E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Reihe: Ullstein eBooks
Hickel Zerschlagt die Banken
12001. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8437-0298-0
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zivilisiert die Finanzmärkte
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Reihe: Ullstein eBooks
ISBN: 978-3-8437-0298-0
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Prof. Dr. Rudolf Hickel ist emeritierter Professor für Politische Ökonomie und Finanzwissenschaften. Bis 2009 war er Direktor des IAW - Instituts für Arbeit und Wirtschaft. Hickel ist Sachverständiger beim Finanzausschuss des Deutschen Bundestags sowie Mitbegründer der 'Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik', die jährlich das Alternativgutachten zum 'Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung' vorlegt. Er hat als stimmberechtigter Schlichter bei Tarifverhandlungen gewirkt und schreibt für die taz, die Frankfurter Rundschau, das Handelsblatt und die Süddeutsche Zeitung. Rudolf Hickel ist Mitglied in mehreren Aufsichtsräten und wissenschaftlicher Beirat von Attac.
Autoren/Hrsg.
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Einleitung
Die Banken bändigen,
die Finanzmärkte entmachten
Macht euch die Banken untertan! Es ist höchste Zeit: Großbanken mit ihrem Geldmaschinen-Investmentbanking müssen zerschlagen und die derzeit völlig unkontrollierten Schattenbanken abgeschafft werden. Das Ziel dieser Zerschlagung ist eindeutig. Es geht um den Ausstieg aus hochriskanten Spekulationsgeschäften, die nicht nur die Kunden dieser Banken belasten, sondern die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft in den Abgrund reißen können. Das Bankensystem muss wieder auf seine dienenden, genuinen Aufgaben eingeschränkt werden.
Um die Dimension des Rückbaus zu erkennen, lohnt sich die Bestimmung der nützlichen Rolle der Banken in modernen, hochgradig arbeitsteiligen Wirtschaftssystemen. Es geht darum, mit Einlagen die Finanzmasse zu gewinnen, die zur Kreditvergabe an Unternehmen, private Haushalte und den Staat dient. Der Gewinn dieser normalen Bank ergibt sich aus der Differenz zwischen den aus den Krediten erzielten Zinsen gegenüber den an die Einleger ausbezahlten Zinsen. Die Schwerpunkte des der Gesamtwirtschaft dienenden Geschäftsmodells bilden die Verwaltung der verzinsten Einlagen, die Vergabe von Krediten an Kunden sowie eine verantwortungsvolle Vermögensbildung und Risikoabsicherung für Unternehmen, allerdings ohne den Einsatz von Zockerinstrumenten.
Heute dominieren mächtige Banken, die einerseits vor allem im Investmentbanking-Bereich für Kunden und vorrangig auch auf eigene Rechnung ohne Bezug auf die ökonomische Werthaltigkeit einen umfangreichen Handel mit hochriskanten Anlageprodukten managen. Andererseits wälzen sie die Verluste, die beim Zusammenbruch ihrer brandgefährlichen Investmentbanking-Aktivitäten entstehen, auf die Einlagen gebenden und Kredite nehmenden Normalkunden ab. Gegen diese Inhaftnahme aller Bankkunden richtet sich die Zerschlagung dieser volkswirtschaftlich nutzlosen Finanzmarktgeschäfte.
Nie mehr dürfen den Bankenkunden mit ihren Einlagen und Krediten die mit hochriskanten Spekulationsgeschäften im Bereich des Investmentbankings erzeugten Verluste aufgebürdet werden. Auch ist der Staat von dem Risiko, Banken retten zu müssen, weil sie zu groß und zu stark international vernetzt sind, zu befreien. Banken, die mit ihrem Zusammenbruch per Kettenreaktion das gesamte System zum Einsturz bringen können, haben sich die Zerschlagung verdient.
