E-Book, Deutsch, Band 27, 221 Seiten
Reihe: Campus Judaica
Abgebrochene Lebenswege deutsch-jüdischer Schriftsteller nach 1933
E-Book, Deutsch, Band 27, 221 Seiten
Reihe: Campus Judaica
ISBN: 978-3-593-41208-5
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;6
2;Vorwort;8
3;Deutsche Kultur, jüdische Ethik – Guy Stern;16
4;Anna Seghers: Jüdin und Kommunistin Rezeptionsgeschichte undliterarische Qualität – Renate Heuer;26
5;Die Wurzeln von Friedrich Wolfs Poesie und Dramatik in der jüdischen Ethik – Karin Schlootz;48
6;Sigmund Freud und Arnold Zweig – Psychogramm einer Freundschaft – Ludger Heid;74
7;Fremd – In der Fremde – Daheim: Zwei deutsche Karrieren in der Zeit des III. Reichs: Fritz Lang und Ernst Lubitsch – Dieter Brockmeyer;97
8;Etta Federn (1883–1951): Befreiende Dichtung und libertäre Pädagogik – Marianne Kröger;116
9;»Eure Dichter sind auch meine …« – Karl Wolfskehl (1869–1948) – Ralph-Rainer Wuthenow;142
10;Philosophie und Philologie: Reflexionen über Rudolf Schottlaender – Volker Riedel;158
11;Der Roman Tohuwabohu oder Gronemanns Sicht auf die Dinge – Tilmann Gempp-Friedrich;168
12;Die Kunstwissenschaftlerin Margot Riess – Manfred Bosch;188
13;Felix A. Theilhaber: Judenschicksal. Acht Biographien – Renate Heuer;198
14;Autorinnen und Autoren;222
Die Kunstwissenschaftlerin Margot Riess (S. 187-188)
Manfred Bosch
Wer eine auch nur knappe Würdigung der 1941 ins Getto von Litzmannstadt deportierten und ein Jahr später dort umgekommenen jüdischen Kunsthistorikerin Margot Riess zu unternehmen versucht, sieht sich vor größere Probleme gestellt. Als Wissenschaftlerin hat sie während der Weimarer Zeit weder grundlegende Werke noch wirklich markante Spuren hinterlassen, und nach 1933 lief ihre publizistische Tätigkeit in eine gelegentliche, jedoch im Raum des jüdischen Kulturghettos verbleibende Mitarbeit bei den wenigen Zeitungen und Zeitschriften aus.
Insgesamt sind die Spuren, die sie auf ihrem Gebiet hinterließ, zu marginal, als dass sie bislang die Aufmerksamkeit der kunstwissenschaftlichen Biographik auf sich gezogen hätten. Hinzu kommt eine unbefriedigende Quellenlage, die eigentlich für jedes ihrer Lebensalter gilt: ein Nachlass ist nicht überliefert und Korrespondenzen sind bislang nur sehr wenige aufgetaucht. Und doch war gerade diese Situation ausschlaggebend für diesen notwendigerweise fragmentarischen Versuch einer kleinen Erinnerung, die Margot Riess – nicht nur wegen ihres Schicksals – zweifellos verdient. Geboren wurde sie am 23. Februar 1893 in Breslau als Tochter einer alteingesessenen jüdischen Familie.
Vater Eugen Riess, ein Kaufmann, hatte seinen Lederhandel von Wolf Riess geerbt; seine Frau Gertrud arbeitete als Literaturhistorikerin und Goetheforscherin.2 Margot war die mittlere von drei Schwestern; ein Bruder, das älteste der Geschwister, fiel im Ersten Weltkrieg. Dass alle vier Geschwister in akademische Berufe drängten, war zu jener Zeit sicher nicht alltäglich, kennzeichnet andererseits das kulturell so aufgeschlossene und aufstiegsbewusste familiäre Milieu. Während Erich (1887–1915) bei Max Scheler Philosophie studiert hatte, wandten sich die Schwestern Helene (1889–1977), Käthe (1899– 1986) und zunächst auch Margot der Medizin bzw. den Naturwissenschaften zu.
Helene und Käthe wurden beide Ärztinnen; Margot, die ihre Reifeprüfung an der Oberrealschule Breslau abgelegt hatte, nahm 1912 in Freiburg, München und Breslau ein Studium der Zoologie auf, das sie – nach vorangegangener Lehramtsprüfung – 1919 mit einer Dissertation über Die Gorgonarien Westindiens. Kap. 3: Die Familie Muriceidae 3 mit dem Dr. phil. abschloss.