E-Book, Deutsch, 352 Seiten
Hird Ozeanopädie
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-99055-503-3
Verlag: TERRA MATER BOOKS
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
291 unglaubliche Geschichten vom Meer
E-Book, Deutsch, 352 Seiten
ISBN: 978-3-99055-503-3
Verlag: TERRA MATER BOOKS
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tom Hird, geb. 1984 in Halifax, Meeresbiologe, Taucher, Autor, Wissenschaftskommunikator, hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, seinen Lesern und seinem Fernsehpublikum die Natur unter dem Meeresspiegel nahezubringen. Seine Leidenschaft für Wildtiere und seine Erfahrungen in freier Wildbahn verarbeitet er unterhaltsam und gewitzt im Fernsehen in seiner Rolle als Starmoderator der BBC, in Glossen und Büchern. Wenn er nicht gerade unter Wasser ist, lebt er in London.
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Die Wege des Meeres
Wasser ist ein außergewöhnliches Molekül, und es ist eine Grundvoraussetzung für das Leben. Seit etwa 4,5 Billionen Jahren gibt es Wasser auf unserem Planeten. Obwohl bis heute noch nicht eindeutig geklärt werden konnte, warum sich auf der Erde so viel Wasser befindet, ist eins sicher: Wasser ist für die Transformation der Erde aus einem sphärischen Gestein in ein gedeihendes Eden verantwortlich. Wasser lässt Chemikalien wandern, löst Salze und Gase, stabilisiert Temperaturen, ermöglicht Auftrieb und Entlastung von den Effekten der Anziehungskraft. In diesem sehr aktiven Umfeld entstand das erste Leben – und die Evolution tat den Rest.
Auch wenn es theoretisch möglich wäre, dass sich alles Wasser auf dem Planeten vermischt, beeinflussen und behindern starke physikalische Kräfte und Gesetze seine Bewegung. Während einige Wasserdynamiken auf einer überdimensionalen Skala stehen und den gesamten Globus betreffen, sind andere klein und vorhersehbar; aber alle haben sehr spezifische Eigenschaften und wecken bestimmte Assoziationen, was sich darin spiegelt, wie die verschiedenen Gewässer bezeichnet werden. Die Ozeane, Meere und Kanäle, die von den Menschen im Laufe der Jahrhunderte entdeckt wurden, geben im Grunde künstliche Trennlinien wieder, ähnlich der Staatsgrenzen. Ein bisschen Wahrheit steckt aber doch dahinter. Obwohl die physikalischen, biologischen und chemischen Wechselwirkungen unseres blauen Planeten die Regeln für alles Leben im Wasser gesetzt haben, bedeutet das nicht, dass ein Wassermolekül von den Bahamas austauschbar wäre mit einem aus Bournemouth.
Es war keine leichte Aufgabe, die Meere zu kartografieren, und es stimmt tatsächlich, dass die großen Ozeane die letzte Grenze sind. Über das, was hinter dieser Grenze liegt, gibt es noch viel zu lernen. Was wir bereits wissen, ist, dass es eine unterschiedliche Umsetzung der grundlegenden physikalischen Gegebenheiten in den verschiedenen Ozeanen gab, wodurch erstaunlich diverse Umgebungen entstanden sind, an die sich das Leben angepasst hat und die es zu nutzen wusste. Der Südliche Ozean ist ein tosendes Wellen- und Windareal, es wartet mit den härtesten Seefahrtbedingungen des Planeten auf; gleichzeitig kommen hier einige der dichtesten Konzentrationen von Leben im Wasser vor. Im Gegensatz dazu sind die Wassermoleküle weiter nördlich, um den Äquator herum, still, und sie stagnieren in den kargen Weiten des Pazifiks: Die Wärme dieser Gewässer führt nicht automatisch zu einem gedeihenden Leben. Jeder Ozean hat seine eigenen Voraus setzungen, und manchmal stellt er seine Bewohner arg auf die Probe.
