Hochgatterer | Katzen, Körper, Krieg der Knöpfe | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Reihe: Deuticke im Zsolnay

Hochgatterer Katzen, Körper, Krieg der Knöpfe

Eine Poetik der Kindheit
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-552-06369-3
Verlag: Zsolnay, Paul
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Poetik der Kindheit

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Reihe: Deuticke im Zsolnay

ISBN: 978-3-552-06369-3
Verlag: Zsolnay, Paul
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Paulus Hochgatterer, Schriftsteller und Kinderpsychiater, über seine 'Poetik der Kindheit' - und die Notwendigkeit zu schreiben. Seit vielen Jahren teilt Hochgatterer seine Zeit zwischen seiner Tätigkeit in einem Krankenhaus in Österreich und seiner Arbeit als Schriftsteller. Aus diesen zwei Seiten seines Lebens entstehen ganz besondere Texte. In den hier erstmals gesammelten Texten über Literatur erzählt er, was ihn zum Schreiben treibt: die Lust am Verbotenen, die Identifikation mit seinen Klienten, die Freude am Abschweifen, die Zwiesprache mit seinen Katzen ... und die Erkenntnis, dass wir immer von uns selbst sprechen, wenn wir von den Dingen sprechen.

Paulus Hochgatterer, geboren 1961 in Amstetten/Niederösterreich, lebt als Schriftsteller und Kinderpsychiater in Wien. Er erhielt diverse Preise und Auszeichnungen, zuletzt den Österreichischen Kunstpreis 2010. Bei Deuticke erschienen: Über die Chirurgie (Roman, 1993, Neuauflage 2005), Die Nystensche Regel (Erzählungen, 1995), Wildwasser (Erzählung, 1997), Caretta caretta (Roman, 1999), über Raben (Roman, 2002), Eine kurze Geschichte vom Fliegenfischen (Erzählung, 2003), Die Süße des Lebens (Roman, 2006), Das Matratzenhaus (Roman, 2010), Katzen, Körper, Krieg der Knöpfe. Eine Poetik der Kindheit (2012) und Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war (Erzählung, 2017). 2019 erschien der Roman Fliege fort, fliege fort.
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Karl Wagner: Eine Einführung


Zufallen tut die Kellertür. — So ein Kärntner Sprichwort. So der Anfang der frühen Erzählung »Der Aufenthalt« von Paulus Hochgatterer aus dem Jahre 1990. Der Autor war damals also noch keine dreißig Jahre alt; das Studium der Psychologie und Medizin hatte der in Amstetten, Niederösterreich, Geborene längst schon abgeschlossen und lebte als Arzt und Schriftsteller in Wien.

Von Kellertüren wird noch zu reden sein. Im Sinne der Kärntner Redensart ist vorerst zu sagen, dass es auch kein Zufall ist, dass Paulus Hochgatterer heute hier ist. Der Zufall, dass wir uns kennen, ist natürlich auch keiner. Irgendwann ist es unvermeidlich, dass sich selbst in der Weltstadt Wien zwei, die lesen können und es auch tun, über den Weg laufen. In Wirklichkeit ist es dort so, wie ein anderer Autor einmal geschrieben hat, dass er in Wien die Hälfte seiner Leser persönlich kenne. Wie dem auch sein mag: Der Nicht-Zufall hat möglich gemacht, was längst fällig ist: Hochgatterer in Switzerland.

Mögen also die diesjährigen Poetikvorlesungen dazu beitragen, dass Paulus Hochgatterer auch in der Schweiz so bekannt wird, wie er anderswo schon ist, vor allem in Deutschland und in Österreich. Nicht dass er nicht auch schon hier gewesen wäre — aber merkwürdig, wie die Wege des Ruhmes und der Anerkennung nun mal sind, ist ihm hier bislang nicht jene Aufmerksamkeit geschenkt worden, die er verdient und die er — man denke nur an die vielen internationalen Preise, die er schon bekommen hat — anderswo schon genießt. Da Zürcher Poetikvorlesungen auch schon zum Nobelpreis geführt haben, scheint nichts unmöglich. In diesem Sinne möchte ich dich, lieber Paulus, herzlich zu diesen Poetikvorlesungen begrüßen und dir danken, dass du diese Strapaze auf dich genommen hast.

