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E-Book, Deutsch, 324 Seiten

Hessenberger Viech

Vom Grauvieh und anderen Weidetieren
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7065-6415-1
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Vom Grauvieh und anderen Weidetieren

E-Book, Deutsch, 324 Seiten

ISBN: 978-3-7065-6415-1
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Tiroler Grauviehzuchtverbandes widmen die Ötztaler Museen eine Sonderausstellung dem Thema Viehwirtschaft und Viehzucht – mit Schwerpunkt auf dem Tiroler Grauvieh als Beispiel für eine seltene Nutztierrasse und deren Bedeutung. Begleitend erscheint der Sammelband "Viech".

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„vom Vieh bezieht der Bauer einen großen Theil der zur Ernährung und Bekleidung seiner Hausgenossen erforderlichen Stoffe“


Zur Geschichte der Rinderhaltung in Tirol


Vor gut 140 Jahren zählte die Alpstatistik des Gerichtsbezirkes Silz (1882)1 für die Gemeinden Sölden, Längenfeld, Umhausen und Oetz eine stattliche Zahl von mehr als 50 namentlich unterschiedenen Almen (Alpen) im Ötztal, viele als Galt-, manche als Melkalmen geführt, sechs davon für Schafe, auf allen anderen wurden Rinder den Sommer über aufgetrieben.2 Deren Anzahl war bereits 1880 erfasst worden, so zählte man im gesamten Bezirk mehr als 12.000 Rinder und mehr als 2800 „Besitzer von Rindvieh“.3 Gehalten wurden Tiere, die man unter den „Rinder-Racen“ in den „Alpenländern Österreichs“ als „Ober-Innthaler-Typus“ kannte:

„Vorherrschend gleichmässig graugelb, theils mit, theils ohne dunklere Schattirungen an Kopf, Rumpf und Gliedmassen“ sei die „allgemeine Decke partiell pigmentirt“ gewesen und „das Flotzmaul, die Zunge und die Augenlidränder stets dunkel gefärbt, ebenso die Klauen und die Schweifquaste,“ während die „Hörner weiss- oder gelblichgrau mit schwarzen Spitzen“ beschrieben wurden.4

Damals – Ende des 19. Jahrhunderts – galt die Rinderhaltung als „Hauptnahrungs-Quelle des Oberinnthales“.5 Ein Zeitgenosse – Ferdinand Kaltenegger – hielt dazu fest: Das „Oberinnthal selbst beschäftigt sich in der Hauptsache nur mit der Reproduction“, so seien die „Oberinnthaler“ Rinder in „Form trächtiger Kalbinnen, Erstlings-Kühen und Jung-Ochsen exportirt“ worden und zwar vor allem in die „benachbarten Thäler von Tirol und Vorarlberg“, in denen „die Handels-Käserei schwunghaft betrieben“ wurde. Denn was die „Oberinnthaler-Kühe“ auszeichnete, war die „besondere Leistungsfähigkeit dieser Race für die Milchproduction“, so sei „der Oberinnthaler Typus“ bei bemerkenswerter Genügsamkeit „der milchreichste in Tirol und Vorarlberg“ gewesen.6 Das waren Qualitäten, die geschätzt wurden, vor allem angesichts einer um sich greifenden, europaweiten Agrarkrise, die sich auch in Tirol und den umliegenden Regionen bemerkbar machte.

Im damaligen Kronland Tirol hatte man 1881 unter der Leitung von Julius von Riccabona zu Reichenfels (1835–1924) die Lage der Landwirtschaft untersucht: „Auch die Landwirtschaft Tirols“, so das damalige Ergebnis, sei „von der schweren Strukturkrise des westeuropäischen Agrarsektors erfaßt worden“.7 Überregional beobachtete man eine sich öffnende „Preisschere zwischen sinkenden Nahrungsmittelerlösen und steigenden Landarbeitslöhnen“, schwindende „landwirtschaftliche Profite“ und einsetzende Defizite. Zwei Faktoren waren dafür auszumachen: eine sich verschärfende Konkurrenz um Arbeitskräfte zwischen „Agrar- und Industriesektor“ und ein sich mit dem „Eisenbahn- und Dampfschiffsverkehr“ verdichtendes „Verkehrsnetz“, das ein erstmals – in diesem Ausmaß und dieser Qualität – globales Agrarsystem etablierte. Es entwickelten sich „Weltmärkte für Getreide und, nach Einführung der Kühltechnik“ auch für Fleisch.8 So war seit etwa den 1860er Jahren Weizen aus „Kanada, den Vereinigten Staaten und Argentinien“ auf den österreichischen Markt gekommen, aus „Südamerika“ auch „Fleischkonserven“ und „die heimische Schafzucht“ habe „den inländischen Wollmarkt“ an „den australischen Import“ verloren. Die „Industriebezirke Österreichs“ – vor allem im Osten Österreichs, denn Tirol war damals noch überwiegend Agrarland – seien zudem „großenteils aus Ungarn“ mit „Schlachtvieh“ beliefert worden.9 Es gab aber auch Eisenbahntransporte nach Kufstein und Innsbruck aus „Niederösterreich, Ungarn, Böhmen, Mähren und Galizien“, wie einem Bericht vom 17. Februar 1863 in den Innsbrucker Nachrichten zu entnehmen ist, der über die Einschränkung dieses Verkehrs aufgrund der in den genannten Gebieten auftretenden „Rinderpest“ informierte.10