Das Investmentbanking muss auf ein verantwortbares Risiko reduziert und die verbleibenden Aktivitäten gegenüber den dienenden Funktionen abgeschottet werden. Dazu gehört vor allem die Abschaffung eines vom Risiko nicht mehr zu verantwortenden Eigenhandels, der durch die Banken ohne Auftrag von Kunden genutzt wird. Der Nobelpreisträger für Ökonomie und mutige Mahner Paul Krugman aus den USA hat provokant das Ziel dieser Schrumpfung vorgegeben: »Making banking boring«, macht die Banken durch die Rückkehr zu den genuinen Funktionen wieder stinklangweilig und das heißt seriös.
Die Neuordnung eines Bankensystems im Dienste einer sozial und ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung muss in eine übergreifende Entmachtung der Finanzmärkte eingebunden werden. Verbote und strenge Gebote für fiktive, ökonomisch wertlose Anlageprodukte schmälern die Risikodimension der verbleibenden Kernbanken.
Der Blick auf die Instrumente und Geschäfte zeigt: Die entfesselten Finanzmärkte, die 2008/2009 beinahe eine Weltwirtschaftskrise ausgelöst hätten, sind ökonomisch Teufelszeug, denn sie haben letztlich mit der Ökonomie der Wertschöpfung unter Einsatz menschlicher Arbeit nichts zu tun. Die möglicherweise für den einzelnen Anleger zumindest kurzfristig rationale Entscheidung, Finanzinnovationen zu kaufen, führt in der Gesamtwirkung zu einer Irrationalisierung des Wirtschaftens. Mit Wetten werden die Spielregeln der marktwirtschaftlichen Ordnung außer Kraft gesetzt. Im Klima wachsender Instabilität und sich zuspitzender Krisen wird am Ende die auf die Güter- und Dienstleistungsproduktion außerhalb des Finanzsektors konzentrierte Realwirtschaft schwer belastet. Die Banken transportieren über Wertberichtigungen und Abschreibungen die Verluste aus der Finanzmarktkrise über eine restriktive Vergabe von Krediten in die reale Produktionswirtschaft. Dafür steht das Phänomen der Kreditklemme.
Die Irrationalisierung des Wirtschaftens wird mit der Antwort auf die Frage, welche Produkte dort gehandelt werden, offensichtlich. Auf den Finanzmärkten sind vorwiegend Anlageprodukte im Einsatz, deren Bezug auf die ökonomische Wertschöpfung nicht mehr erkennbar ist, ja großteils von Anfang an nicht gegeben ist. Hochkomplizierte, vielfach verpackte Kunstprodukte werden ohne auch nur eine annähernde Kenntnis der darin angelegten Fäulnis durch Banken gehandelt und von Vermögensberatern an die Kunden gebracht. Genau hier springen die Ratingagenturen ein. Sie geben vor, die Informationslücke zu schließen. Dieser Rat kam vielen sehr teuer zu stehen – weil viele Zockerpapiere mit Bestnoten ausgezeichnet wurden. Die Informationstäuschung wurde zum lukrativen Geschäft der drei großen Ratingagenturen, die für ihre Fehlurteile bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Sie gehören zum System organisierter Verantwortungslosigkeit auf den Finanzmärkten.
Es wurden zahlreiche Finanzmarktprodukte geschaffen, die von Anfang an keinen Bezug zu irgendeinem ökonomischen Wert hatten. Diese Eigenschaft ökonomischer Wertlosigkeit trifft für alle Finanzmarktprodukte zu, mit denen ausschließlich Spekulationsgeschäfte auf der Basis verselbständigter Kurse und Renditen betrieben werden. Wer sich beispielsweise im Rahmen von Leergeschäften Aktien leiht, die er nicht einmal zu besitzen braucht, um diese später am Markt billiger einzukaufen und dem Verleiher zurückzugeben, hebelt die ohnehin schwierige Preisbildung auf den Börsen vollends aus. All diese Instrumente der irrealen Geldvermehrung unterscheiden sich von den dienenden Aufgaben der Finanzmärkte für die Unternehmen der Produktionswirtschaft, denn die Geldvermehrung erfolgt nicht durch den Einsatz von Geld über den Umweg produzierter Waren. Diese produktionsfundierte Geldvermehrung hat Karl Marx im ersten Band zum Kapital eindrucksvoll beschrieben: Bei Marx schlägt sich die Vermehrung des in der Produktion eingesetzten Kapitals im dadurch erzeugten Mehrwert nieder. Es geht um das durch den Einsatz von Geld in der Wirtschaft erzeugte Einkommen, das auf Gewinne und Arbeitseinkommen verteilt wird.
