Herold | Der gute Wirtschaftsbürger | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 470 Seiten

Herold Der gute Wirtschaftsbürger

Politische Begründungen ökonomischen Handelns in der Vormoderne
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-593-45190-9
Verlag: Campus Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Politische Begründungen ökonomischen Handelns in der Vormoderne

E-Book, Deutsch, 470 Seiten

ISBN: 978-3-593-45190-9
Verlag: Campus Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Was zeichnet einen ?guten Bürger? aus? Sollte er auch über Erwerbssinn, Konkurrenzdenken und Eigennutzorientierung verfügen und zu einem wirtschaftlich ?produktiven? Leben in der Lage sein? Oder ist dieser Gedanke eher das Ergebnis einer fortschreitenden ?Ökonomisierung? des politischen Denkens in unserem kapitalistischen Zeitalter? Maik Herold greift diese Frage auf und zeigt, dass politisches und wirtschaftliches Handeln nicht erst an der Schwelle zur Moderne zusammengedacht wurden, sondern bereits in der Antike. Schon hier war das Ideenfeld des Bürgers zugleich durch ökonomische Rollenbilder geprägt, sollten sich bestimmte soziomoralische Voraussetzungen guten politischen Handelns gerade aus wirtschaftlichen Erfahrungen ergeben. Mit diesen Erkenntnissen legt der Autor die Ursprünge einer Tradition klassisch ?wirtschaftsrepublikanischen? Denkens frei, aus der sich auch für die Gegenwart neue Antworten auf aktuelle Fragen zum Verhältnis von Demokratie und Marktwirtschaft ableiten lassen.

Maik Herold, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Technischen Universität Dresden.
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Vorwort


Was zeichnet einen ›guten Bürger‹1 aus? Sollte er auch über Erwerbssinn, Konkurrenzdenken und Eigennutzorientierung verfügen? Sollte ein ›guter Bürger‹ zu einem wirtschaftlich ›produktiven‹ und ›ertragreichen‹ Leben in der Lage sein? Aus politiktheoretischer Sicht scheint die Beantwortung dieser Fragen relativ einfach. Normative Verknüpfungen zwischen politischen und ökonomischen Rollenbildern werden hier typischerweise zurückgewiesen, die Begriffe von Demokratie, Zusammenhalt und Zivilgesellschaft dem Bereich wirtschaftlichen Handelns entgegengestellt. Zugleich scheinen die Kriterien ›guten Bürgerseins‹ einer Zeit vor der Entstehung der modernen zu entstammen – eine Zeit, in der der Maßstab guten politischen Handelns offenbar noch nicht wirtschaftlichen Überlegungen unterworfen, das klassische Leitbild des noch nicht durch den modernen verwässert war. Das Ideal eines mündigen, engagierten und gemeinwohlorientierten Bürgermenschen findet gar in der Antike ihren entscheidenden Bezugspunkt, denn nach allgemeiner Auffassung lagen hier die Grundkonzepte eines genuin ›politischen‹ Denkens noch in ihrer ursprünglichen Bedeutung vor und wurden sorgfältig von Lebensform und Ethos des Ökonomischen unterschieden. Doch entspricht dieses Bild tatsächlich der klassischen Vorstellungswelt? Waren politische und wirtschaftliche Handlungskontexte hier wirklich mit völlig unterschiedlichen Leitideen und Kompetenzanforderungen verbunden? Kam die Idee des Bürgers ursprünglich ohne wirtschaftliche Bezüge aus und wurde dann erst im 17. und 18. Jahrhundert, mit dem Siegeszug von Liberalismus, Kapitalismus und Marktdenken gleichsam ›ökonomisiert‹?