Zusammengefasst kann man sagen, dass das Leben auf unserem nassen Planeten nicht einfach ist. Die Regeln, nach denen es funktioniert, sind streng, können sich aber im Handumdrehen ändern. Sie sind fließend – in jeder Hinsicht. Nur die starken Lebensformen überleben, und selbst bei ihnen weiß man nicht, was passiert, wenn die Ozeane das Spiel erneut auf den Kopf stellen.
Es war einmal …
Als die Erde entstand, gab es noch keine Ozeane, sondern nur einen heißen Gesteinsball, der im Weltall kreiste. Das ganze Wasser, das heute auf dem Planeten vorkommt, befand sich in einem gasförmigen Zustand, aus dem sich unsere Atmosphäre entwickelt hat. Erst nachdem die Erde stark abgekühlt war, kondensierte der Wasserdampf zu Wolken, und Regen fiel in die Gesteinsvertiefungen herab. Geologen gehen davon aus, dass es einen jahrhundertelangen Regenguss gegeben haben könnte (was mich irgendwie an Yorkshire erinnert), als sich die Urozeane gefüllt haben.
Ab diesem Zeitpunkt in der Entwicklung des Planeten hat nicht das Wasser, sondern das Land die Formen der Ozeane geprägt: Die Kontinente verschoben sich, das Klima veränderte sich. Vor 250 Millionen Jahren, als alle Kontinente noch eine riesige Landmasse bildeten (den Superkontinent Pangäa), gab es rund um die Küstenlinie folglich nur einen großen Ozean. Nach weiteren 50 Millionen Jahren begann Pangäa aufzubrechen, einzelne Meere mit unterschiedlichen Merkmalen entstanden; am bekanntesten darunter ist das Tethysmeer. Tethys spaltete den nördlichen Laurasia-Kontinent vom süd lichen Gondwana und bot neue ökologische Nischen, in denen sich das Leben kolonisieren konnte. Sedimente und Fossilien aus der Tethys geben uns einen guten Einblick in das, was auf der sich formenden Welt in jenem geologischen Zeitalter geschah. Als die Kontinente weiter auseinanderdrifteten, entstanden neue Meere, und mit der Zeit, vor ungefähr 65 Millionen Jahren, verschwand die mächtige Tethys wieder.
Erst in relativ junger geologischer Zeit sind die heutigen Ozeane entstanden. Die Kontinentalverschiebung verlangsamte sich, die Eiskappen an den Polen bildeten sich, und Strömungen begannen, verschiedene Wasserkörper miteinander zu verbinden oder voneinander zu trennen. Anhaltende Bewegungen der Landmassen haben relativ neue Meere geschaffen, wie das Mittelmeer, und auch im 21. Jahrhundert bewegen, verschieben und passen sich die Ozeane weiter an.
Eine Geschichte der Gezeiten
»Time and tide wait for no man« – so lautet eine bekannte englische Redewendung, die mir schon immer gut gefallen hat, besonders wegen ihrer ehrlichen Einfachheit bezüglich der Gezeiten. Lange bevor wir Uhren erfunden haben, hatte die Natur ihren eigenen Rhythmus und gaben die Jahreszeiten dem Jahr Farbe. Bis heute bilden Ebbe und Flut den konstant schlagenden Puls des Planeten.
Auf einer grundlegenden Ebene hat die Wissenschaft verstanden, wie die Gezeiten funktionieren: Bei Flut läuft Wasser zum Landinneren hin, bei Ebbe fließt es vom Land weg. Die Gezeiten verschlucken dabei die größten Strände, trocknen Häfen völlig aus und treiben Wasser durch die engsten Kanäle. Aber wie bewegt sich so viel Wasser auf einer globalen Skala?