Kennzeichen des heute finanzmarktgetriebenen Kapitalismus ist die Spaltung des Geldes. Dem realen, durch die Produktionswirtschaft gedeckten Geld steht das irreale, fiktive Geld gegenüber – schaffendes Geld wird durch fiktives Geld überlagert. Dass durch diese Spekulationsgeschäfte eigenständig Werte entstehen würden, gehört zu den dümmsten Rechtfertigungen der Wettbüros und Spielkasinos in aller Welt.
Die Verantwortung für diese Dummheit liegt auch bei der vorherrschenden Beratungsökonomik, die im reinen Spekulationsgeschäft nur Gutes zu erkennen vermag. Weil die Theorie kaum über die Erklärung der Blasenbildung im Kontext der holländischen Tulpenkrise in den 1630er Jahren (Optionsscheine auf Tulpenzwiebelanteile) hinweggekommen ist, wird das völlig neue Absturzrisiko peinlich unterschätzt, ja ausgeschlossen. Im Gegenteil: Mit dem Platzen der Spekulationsblase offenbart sich deren Wert- und Substanzlosigkeit. Zuvor in die Höhe spekuliertes, fiktives Geld wird mit der Krise verbrannt.
Bliebe es bei dieser Vernichtung des ohnehin wertlosen Geldkapitals, wären die Folgen auf die Finanzinstitutionen begrenzt: Die naiven Vermögensillusionisten würden nur das verlieren, was sie mit Wertsubstanz eigentlich nie besessen haben. Jedoch, dieser Spuk bleibt nicht ohne Folgen für die Produktionswirtschaft außerhalb des Finanzsektors: Banken, die auf diese fiktive Geldvermehrung gesetzt haben, werden unter der Last der Wertberichtigungen und Abschreibungen zu Bremsern bei der Kreditvergabe und vertrauen sich wechselseitig nicht mehr. Hierin liegt der eigentliche Skandal der entfesselten Finanzmärkte: Nachdem sich die ökonomische Wertlosigkeit im Zuge der geplatzten Spekulationsblase manifestiert, wird in der Folgewirkung die Produktionswirtschaft außerhalb der Finanzwelt in Mitleidenschaft gezogen. Die Geschäftsmodelle der heute extrem kurzsichtigen Finanzindustrie sind eine Kampfansage gegen den Kantschen Imperativ: Maximiere deinen Profit, egal ob andere dadurch geschädigt werden.
Die jüngste Finanzmarktkrise hat brutal die Wirkungen dieser durch Gier getriebenen Geschäfte in der Spekulationssphäre auf die ökonomische und soziale Lage und die Politik deutlich gemacht. Warren Buffet war es, der von »Massenvernichtungsmitteln« sprach. Wegen der dadurch erzeugten Kollateralschäden müssen die Großbanken mit diesen Geschäftsfeldern zerschlagen und zugleich die wertlosen Spekulationsinstrumente verboten werden. Werden diese Waffen im Netz der Gier eingeschränkt beziehungsweise verboten, ist es umso einfacher, die Banken zu bändigen.
Die ökonomischen und sozialen Verluste, die Bedrohung der Gesamtwirtschaft und der Verlust an gestaltender Politik begründen den Handlungsbedarf für die Doppelstrategie »Zerschlagung der Banken plus Zivilisierung der Finanzmärkte«:
– Banken: Banken müssen auf die sich als wertlos erweisenden Anlageprodukte Wertberichtigungen beziehungsweise Abschreibungen vornehmen. Die Folge sind sinkende Gewinne bis hin zu Existenz bedrohenden Verlusten. Auch schmilzt das vorzuhaltende Eigenkapital, das als Risikopuffer eingesetzt werden soll. Allein in den USA sind in...