenbart, die Google in einem guten Licht erscheinen lassen. So legten nicht wenige für Google gefertigte juristische Beiträge unzutreffende Tatsachen zugrunde und/oder blendeten die entscheidenden Tatsachen aus, so dass die Beiträge zwangsläufig zu einer für Google günstigeren juristischen Wertung führten.22 2017 wurde bekannt, dass Google Millionen von US-Dollar an europäische und US-amerikanische Akademiker für Forschungszwecke gespendet hat, in der Hoffnung, die öffentliche Meinung und die von Entscheidungsträgern im Sinne des Konzerns zu beeinflussen. Zwischen 2005 und 2017 hat Google mindestens 329 Forschungsarbeiten im Bereich Public Policy unmittelbar oder mittelbar finanziert. Google erhoffte dadurch seine Geschäftsinteressen voranzutreiben und insbesondere regulatorische Vorhaben u.a. auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Die Autoren dieser Forschungsarbeiten haben hierfür Zahlungen von Google zwischen USD 5.000 und USD 400.000 erhalten. In zweidrittel aller Fälle wurde die Förderung nicht offengelegt.23 Häufig wurden zudem Arbeiten vor der Veröffentlichung zuerst mit Google besprochen und Änderungsvorschläge von Google eingeholt.24 Zusätzlich werden von Google in Europa mehrere universitäre Forschungsinstitute und Think Tanks finanziert. Einige wurden sogar maßgeblich von Google gegründet. Dazu gehören u.a. das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft25, ein gemeinsames Forschungsinstitut der Humboldt Universität zu Berlin, der Universität der Künste Berlin und des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung; das Digital Economy Lab an der Universität Warschau26 oder das Centre for European Policy Studies (CEPS) in Brüssel27. Bemerkenswert ist, dass diese Finanzierungen und Gründungen oftmals im Anschluss an öffentliche Kritik gegenüber Google oder Verfahrenseröffnungen durch Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden getätigt wurden.28 Diese Verschmelzung von Google und akademischen Institutionen hat zu zahlreichen wissenschaftlichen Beiträgen geführt, die die Interessen von Google widerspiegeln.29 In einigen Fällen hat sogar die Europäische Kommission Gutachten bei einer Google geförderten Institution in Auftrag gegeben30. Einen besonderen Erfolg in der Beeinflussung von Entscheidungsträgern konnte Google im Jahr 2013 in den USA verzeichnen. Nach einer 19-monatigen Untersuchung entschied sich das FTC-Board, entgegen der Empfehlungen seiner eigenen Anwälte, keine Kartellklage gegen Google einzureichen. Die Entscheidung basierte unter anderem auf falschen Annahmen der FTC-Ökonomen. Diese gaben an, Werbetreibende hätten neben suchbasierter Werbung auf Google noch viele Alternativen, wie Display-Werbung oder Offline-Werbung in Zeitungen oder Fernsehen. Dabei war schon damals klar, dass diese Formen der Werbung völlig verschiedenen Märkten zuzuordnen und auch nicht miteinander substituierbar sind. Dies hatte die FTC bereits 2007 festgestellt.31 Die FTC-Ökonomen kamen insgesamt zu dem Ergebnis, dass Google trotz 65 % Marktanteil keine Marktmacht in der Online-Werbung zukommt. Als Belege für ihre Behauptungen zitierten die FTC-Ökonomen eine Studie von Google selbst und zwei durch Google finanzierte wissenschaftliche Arbeiten.32 Die Google-Strategie, Forschung und Wissenschaft durch kommerzielle Zuwendungen zu beeinflussen, um dadurch Entscheidungsträger zu beeinflussen, ist somit bereits aufgegangen. Hier zeigt sich, dass Googles intensiver Lobbyismus die verschleiernden Wirkungen seiner gleichzeitigen Black Box-Strategie verstärkt. Die Wissenschaftler und die Öffentlichkeit erfahren über Google (fast) nur das, was Googles Lobbyisten ihnen preisgeben. Deren isolierte, vermeintliche Lichtstrahlen in die Black Box können aber von niemandem richtig überprüft werden. Darum werden Googles Angaben oft vorschnell als Fakten akzeptiert, ohne sie kritisch zu hinterfragen oder – mangels Transparenz – hinterfragen zu können. Die mangelnde Kenntnis des ganzen Bildes kann schnell zu unzutreffenden rechtlichen und politischen Würdigungen führen.33 Auch dieses Buch muss weitgehend mit den im Internet (über Google) zugänglich gemachten Daten auskommen, ohne das ganze Bild zu erlangen. Google legt zudem bei jeder Form von Kommunikation, intern sowie extern, akribisch Wert darauf, dass Mitarbeiter “sicher kommunizieren”. Für Google bedeutet sichere Kommunikation, dass “schlechte” Wörter wie Marktzutrittsschranken, Netzwerkeffekte, Marktanteil oder sogar Markt nicht verwendet und durch “gute”, nicht im Kontext des Wettbewerbsrechts definierte Wörter ersetzt werden müssen.34 Aber warum eigentlich die ganze Heimlichtuerei? Was hat Google zu verbergen? Vielleicht das wahre Ausmaß seiner Macht – von dem das nächste Kapitel handelt. 9 Vgl. Udi Manber, “Introduction to Google Search”, Google Official Blog, 20.5.2008, https://googleblog.blogspot.com/2008/05/introduction-to-google-search-quality.html.
10 Roland Karle, “Ranking: Deutschlands 25 größte Medienunternehmen”, kress, 15.7.2021, https://kress.de/news/detail/beitrag/147728-ranking-deutschlands-25-groesste-medienunternehmen.html.
11 Thomas Port, SevenOne-Medien Geschäftsführer, Werben & Verkaufen 24/2014, S. 40, 41.
12 z.B. als größter Anbieter einer Demand Side Platform (DSP) für Werbetreibende und gleichzeitig größter Anbieter einer Supply Side Platform (SSP) für Publisher, s. unten in C.IV.1.
13 Vgl. BKartA, Beschluss v. 30.12.2021, B7-61/21, Rn. 339ff.
14 Verordnung (EU) 2019/1150 vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten, OJ L 186/57, vgl. hierzu Busch,...