E-Book, Deutsch, 204 Seiten
Hirschinger Sharing - bis auf die Unterhose
3. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7481-2522-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kaufen? Du bist doch nicht blöd!
E-Book, Deutsch, 204 Seiten
ISBN: 978-3-7481-2522-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kaufen Sie noch oder leben Sie schon? Wir haben uns so ans Kaufen und Besitzen gewöhnt, dass wir vergessen haben, wie beides die Ressourcen der Erde ruiniert, das Klima zerstört und das eigene Leben ersticken kann. In der Fülle der Besitztümer verschwindet der Mensch, das Klima und die Umwelt. Dabei könnten wir es so viel einfacher und besser haben: Dank Sharing. Für jedes Auto, das wir sharen, müssen 15 andere nicht gebaut werden, welche die Ressourcen der Welt verschwenden und das Klima vergiften. Und was fürs Auto gilt, gilt für (fast) jedes andere erdenkliche Produkt und Gut: Bohrmaschine, Rasenmäher, Grill, Hochzeitskleid, Sauna, Apfelbäume ... Bis auf die Unterwäsche könnten wir so gut wie alles sharen, was wir brauchen. Das heißt nicht, dass wir heute unseren Besitz verkaufen müssen, um morgen nur noch zu sharen. Es heißt: Mit jedem Gegenstand, den wir statt teuer zu kaufen künftig kostengünstig sharen, befreien wir uns von der Last des Besitzes, das Klima von Treibhausgasen und unsere Kinder von einer Zukunft auf einer geplünderten Erde. Rettet die Sharing Economy die Welt und unsere zeitweise viel zu egoistische Gesellschaft? Ja, wenn wir sharen.
Dr. Micha Hirschinger ist in einem beschaulichen 60-Seelen-Ort (damals zwei Wirtshäuser, ein Angelladen) unterhalb der höchsten Erhebung in der Fränkischen Alb aufgewachsen. Schon während seiner Promotion an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg stieß er auf das hoch interessante und hoch aktuelle Thema der Access-Based Consumption - praktisch das Grundlagenkonzept für Sharing. Danach war er drei Jahre als Unternehmensberater bei A.T. Kearney tätig und beriet Kunden in strategischen Fragestellungen rund um die Mobilität. Aktuell ist er bei einem renommierten Unternehmen der Automobilbranche in der Strategie-Abteilung als Projektleiter tätig. Manchmal challengen ihn Familie und Bekannte mit "Sachen, die man garantiert nicht sharen kann" - zum Beispiel die Heizung im Haus. Bisher hat er jede Wette gewonnen: Auch Heizungen kann man sharen. Früher hat er aktiv in der Liga Fußball gespielt. Heute konzentriert er sich mehr auf den Profi-Fußball - mit der Fernbedienung.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
„People don’t want to buy a
quarter-inch drill. They want a
quarter-inch hole.”
Theodore Levitt, Harvard
Business School-Legende Vorwort vom Teilen
Vor kurzem wollte ich ein Auto kaufen. In die engere Auswahl fielen einige Marken und Modelle der Mittelklasse, allesamt sehr attraktiv – es gibt keine hässlichen Neuwagen. Aber: Neuwagen? Der Wertverlust in den ersten drei Jahren ist schockierend: unglaubliche 50 Prozent. Und dann: Kann man heutzutage noch einen Diesel kaufen? Hat mein Vermieter überhaupt einen Stellplatz für mich? Was kost‘ mich das? Und die Versicherung: Voll- oder Teilkasko? Welche Ausstattung brauche ich eigentlich und worauf kann ich gut und gerne verzichten? Wie groß sollte der Kofferraum sein? Wieviel PS sollte der Motor haben? Was schluckt er auf 100 km? Wie vertrauenswürdig ist diesbezüglich die Hersteller-Angabe? Und was sagt mein umweltbewusstes persönliches Umfeld, wenn ich demnächst mit einem „Klimakiller“ vorgefahren komme? Bei so viel Geld für Anschaffung und Unterhalt eines Autos wollte ich sichergehen, dass ich es hinterher nicht bereue. Also zerbrach ich mir über Tage den Kopf. Manche machen das gerne. Ich nicht. Ein Auto ist ein nützlicher und ästhetisch ansprechender Gebrauchsgegenstand, aber sicher kein Anlass für tagelanges Grübeln. Ein Auto ist