In seinem ersten Tagebuch schreibt Max Frisch 1948 — er ist noch keine vierzig Jahre alt — das Folgende: Die Ausübung eines doppelten Berufes, Schriftsteller und Architekt, ist natürlich nicht immer leicht, so manche segensreiche Wirkungen er haben mag. Es ist eine Frage nicht so sehr der Zeit, aber der Kraft. Segensreich empfinde ich das tägliche Arbeiten mit Männern, die nichts mit Literatur zu schaffen haben; hin und wieder wissen sie, dass ich dichte, aber nehmen es nicht übel, sofern die andere Arbeit in Ordnung ist. (MF, GW 2, S. 590) Seither sind mehr als sechzig Jahre vergangen und die schlichte Tatsache eines Doppelberufs in der Literatur ist wohl noch seltener und auch seltsamer geworden. Wir beide haben uns nie darüber unterhalten — aber allein bei der Durchsicht der Rezeptionsdokumente ist mir an der Wortwahl eine merkwürdige Unsicherheit aufgefallen, etwa die Rede von Hochgatterer, der in seinem »Brotberuf« Kinderpsychiater sei. Solche und ähnliche Formulierungen implizieren, dass der Nicht-Brotberuf etwas Sekundäres sei oder den Status der Liebhaberei oder Spielerei besitze. Kurzum: Auch wer an nichts mehr glaubt, glaubt an die Ausdifferenzierung und meint damit fortschrittlich zu sein. Und natürlich halte ich es auch für besser, dass nicht alle Kinderpsychiater dichten; das extrapoliere ich einfach aus der beträchtlichen Anzahl dichtender Germanisten. Umgekehrt ist auch daraus schon manches Schöne entstanden, etwa Reinhard Lettaus »Flucht vor Gästen«.

Es gilt wahrscheinlich aber auch dieses: Hochgatterer wird seinen dichtenden Kolleginnen und Kollegen immer dann verdächtig sein, wenn er ein Literaturstipendium — davon besitzt er einige — oder einen Literaturpreis — auch davon hat er nicht wenige vorzuweisen — erhalten hat. Es ist, trotz aller entgegengesetzter Rhetorik, eben nicht einfach, vielfältig zu sein. Und das gilt wohl nicht nur für die Außenwahrnehmung, sondern auch für die Selbstwahrnehmung und das Lebensgefühl des Autors.

Hochgatterers literarische Spezialität ist von seinem anderen Beruf auch nicht zu entkoppeln; das macht ihn bei den Germanisten verdächtig, weil die nicht nur auf Ausbeutung des Biografischen, im schlimmsten Fall aber sogar auf Ausbeutung des beruflichen Feldes zu Zwecken der Literatur schließen, naturgemäß bei gleichzeitiger Verabscheuung des »Biografismus«. Dem ist zu erwidern, dass Paulus Hochgatterer der Literatur der Gegenwart neue Terrains erschlossen hat und einer unberatenen Literatur ein Wissen über jugendliche Delinquenz, psychische Störungen und »Borderline«-Fälle vermittelt hat, das nicht hoch genug eingeschätzt werden kann und in jeder Hinsicht an die große Tradition der deutschen beziehungsweise österreichischen Literatur angeschlossen werden kann.

Als Kinderpsychiater ist ihm nichts Menschliches fremd, schon gar nicht die Freud’sche Beobachtung — auch wenn Hochgatterer über Psychoanalyse manch herben Spott vergossen hat —, dass wir an einem Tag mehrfach die Grenze zwischen Normalität und Wahnsinn überschreiten. Wer das an sich noch nie beobachtet hat, ist nach meiner Laienanalyse hochgradig gefährdet. Worauf ich hinauswill: Hochgatterers Texte zeichnen sich durch ein höchst differenziertes Beschreibungsrepertoire in Bereichen aus, wo aus Peinlichkeit geschwiegen wird, auch in der Literatur. Mit diesem Wissen, was Jugendliche umtreibt und was sie in die Verwahr-Anstalten der Gesellschaft bringt und wie der Alltag dort aussieht, hat sich Hochgatterer eine spezielle Domäne im Literaturbetrieb geschaffen. Das ist nicht nur ein Vorteil: Verbunden mit Marketing-Strategien wird daraus — etwa aus der Erzählung »Wildwasser« — ein Band in einer Serie von Jugendbüchern, andererseits ein »Roman« im Hauptprogramm — oder einer mit zusätzlichen Qualifikationen für den gestressten männlichen Leser (wie bei der »Kurzen Geschichte vom Fliegenfischen«). Es mag geschäftlich ein Coup sein, in der Jugendliteraturabteilung anzukommen: Allgemein konvertierbares symbolisches Kapital wird dort in aller Regel nicht erworben.

