Herrmann | Violas Vermächtnis | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 316 Seiten

Herrmann Violas Vermächtnis

So nah kann nur der Himmel sein
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7534-9265-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

So nah kann nur der Himmel sein

E-Book, Deutsch, 316 Seiten

ISBN: 978-3-7534-9265-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Geschichte zweier Schicksale, die sich vor der prachtvollen, geschichtsträchtigen Kulisse der Kurstadt Baden-Baden begegnen. Renate steht vor dem beruflichen und privaten Scherbenhaufen ihres Lebens. Doch dies bleibt nicht der einzige Schicksalsschlag, den sie einstecken muss. Im Kampf um ihre Existenz erkennt Renate schließlich die Magie des Zufalls und die starke Kraft zwischen Himmel und Erde. Auch Gero macht eine schwere Zeit durch. Als seine Schwester Viola stirbt, bittet sie ihn, eine Frau zu finden, die seine Hilfe braucht. Doch wie kann Gero diese Frau finden? Wann und unter welchen Umständen wird er ihr begegnen? Durch Zufall? Oder wird auch der Himmel seine Finger im Spiel haben? Die Fragen und Antworten auf Zufälle und andere mystische Zufälligkeiten in verschiedenen Lebenssituationen unserer Zeit sind die perfekte Würze dieses Romans. Mehr als 20 Schwarzweiß-Fotos führen die Leser*innen an die Schauplätze in Baden-Baden.

Barbara Herrmann ist in Karlsruhe geboren und in Kraichtal-Oberöwisheim aufgewachsen. Ihre Liebe zu Büchern und zum Schreiben begleitete sie während ihres ganzen Berufslebens als Kauffrau. Nach ihrem Eintritt in den Ruhestand sind mehrere Bücher (Romane, Reiseberichte, humorvolles Mundart-Wörterbuch) von ihr erschienen. Heute lebt die Mutter zweier Söhne mit ihrer Familie in Berlin.