Die Lage der Tiroler Landwirtschaft war trist: hohe und steigende Schulden – die zum Teil noch eine Folge der Grundentlastung nach 1848 waren11 – bei zunehmender Konkurrenz. Anschaffungen wurden für die lokalen Betriebe immer kostspieliger, Arbeitskräfte vermehrt von höheren Löhnen in der Industrie – in Tirol aber vor allem vom aufkommenden Tourismus12 – abgeworben und immer wieder auftretende Missernten und „Viehseuchen“ waren neben „Unwettern und Parasitenbefall“13 Teil des alltäglichen Arbeitens in der Landwirtschaft. Die Erträge reichten oftmals kaum aus, um die Subsistenz zu sichern. Man erinnerte noch die „Kälte-Feuchtigkeits-Hungersnot“, der ab 1845 vor allem ältere Menschen, Kranke und Kinder zum Opfer gefallen waren: Damals hatte man in Tirol Temperaturen von ca. 9 °C unter dem „langjährigen“ Schnitt verzeichnet14 und im Ötztal brach innerhalb von wenigen Jahren – im Juni 1845, im Mai 1847 und ein letztes Mal im Juni 1848 – der „Rofener Eissee“ aus. Das Wasser flutete bis ins Inntal die Ackerböden und nahm diese zum Teil mit sich, sodass die Ernte zerstört und eine Bearbeitung auf Jahre hin nicht mehr oder nur eingeschränkt möglich war.15 Ein zeitgenössischer Beobachter schilderte den Ausbruch von 1845:

Die darauffolgenden Jahre waren von weiteren, die Ernte bedrohenden Wetterereignissen geprägt, aber auch von der „Kartoffelkrankheit“ und dem Ausbruch des „Milzbrands“, der sich „in mehreren Gemeinden des Oberinnthales unter dem Borstenvieh“ verbreitete – also vor allem Schweine gefährdete.17

Auch in den Jahren 1882, 1885 und 1888 wurden Teile der Tiroler Ernte und damit „Millionen des ohnehin kargen Volksvermögens“ von „besonderen Unglücksfällen“ insbesondere Wildbachüberschwemmungen, „Muhren und Lawinen“ vernichtet.18 Neben diesen – anhaltenden – äußeren Einflüssen war die Landbewirtschaftung in Tirol vor allem von der ausgesprochenen Kleinteiligkeit der landwirtschaftlichen Flächen geprägt: Rund „drei Viertel der Tiroler Höfe“ galten als „Klein- und Kleinstbesitz“, sie konnten sich oft nicht selbst versorgen.19 Deshalb wurde vielfach – vor allem in den Realteilungsgebieten des Tiroler Oberlandes – eine Art „Mischökonomie“ betrieben, bei der die landwirtschaftlichen Betriebe durch Wanderhandel, Wanderarbeit wie Ernte- und Forstarbeit und Tätigkeiten im Baugewerbe ebenso abgesichert wurden wie durch textile „Heimindustrie“20 oder die Kindersaisonarbeit der sogenannten „Schwabenkinder“.21 Was die Geschichte der Rinderhaltung im Tiroler Oberland im endenden 19. Jahrhundert also auch prägte, ist der oft übersehene Anteil von Kinderarbeit im handwerklichen, industriellen, aber auch im Tagelohn-Bereich, auch Minderjährige mussten für ihre Erwerbstätigkeit mitunter zeitweilig oder dauerhaft migrieren und durch ihre Tätigkeit das Fortbestehen der kleinstrukturierten Tiroler Landwirtschaft angesichts der um sich greifenden europaweiten Agrarkrise absichern.

Zur Verbesserung dieser Situation wollte die Landesregierung vermehrt und gezielter intervenieren und dazu wurde im Jahr 1881 der Landeskulturrat eingerichtet. Erkannt wurde, dass die Tiroler Landwirtschaft nicht nur im Hinblick auf die Flächenstruktur, sondern auch bezüglich der produzierten und gehandelten Güter in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zunehmend benachteiligt gewesen sei.22 Die maßgeblichsten Aktionen konzentrierten sich dann auf jenen Sektor, der von den damaligen Experten als „Hauptstütze des Landwirtes und [als] seine ergiebigste Ertragsquelle“ eingeschätzt wurde, nämlich: die „Viehzucht“. Sie galt als „das geeignetste Mittel“, um „Wiesen und Alpen in die höherwerthige Waare Fleisch und...



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