Die vorliegende Arbeit greift diese Frage auf und nimmt damit das Verhältnis von politischen und wirtschaftlichen Rollenbildern der Entstehung unserer modernen Kategoriensysteme in den Blick. Sie geht dabei bis zu den Ursprüngen des politischen Denkens zurück und untersucht, wie dort das Verhältnis von Wirtschaftshandeln und Bürgerkompetenz konzeptualisiert wurde. Geistes- und sozialgeschichtliche Perspektiven werden dabei miteinander verknüpft, die Entstehung und Entwicklung der Bürgeridee mit Überlegungen zur politischen, sozialen und wirtschaftlichen Geschichte aus Antike, Mittelalter und früher Neuzeit zusammengeführt. Ziel ist es, einem bekannten Untersuchungsgegenstand neue Facetten abzugewinnen, die Komplexität historischer Deutungszusammenhänge, die Pluralität der Argumente sowie die Vielschichtigkeit von Begründungsmustern darzustellen und so einen neuen Blick auf das historische Wechselspiel von wirtschaftlichen und politischen Rollenbildern zu eröffnen. Dabei zeigt sich, dass ökonomische Begründungszusammenhänge bereits in der Antike für die Bestimmung bürgerlicher Fähigkeiten, Motivationen und Tugenden von entscheidender Bedeutung waren. Erwerbsstreben, Wohlstand und bestimmten Formen des Wirtschaftshandelns konnten durchaus förderliche Wirkungen auf die politischen und moralischen Kompetenzen des Einzelnen unterstellt, die saturierte Abwendung von den Pflichten wirtschaftlicher Subsistenzsicherung hingegen als Auslöser von Konflikt, sozialer Desintegration und politischer Unfreiheit interpretiert werden. Weit über das klassisch-agrarrepublikanische Ideal hinausgehend galt der erfolgreiche als soziokulturelles Leitbild ›guten Bürgerseins‹ und vermochte dabei auch den Erfahrungs- und Relexionshorizont eines umtriebigen und erfolgreichen Erwerbsmenschen zu integrieren. Im historischen Vergleich sind diese Vorstellungen allerdings nicht als frühe Wegbereiter des modernen ›Wirtschaftsliberalismus‹, sondern als Segmente einer eigenständigen Tradition klassisch ›wirtschaftsrepublikanischen‹ Denkens zu verstehen. Nach dessen Vorstellungen war der Ausgleich zwischen politischen und ökonomischen Rollenerwartungen nicht auf die Vermittlung durch übergeordnete Instanzen, sondern auf den Einzelnen, seine individuellen Fähigkeiten, Motivationen und Tugenden angewiesen. Ein ›guter Bürger‹ war sowohl in seiner theoretisch-konzeptionellen als auch seiner praktisch-sozialen Dimension als Rollenmodell des Politisch-Ökonomischen, als ›guter Wirtschaftsbürger‹ definiert. Erst im 17. und 18. Jahrhundert, mit dem Siegeszug von Marktidee, Interessenbegriff und modernem Autonomieverständnis wurden die mit dieser Tradition in Verbindung stehenden Überlegungen und Argumente schrittweise an den Rand gedrängt, der Bürgerbegriff schließlich in einen ökonomisch orientierten und einen rein politisch definierten aufgespalten. Teile der vormodernen Begründungsmuster kehren in der Gegenwart des 21. Jahrhunderts allerdings zurück und werden heute etwa in wirtschaftsethischen Debatten zum Verhältnis von Bürgermoral und Erwerbshandeln wieder aufgegriffen. Mit diesen Erkenntnissen unternimmt die Studie den Versuch, Elemente einer Tradition des politisch-ökonomischen Denkens vor der Herausbildung der modernen Politischen Ökonomie, eine Tradition des Wirtschaftsbürgerdenkens vor Entstehung des ›Wirtschaftsliberalismus‹ freizulegen. Gerade mit Blick auf die anstehende soziale und ökologische Weiterentwicklung unseres marktwirtschaftlichen Systems können daraus wichtige Anregungen gewonnen werden.

In allen Phasen ihrer Entstehung hat diese Arbeit allerdings auch zahlreiche Bemerkungen zur ›Ökonomie des Promovierens‹ ausgelöst. Sie hat Überlegungen über die dafür notwendigen Fähigkeiten, Motivationen und Tugenden provoziert und für den Autor nachhaltig die Grenzen zwischen Arbeit und Muße, Freiheit und Pflichterfüllung verwischt. Schlussendlich stellt dieses Buch die leicht überarbeitete und gekürzte Fassung der daraus hervorgegangenen Dissertationsschrift dar, die ich im November 2020 an der Philosophischen Fakultät der Technischen Universität Dresden eingereicht und im Mai 2021 erfolgreich verteidigt habe. Ihre Kernideen habe ich am dortigen Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte im Rahmen des von der Fritz Thyssen Stiftung zwischen 2014 und 2018 geförderten Projekts »Der gute Bürger« entwickelt. Auch wenn ein Schwerpunkt der Projektarbeit ab Herbst 2014 unerwartet durch neue »Wutbürger« und ihre politischen Verbündeten bestimmt war, fanden sich immer wieder Gelegenheiten, auch die Überlegungen zum »Wirtschaftsbürger« weiterzuentwickeln. Mein herzlichster Dank gilt dabei zunächst Hans Vorländer, der mir als Betreuer stets genug Freiräume ließ, dieses Projekt voranzubringen. Seine kritischen Nachfragen halfen mir ein ums andere Mal, die eigenen Argumente zu hinterfragen oder noch überzeugender darzulegen. Seine zahlreichen Hinweise und Kommentare haben mich immer wieder dazu veranlasst, das Geschriebene zu präzisieren, zu perspektivieren und schließlich auch zusammenzubinden. Karsten Fischer danke ich für die Begutachtung der Arbeit sowie für wertvolle Hinweise zur Überarbeitung und Ergänzung des Manuskripts. Martin Jehne konnte ich für die Übernahme des Vorsitzes meiner Promotionskommission, Uwe Backes und Anna Holzscheiter für ihre Mitwirkung in diesem Gremium gewinnen.

Zum Gelingen dieser Arbeit haben auch meine Kolleginnen und Kollegen beigetragen, die am Dresdner Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte sowie am Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM) stets für ein spannendes und intellektuell bereicherndes Umfeld sorgten. Besonderen Dank schulde ich allen, die den Entstehungsprozess mit Rat, Kritik und Ermutigung begleitet haben. Daniela Herold und Steven Schäller haben mir von Beginn an zur Seite gestanden und später unterschiedliche Versionen des Manuskripts gelesen, kommentiert und damit verbessert. Oliviero Angeli, Jan Röder und Christian Wöhst verdanke ich weitere wertvolle Hinweise, Anregungen und Kommentare. In Kolloquien, Workshops und auf Tagungen hatte ich zudem zahlreiche Gelegenheiten, Teil- und Zwischenergebnisse vorzustellen und zu diskutieren. Von Anja Bohländer, André Brodocz, Kerstin Budde, Claudia Creutzburg, Marlen Gnerlich, Stefanie Hammer, Dietrich Herrmann, Katja Schröder, Julia Schulze Wessel, Daniel Schulz, Johannes Schulz und Solongo Wandan habe ich dabei über die Jahre viel wohlwollende Unterstützung, gewinnbringende Kritik und anregende Neugier erfahren. Darüber hinaus wurde mein Interesse für Fragen von Bürgersinn, Zivilreligion und gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie das politische und ökonomische Denken in Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit maßgeblich ...



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