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1
Die Abendsonne schien durch das Fenster und zeichnete Lichtspiele auf die Möbel, als ob nichts geschehen wäre. Renate Bauer bemerkte und beachtete sie nicht. In ihrem Kopf summte und brummte es wie in einem Wespennest. Ihre Gedanken sprangen hin und her und wuselten wild durcheinander wie ein Ameisenhaufen. Sie saß in sich gekehrt auf dem Sofa ihres Wohnzimmers und wollte noch an diesem Tag nach einer Lösung suchen, wie sie ihrem Leben eine Wende geben konnte. Dabei schwankte siezwischen Lethargie und Aufbruch, zwischen „jetzt erst recht“ und „lieber doch nicht“. Sie war hin und her gerissen zwischen dem Gefühl, stark zu sein, und der schleichenden Hingabe, die manchmal bis zum Selbstmitleid reichte. Dabei taten ihr die widerspenstigen und widersprüchlichen Gefühle körperlich schon weh. Eigentlich entsprach es gar nicht ihrem Naturell, sich gehen zu lassen. Im Grunde war sie eher eine kämpferische Frau, dennoch ließ auch sie sich hin und wieder von solchen Gefühlen vereinnahmen. Zu ihrer inneren Zerrissenheit kamen noch die Einschläge von außen, die sie gar nicht selbst in der Hand hatte, die sie gar nicht beeinflussen konnte. Es waren Briefe, unheilvolle Briefe, Androhungen und Fristen. Es waren fremde Menschen, die Einlass forderten und die in ihren innersten Angelegenheiten herumschnüffelten, weil sie glaubten, dort etwas zu finden. Diese Leute drangen einfach in ihr letztes persönliches Geheimnis ein. Sie öffneten Zimmer- und Schranktüren, sie sahen ihre Wäsche im Fach liegen und sie stellten ihr unangenehme Fragen. Und sie kamen immer wieder aufs Neue, immer und immer wieder. Nach außen aber schwieg sie. Niemand erfuhr, wie es in ihr aussah, mit keinem Menschen sprach sie über diese inneren Nöte, diese Gedanken, die ihr ihre Hilflosigkeit immer mal wieder bildlich vor Augen führten. Es war ihr zu peinlich, jemanden damit zu behelligen, schließlich war sie selbst die Versagerin. Sie war eine Frau, die alles falsch gemacht hatte. Und jetzt auch noch das. Jetzt auch noch ihr Mann. Als ob sie nicht schon genug Probleme hätte. Jetzt auch noch er. Wie hatte Christian ihr das antun können? Wie konnte ihr Mann zu so etwas fähig sein? Er hatte ihr Vertrauen, ihre Liebe missbraucht und sie im Stich gelassen, auf die erbärmlichste Art und Weise, ganz nach dem Motto: Die Ratten verlassen das sinkende Schiff. Renate lachte hart auf. Sie fand keinen Ausdruck für das, was da gerade vor sich ging. Dabei hörte sich das Wort „gerade“ so an, als ob es eben erst begonnen hätte. Nein, nicht erst seit eben, sie schleppte das Paket auf ihrem Rücken schon ein paar Monate mit sich herum. Über weite Strecken hatte sie es geschleppt, unbewusst, aber dennoch qualvoll. Manchmal wurde einem Schmerz zugefügt, es tat weh, man wunderte sich über diesen Zustand, aber die Frage nach dem Warum stellte man sich erst sehr viel später. Mittlerweile zeigte die Uhr kurz vor acht. Christian war immer noch nicht da, und das ging schon seit Monaten jeden Tag so. Sie wusste, dass ihre Beziehung nicht mehr stimmte, nicht mehr so war, wie sie sein sollte. Ihr Gefühl und die Erkenntnis, dass ihr Mann ein anderer Mensch geworden war, hatten sie nicht getäuscht. Er betrog sie mit einer anderen Frau. Auch wenn diese Tatsache noch nicht laut ausgesprochen worden war, gab es für sie mittlerweile keinen Zweifel mehr daran. Nach dieser Erkenntnis ließen sich ihre Gefühle nicht mehr beschreiben. Sie wechselten in kurzen Abständen zwischen Wut, Enttäuschung, Trauer, Zorn, Nachsicht, Zukunftsangst, Resignation, Hilflosigkeit und dann wieder zu wilder, fast ungestümer Entschlossenheit. Renate war zweiundfünfzig Jahre alt. Mit der Tatsache, dass sie im klassischen Sinne nicht für jeden hübsch war, hatte sie sich schon seit langer Zeit abgefunden. Ihre Nase war etwas schräg, das Kinn zu energisch in dem schmalen Gesicht, und ihre blauen Augen mit dem sehr intensiven, manchmal geradezu stechenden Blick waren zu groß. Sie war von kleiner Statur, ihre fraulichen Rundungen waren nur angedeutet und entsprachen nicht dem, was man ideal nennt. Aber sie war froh, wenigstens schlank zu sein. Bisher hatte sie das nie gestört, sie hatte sich akzeptieren können, so wie sie war. All die Jahre wusste sie sich von ihrem Mann geliebt und hatte von Beginn an ein einigermaßen harmonisches Eheleben geführt. Natürlich hatte es Höhen und Tiefen gegeben wie bei anderen Paaren auch. Die ersten Jahre waren überaus schwierige Jahre, Jahre der Entbehrung gewesen. Sie