schließlich keine lebensentscheidende Frage. Es gibt Wichtigeres, über das man ernsthaft mal nachdenken sollte. Vor allem, wenn man das Ende bedenkt: Da ringt man sich unter Mühen endlich eine Entscheidung ab – und dann steht das Auto doch die meiste Zeit unbenutzt auf irgendwelchen Parkplätzen und verliert Wert. Deshalb kaufen insbesondere Großstädter, die über ein höheres Einkommen verfügen, heutzutage kaum mehr ein Auto. Nicht nur, weil sie keines brauchen. Sondern auch, weil man keine Parkplätze findet in den Innenstädten und oft noch nicht einmal in der eigenen Wohnsiedlung. Weil bei Innenstadt-Terminen die Parkplatzsuche oft mehr Zeit verschlingt als der eigentliche Termin (oder die Anfahrt). Weil man Großstadtluft mit dem Messer schneiden und giftmüllentsorgen kann. Und weil die Ressourcen der Erde schlicht nicht mehr reichen: Die Blechlawine der Neuwagen verschlingt die Rohstoffe der Erde in einem so irrwitzigen Tempo, dass unsere Kinder auf dem Trockenen sitzen und unsere Raffgier verfluchen werden. Schon bald wird die Menge der jährlich produzierten Neuwagen die 100-Millionen-Marke überschreiten: Das hält kein Planet aus. Man könnte auch sagen: „Kauf noch schnell ein Auto! Deine Kinder werden es weder können noch wollen!“ Dabei müsste niemand ein Auto kaufen. Es gibt schließlich Carsharing. Wenn einer ein Auto kauft, nutzt einer das Auto. Das heißt, er nutzt es ja nicht. Er fährt damit eine halbe bis eine Stunde zur Arbeit und wieder zurück und 22 oder 23 Stunden steht das Fahrzeug, das seinem Namen keine Ehre macht, nutzlos am Straßenrand oder in der Garage. Wenn jemand das Auto jedoch shart, nutzen dasselbe Auto viele Menschen und es ist im Idealfall ständig in Bewegung. Deshalb kann ein geshartes Auto, laut Umweltbundesamt, bis zu 15 gekaufte Autos ersetzen. 15 Autos weniger verstopfen die Innenstadt! Auf die Millionen herumfahrender Autos angewandt: Alle Staus der Welt wären mit einem Schlag abgeschafft! Wenn wir sharen statt kaufen würden. Denn mehr Sharing bedeutet auch weniger Stau. Eine Studie der Unternehmensberatung Deloitte zeigt, dass allein die USA jährlich 185 Millionen Dollar an Spritkosten und 2,2 Milliarden Dollar für im Stau verlorene Arbeitszeit sparen könnten, wenn mehr geshart würde. Das würde in den Städten auch fast eine Million Tonnen weniger CO2-Ausstoß bedeuten. Wenn wir sharen und nicht kaufen würden. Und nicht nur Autos. Wer sich in Verwandtschaft und Bekanntenkreis umhört, erfährt erstaunt, dass bereits jetzt schon fleißig geshart wird. Tante Gertrud zum Beispiel kauft das Spielzeug nicht, mit dem ihre beiden kleinen Nichten bei ihren sporadischen Besuchen spielen. Sie shart es via MeineSpielzeugkiste. de und bezahlt mit Spielzeugflatrate. Inzwischen haben ihre Schwester und die Mutter der Kleinen die Idee ebenfalls entdeckt: „Was wir jährlich für Spielzeug ausgeben, ist horrend! Dann spielen die beiden drei, vier Tage damit und dann liegt es in der Ecke. Sharen kostet mich keine 15 Euro im Monat! Und wir bekommen dafür ständig neues Spielzeug.“ Tante Gertruds Nichten sind vielleicht etwas extrem. Doch selbst Ernst Kick, Chef der Spielwarenmesse Nürnberg, weist darauf hin, dass ganze 40 Prozent aller verkauften Spielwaren lediglich eine Nutzungsdauer von nur eineinhalb Jahren haben. Das erklärt auch, warum ein „normaler“ westeuropäischer Haushalt geradezu in Spielzeug erstickt. Was schätzen Sie? Wieviel Spielzeuge nennt ein durchschnittliches westeuropäisches Kind sein eigen? Laut „The Telegraph“ besitzt ein normales britisches Kind 238 Spielzeuge. Mit Ihrer Schätzung lagen Sie eklatant darunter? Nicht nur Sie. Alle Erwachsenen unterschätzen den Spielzeug-Tsunami, der in Kinderzimmern tobt. Wir unterschätzen leider auch die Tsunami-Folgen, vor denen die Wissenschaft schon lange warnt. Das Fachblatt „Infant Behavior and Development“ zum Beispiel hat (2018) eine Studie veröffentlicht, die zeigt: Zu viel Spielzeug bremst die gesunde geistige Entwicklung des Kindes. