E-Book, Deutsch, 160 Seiten
Hochhuth McKinsey kommt Molières Tartuffe
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-423-40107-4
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zwei Theaterstücke
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
ISBN: 978-3-423-40107-4
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Rolf Hochhuth, geboren am l. April 1931 in Eschwege, gehört zu den engagiertesten deutschen Schriftstellern. Mit seiner Frage nach der moralischen Verantwortung politisch Handelnder löste er heftige Diskussionen, aber auch wichtige Veränderungen in der Bundesrepublik aus. Zu seinen bekanntesten Werken gehören: >Der Stellvertreter< (1963), >Soldaten< (1967), >Eine Liebe in Deutschland< (1978), >Juristen< (1979), >Alan Turing< (1987).
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ERSTER AKT
Mercedes kauft die Oerlikon-Waggonfabrik
»...unsere Demokratie, die an einem schweren Geburtsfehler leidet: sie bestimmt nur die staatliche, nicht auch die wirtschaftliche Ordnung. Demokratie impliziert Gleichheit der Rechte. Die Bürgerinnen und Bürger sind jedoch nur vor den staatlichen Gesetzen gleich, vor den ›Gesetzen einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung sind sie jedoch krass ungleich. Hier entscheidet nicht die Mehrheit, sondern das Eigentum. Deshalb war unsere bürgerliche Demokratie von allem Anfang an nur eine halbe. Und diese Hälfte schrumpft zusehends, je mehr die undemokratische Wirtschaft die demokratische Politik dominiert.«
»Stellen Sie sich vor, Coop und Migros würden fusionieren. Kein Mensch käme auf die Idee zu behaupten, damit entstünde mehr Wettbewerb, das Gegenteil träfe zu. Mit Fusionen werden Konkurrenten beseitigt. Hält der Trend an, wird der Kapitalismus am Schluss seine eigene Marktwirtschaft killen. Sie wird mangels frischer Wettbewerbsluft ersticken.
Am Fusionshochzeitstag lachten die United Banks Switzerland-Mächtigen, wo immer sie gefilmt oder fotografiert worden waren, ihre unbändige Freude ins Publikum. Dabei kostet die Fusion 13000Arbeitsplätze oder vielleicht noch mehr, davon 7000 in der Schweiz. Seither beschäftigt mich der Gedanke, weshalb die Herren sich nicht einmal bemühten, zumindest so etwas wie Betroffenheit zu mimen. Sind sie herz- und gefühllos? Das würden beide bestimmt bestreiten. Meine Erklärung: Das System zwingt sie zum Erfolg um jeden Preis – was immer Erfolg bedeuten mag.«
nen auch mehrere Statisten an dem Tisch (oder an den zwei Tischen) gezeigt werden, die links und rechts neben dem hier mittleren Tisch noch zu sehen sind... lesende Statisten oder auch ein schlafender, auch ein rauchender... vor allem zwei mit Kopfhörern, Musikkonsumenten. Ein Buch, selbstverständlich, lesen wenige, höchstens Zeitung... auch einer oder einige durch den Waggon Gehende, Frauen wie Männer.
HILDE, Wieso sollte es mich stören – rieche sogar gern Rauch im Haar meines Freundes...
KURT, Meine Schadenfreude war unzähmbar, daß die Grünen aus Landtagen rausgeflogen sind, nach ihrer Forderung, Benzin müsse das Doppelte kosten! Daß auch kleine Leute Auto fahren wollen, ja , ist diesen Ökofundis ein wildfremder Gedanke.
HILDE: Auch wirtschaftlich blöde: Schon vor dreißig Jahren lebte jeder sechste Deutsche von der Autoindustrie oder ihren Zulieferern.
KURT, Ein kolossaler Erfolg für Sie, Hilde, daß die Regierungshörigen in Karlsruhe gezwungen waren, Ihre Verfassungsklage überhaupt anzunehmen – Ihr persönlicher Sieg!
HILDE: Meine Argumente enthalten keinen Vorwurf; wie ein Lebewesen abstirbt, so die Verfassung: Die vor einem halben Jahrhundert das Grundgesetz schrieben, können in ihrer Angst vor einer neuen Diktatur eine überhaupt nicht im Blick gehabt haben, denn die Wirtschaft lag in Trümmern...
KURT, Jede Generation starrt kurzsichtig auf das, was auf den Nägeln brennt. Die 1948 dem Volk das Plebiszit verwehrten, fürchteten, Volksabstimmungen machten geneigt, Diktaturen zu errichten!
HILDE, Sie werden doch nicht geglaubt haben, die hätten das gemeint! Einige hatten doch persönlich fünfzehn Jahre früher dem Hitler sein Ermächtigungsgesetz beschert und setzten die Lüge in die Welt, das habe den Führer gemacht.
HILDE, So auch mit der Fünf-Prozent-Klausel: Nur Jaspers – ein Philosoph! hat rebelliert als , daß die Fünf-Prozent- Klausel nachträglich ins Grundgesetz reingemogelt wurde.
LAUTSPRECHER DES ICE: Verehrte Fahrgäste, wir erreichen in wenigen Minuten Offenburg. Dort haben Sie 11Uhr 58Anschluß an einen InterRegio nach Hausach, Hornberg, Triberg und Villingen, Bahnsteig drei.
KURT: Ja, der Jaspers. Gäb’s die Klausel nicht, wäre Ihre Partei längst im Bundestag! Dann könnten die Arbeitslosen mitreden, statt daß nur über sie geredet wird.
HILDE: Das Grundgesetz ist veraltet, weil es zwar regelt, daß wir allein vor dem Gesetz gleich sind. Nicht aber vor der Wirtschaft, die heute viel stärker im Griff hat. Alle dreißig Jahre sind Mächte obenauf. Wenn Don Carlos ausruft: ›Geben Sie freiheit!‹ war das todesmutig in Zeit. Zweihundert Jahre später müßte er rufen: Zähmt die Wirtschaft!
KURT, : Don Carlos hätte es aber schwerer als der frühere, weil die Mächte nicht mehr nur Kopf haben, wie damals der König von Spanien, heute ist die Macht: Banken und Konzerne – eine Hydra, der einzelne wehrloser.
HILDE: Meinte schon Voltaire: Er werde lieber von einem Löwen regiert als von zweihundert Ratten! Bin neugierig, wir haben nun als Finanzminister einen Sozi, wird der verhindern, daß weiterhin Mercedes null Gewinnsteuern zahlt?
KURT: »Verhindern«? – Erst der Sozi hat’s doch hat Mercedes erlaubt, weil die Chrysler kauften, Verlustvorträge bis zu 11Milliarden zu konstruieren! Noch Jahre keinen Pfennig Steuer zu zahlen, völlig pervers: Mercedes hat einen Milliardenkonzern , doch darf das verbuchen als – während jeder einzelne, der auch nur das Haus seiner Eltern erbt, dafür natürlich Steuern zahlt.
HILDE, : Der Witz, Sindelfingen einst die reichste Gemeinde, weil da neben Mercedes auch IBM noch sitzt, wurde zu einer , weil die zwei Giganten ihre Milliardengewinne nicht versteuern!
KURT, : Trifft auch auf Starnberg zu, die Gemeinde, in der die meisten Millionäre wohnen – weil die keine Steuern zahlen,...