war noch sehr jung gewesen, gerade mal achtzehn Jahre alt, als sie damals schwanger wurde. Wie es in den Sechzigern selbstverständlich war, hatten auch sie auch gleich geheiratet. Obwohl sie beide noch fast Kinder waren, hatten sie von jetzt auf gleich die große Verantwortung für ein Kind übernehmen müssen. Hinzu kamen das tägliche Bestreben und die Notwendigkeit, ein würdiges Heim aufzubauen, sozusagen aus dem Nichts. Ihre Löhne waren äußerst gering, sodass sie beide voll arbeiten mussten. Das Baby, ihr kleiner Sohn Jan, wurde nach wenigen Wochen in einer Kinderkrippe untergebracht, und ihr Mann Christian leistete in der Zeit des Aufbaus unzählige Überstunden, um endlich vorwärts zu kommen. In den ersten Jahren ihrer Ehe hatten sie eine kleine Wohnung gemietet. Das Wohnzimmer war gerade mal achtzehn Quadratmeter groß und mit geschenkten Möbeln eingerichtet. Ihr Schlafzimmer war nur unwesentlich kleiner, die Betten mussten über einen Kredit finanziert werden, und ein gebrauchtes Kinderbett wurde an eine freie Wand gestellt. Die Küche bestand aus einem winzigen Quadrat und im Bad gab es kaum Platz zum Stehen. Die Wände waren feucht. Mehr war es nicht, mehr durfte es aus finanziellen Gründen nicht sein. Sie waren bescheiden, sehr bescheiden und dennoch zufrieden gewesen. Inzwischen war Jan erwachsen, beruflich erfolgreich, verheiratet und lebte in Hamburg. Renate und Christian hatten ein ansehnliches Zuhause, eine hübsche Vierzimmerwohnung mitten in der Altstadt von Baden-Baden und bis vor zwei Jahren beide einen sicheren Arbeitsplatz gehabt. Während sich für Christian daran auch bis heute nichts geändert hatte, war Renate von einem Tag zum anderen arbeitslos geworden. Aus Angst, keine Arbeit mehr zu finden, hatte sie einen fatalen und unverzeihlichen Fehler begangen, der ihr Leben bis heute beeinflusste. Nein, er beeinflusste es nicht nur, sondern war des Pudels Kern, die Ausgangsbasis all ihrer Probleme und ihrer Verzweiflung. Ein einziger, allerdings großer Fehler, und ihr ganzes berufliches und privates Leben lag in Scherben. Herzlichen Glückwunsch! Auf diese ironische Weise gratulierte sie sich stets mehrmals am Tag selbst. Sie hatte lernen müssen, dass diese Art von Fehler nicht einfach mal so ausradiert werden konnte. Es war eine Art von Fehler, der es ihr schwer machte, daraus zu lernen und ihn für die Zukunft zu korrigieren. Er blieb auf weite Sicht an ihr kleben wie eine Klette. Was sollte das ganze Gequatsche von der zweiten Chance und von Sprüchen wie: Man darf ruhig Fehler machen, man muss nur daraus lernen und darf sie nicht wiederholen? Ein hartes Lachen entwich zwischen den Lippen. All diese Weisheiten halfen in ihrem Fall nicht. Diese Worte waren nur Schall und Rauch, nur etwas für Schönschwätzer und Sprücheklopfer. Siebenundzwanzig Jahre waren sie nun verheiratet und solange Renate denken konnte, war Christian pünktlich nach Hause gekommen. Doch von einem Tag auf den anderen hatte sich das geändert. Im Nachhinein konnte Renate nicht verstehen, dass sie es zwar bemerkt, aber wiederum doch nicht richtig bemerkt hatte. Es war ihr tatsächlich nicht in seiner vollen Tragweite aufgefallen, so sehr war sie wohl mit sich selbst und mit ihren persönlichen Problemen beschäftigt gewesen. Sie erinnerte sich an den ersten merkwürdigen Vorfall vor einigen Wochen, der ihr im Gedächtnis geblieben war. Die Alarmglocken hätten an diesem Tag läuten müssen, laut und schrill, aber sie hatten es nicht getan. Sie hatte das Abendessen vorbereitet und jede Minute mit Christian gerechnet. Fast drei Jahrzehnte lang hatte sie die Uhr nach ihm stellen können. Fast auf die Minute genau hatte er morgens das Haus verlassen und es abends wieder betreten. Es musste etwas passiert sein, dachte sie, eine solche Verspätung konnte nicht sein. Sie wählte die private Nummer seines Vorgesetzten, um ihn zu fragen, ob sie Überstunden machen mussten. Doch er erklärte ihr, dass sie das Büro pünktlich verlassen hatten. Blieb also nur noch die Vorstellung, dass es eine Panne oder einen Unfall gegeben hatte. Renate hatte nicht die Ruhe, still dazusitzen. Alle zwei Minuten sprang sie auf und lief zum Fenster. Sie lauschte auf jedes Geräusch im Treppenhaus, glaubte, den Schlüssel in der Tür zu hören, aber jedes Mal musste sie feststellen, dass sie sich getäuscht hatte. Sie wanderte ununterbrochen durch die Wohnung und zum Fenster. Düstere Bilder von einem Autounfall peinigten sie, und sie überlegte, was sie tun konnte....



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