Nun, die erste Antwort lautet normalerweise, dass Ebbe und Flut durch die Anziehungskraft des Mondes kontrolliert werden. Das stimmt jedoch nur zur Hälfte. Ebbe und Flut werden auch durch die Anziehungskraft der Sonne bestimmt, wobei Sonne und Mond eine ähnliche Kontrolle ausüben.
Wie Strandbesucher wissen, unterscheiden sich die Zeiten von Ebbe und Flut täglich, in der Regel um etwa 50 Minuten, je nach Ort. Mehr als das, an mancher Küste finden Ebbe und Flut zweimal täglich statt, an anderen nur einmal täglich, und bei wieder anderen variiert die Häufigkeit je nach der Zeit im Monat. Darüber hinaus kommt es zweimal im Monat zu Springtiden und Nipptiden. Springtiden treten auf, wenn Sonne und Mond in einer Reihe stehen, entweder auf gegenüberliegenden Seiten der Erde oder sich gegenseitig ergänzend auf derselben Seite. Die kombinierte Schwerkraftanziehung der Himmelskörper führt zu einem höheren Hochwasser und einem niedrigeren Niedrigwasser, von der Küste wird mehr Land eingenommen beziehungsweise freigelegt als sonst. Aber wenn Sonne und Mond von der Erde aus gesehen in einem 90-Grad-Winkel zueinander stehen, passiert das Gegenteil. Die Gravitationskraft ist beeinträchtigt, und das Ergebnis ist eine Nipptide, bei der sich wenig Wasser in eine Richtung bewegt.
Der Kugelfisch geht in die Tiefe …
Wellen und wie sie sich bewegen
Der Ozean steht nie still. Er ist ständig in Bewegung, er schwillt an und ebbt ab, während Wellen sich kräuseln und über die Oberfläche rollen. Wellen entstehen durch Ebbe und Flut, die wiederum durch den Zug des Mondes und der Sonne beeinflusst werden. Manchmal zeigen sie sich als akuter Anstieg, verursacht durch große Stürme und Hurrikane, oder sie sind wütende Tsunamis, die durch geologische Störungen unter Wasser entstehen.
Wellen bilden sich, wenn der Wind über die Wasseroberfläche weht, Reibung erzeugt und einzelne Wassermoleküle anfangen, sich im Kreis zu bewegen. Während sie das tun, werden sie durch Moleküle darunter ersetzt, die wiederum andere Wasserteilchen in Bewegung setzen, während die ursprünglichen Oberflächenmoleküle herumgerissen werden, um sich mit der Kette zu verbinden. Das Ergebnis sind zahlreiche kleine kreisförmige Bewegungen, die direkt übereinandergestapelt sind, aber in Größe und Energie abnehmen, abhängig von der Stärke der ursprüng lichen wellenbildenden Kraft. So wird Energie zwischen den Wasserteilchen transportiert.
Obwohl Wellen ernste und manchmal katastrophale Auswirkungen haben können, bewegen sie eigentlich kein Wasser, sie transportieren nur Energie durch Wasser. Das kann man sich im Kleinen auch selbst veranschaulichen: Gehen Sie in die Badewanne, und nehmen Sie Ihre Lieblingsbadeente mit. Erzeugen Sie eine Welle, und beobachten Sie, wie sie sich über die ganze Wanne ausbreitet – die Ente wippt jedoch nur an einer Stelle auf und ab, wenn die Welle vorbeizieht.
Wenn eine Welle auf ein hartes Material trifft, etwa auf ein Riff, auf Strand oder Felsen, bricht sie, und es entsteht die Brandung. Dabei wird die kreisförmige Bewegung der Wassermoleküle unterbrochen. Wird sie nicht unterbrochen, können Wellen ungehemmt rund um den Globus ziehen. Im Südlichen Ozean, wo kein Land im Weg steht, tun sie genau das. Die größten natürlichen Wellen auf dem Planeten, die eine Höhe von bis zu 30 Metern erreichen können, gibt es...