Einhellig wird gelobt, dass in seinen Texten die Not oder, um es mit einem alten Titel zu sagen: die »Krankheit der Jugend« (Ferdinand Bruckner) auf besondere Weise Prägnanz gewinnt. Es macht eine Raffinesse und zugleich eine Besonderheit nicht nur der österreichischen Literatur aus, wie Hochgatterer das Bewusstsein und die Probleme seiner vielen jugendlichen Protagonist/inn/en exponiert. Er ist ein Meister des Dialogs, eine Kunst, die im Unterschied zur britisch-amerikanischen Literatur speziell in der österreichischen schwer daniederliegt: Thomas Bernhard was here und hat ganze Arbeit verrichtet.

Paulus Hochgatterer ist insbesondere auch Spezialist für die diversen Codes, mit denen sich die Jungen ihre eigene Welt zu bauen suchen. Wer, wie ich, da nicht immer mitkommt, tut gut daran, die Schuld nicht beim Autor zu suchen, obwohl es natürlich auch nervt, dass er das alles weiß. Die je spezielle Musik, das Outfit, die Marken et cetera — Hochgatterers Prosa entwickelt eine nachgerade Stifter’sche Kompetenz, um diese Facetten der »Jugendkultur« sichtbar zu feiern. Obwohl Hochgatterer kein Adept der mittlerweile auch schon ziemlich alt aussehenden »metafiction« ist, also des ausgestellten Nachdenkens über Fiktion in der Fiktion: Seine Erzähler besitzen genügend Selbstironie, um sich selbst über die Schulter zu schauen, wie beispielsweise der Ich-Erzähler in der »Kurzen Geschichte vom Fliegenfischen«: Ich blicke mich noch einmal nach allen Seiten um, wie es sich für einen Abbildungsneurotiker ohne Kamera gehört: der Fluss, die Sträucher, die Felswand, die Reste der Sonne hoch oben in den Bergen. (S. 106)

Das Beispiel sollte auch zeigen, dass es in der Literatur viele Wege gibt, um zu bedeuten, dass man weiß, was man tut.

Nach dem Doppelberuf, nach der Hochgatterer’schen Qualität, die Welt der Jugendlichen zu exponieren und sie zugleich zu reflektieren, ohne steifleinen zu werden, wie man in Österreich sagen würde, möchte ich abschließend noch seinen letzten Roman »Das Matratzenhaus« erwähnen, der in seinem Werk mit den Hauptfiguren des Psychiaters Horn und des Polizisten Kovacs schon einen Vorläufer hat: »Die Süße des Lebens«.

Zusammen mit diesem gehört »Das Matratzenhaus« dem Genre des Kriminalromans an, ohne indessen alle Gattungsregeln panisch erfüllen zu wollen. Klugerweise weiß er jedenfalls deren Vorzüge bestens zu nützen, die da sind: Aktualität und Antizipation gesellschaftlicher Vorgänge. Wie »Die Süße des Lebens« exponiert der bislang letzte Roman gegenwärtige Durchschnittlichkeit und deren Montrosität am Beispiel der österreichischen Kleinstadt Furth am See, die nur auf den ersten Blick der heilen Postkartenwelt gleicht, auch wenn viel getan wird, die Haarrisse dieser Kommune hinter blitzend glatter Oberfläche und entsprechender Freizeitkultur zu verbergen. Der...


Hochgatterer, Paulus
Paulus Hochgatterer, geboren 1961 in Amstetten/Niederösterreich, lebt als Schriftsteller und Kinderpsychiater in Wien. Er erhielt diverse Preise und Auszeichnungen, zuletzt den Österreichischen Kunstpreis 2010. Bei Deuticke erschienen: Über die Chirurgie (Roman, 1993, Neuauflage 2005), Die Nystensche Regel (Erzählungen, 1995), Wildwasser (Erzählung, 1997), Caretta caretta (Roman, 1999), über Raben (Roman, 2002), Eine kurze Geschichte vom Fliegenfischen (Erzählung, 2003), Die Süße des Lebens (Roman, 2006), Das Matratzenhaus (Roman, 2010), Katzen, Körper, Krieg der Knöpfe. Eine Poetik der Kindheit (2012) und Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war (Erzählung, 2017). 2019 erschien der Roman Fliege fort, fliege fort.



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