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Je weniger Spielzeug ein Kind hat, desto besser kann es sich konzentrieren und desto kreativer wird es. Zu viel Spielzeug ist schlecht fürs Kind. Jährlich geben wir Deutschen, laut Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels (BVS), 3,1 Milliarden Euro für Spielzeug aus (2017). Bei 8,2 Millionen deutscher Paarhaushalte mit minderjährigen Kindern ergibt das Ausgaben pro Haushalt in Höhe von durchschnittlich 378 Euro. Im Jahr. Würde die Familie nicht kaufen, sondern sharen, könnte sie ihre lieben Kleinen für dieselbe Summe mehr als doppelt so lange mit Spielzeug versorgen: zwei Jahre und ein Monat. Man könnte daraus flott die Faustregel ableiten: Sharen ist doppelt so gut wie Kaufen. Und nicht nur beim Auto. Es gibt heute fast nichts mehr, was man nicht sharen könnte. Worauf tippen Sie? Zum Beispiel, ganz erstaunlich: Auch und gerade medizinische Geräte werden heutzutage geshart. Denn beispielsweise für minimalinvasive endoskopische Instrumente gilt in den meisten Krankenhäusern, was auch fürs Auto gilt: Grob die Hälfte der Zeit steht das Zeug ungenutzt herum, kostet Geld, aber spielt selbes nicht über seine Nutzung ein. Oder: Luxushandtaschen. Echt jetzt? Ja. Edle Teile von Luis Vuitton, Gucci, Chanel und anderen Luxusmarken bietet zum Beispiel „Rent the Runway“ gegen Nutzungsgebühren an, die sich jede Frau leisten kann. Weiters können Sie und ich heute schon sharen: Digital- Kameras, Drohnen, eine komplette Sauna und sogar Christbäume und das Hochzeitskleid. Es gilt heutzutage fast schon: Was man kaufen kann, kann man auch sharen, zum Beispiel Putzlappen. Kein Scherz. Seit 110 Jahren. So lange gibt es zum Beispiel die MEWA mit Sitz in Wiesbaden schon. Ärzte kaufen ihrem Team nicht die weißen Kittel, sie sharen sie bei der MEWA. 220 Außendienstler eines Herstellers für Hochdruckreiniger brauchen einheitliche Sakkos? Werden geshart, nicht gekauft. Außerdem Hygienekleidung für Bäcker, Reinraumanzüge fürs Labor … Seit über 100 Jahren? Sharing ist nicht neu. Sogar Erde kann man sharen. Der Sharing-Anbieter heißt sinnigerweise Shared Earth, kommt aus den USA, ist aber auch in Europa vertreten und bringt Hobbygärtner ohne Garten mit Gartenbesitzern zusammen, die einen Garten aber keine Lust haben, ihn zu pflegen. Aufs Sharing kam ich nicht erst beim anstehenden Autokauf, sondern während meines Promotionsstudiums, bei dem ich mich mit der Theorie der Access-Based Consumption auseinandersetzte. Diese Theorie ist, grob gesagt, das wissenschaftliche Grundgerüst für den Populärbegriff „Sharing“. Genauer: Es ist der Überbegriff für alle Spielarten dieser besonderen Form der Nutzung von Gütern, bei der kein Eigentumsrecht erworben wird, sondern ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht. Wörtlich übersetzt: zugangsbasierter Konsum. Mit meinem Geld kaufe ich das Auto oder Spielzeug nicht, sondern verschaffe mir vielmehr Zugang (Access) zu dessen Nutzung. Ich kaufe kein Auto oder Spielzeug, ich erwerbe vielmehr einen exklusiven Teil seiner Nutzungszeit. Der alte Spruch, dass niemand für ein Glas Milch gleich die ganze Kuh kauft, bekommt durch Sharing eine ganz neue Bedeutung … Mit meinen Co-AutorInnen habe ich damals zum Thema geforscht und (unter anderem im Journal „Thunderbird International Business Review“) über eine Abwandlung von Carsharing publiziert, die buchstäblich die Welt retten kann – leider erst nach einer Katastrophe. Wenn nämlich wieder ein Erdbeben, ein Tsunami, ein Wirbelsturm oder eine andere Naturkatastrophe zuschlägt, leiden viel zu viele Menschen nicht nur wegen der eigentlichen Katastrophe, sondern weil nach der Katastrophe die Hilfe nicht schnell genug zu ihnen gelangt:...