Hermann | Die Glasmacherin | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Reihe: Historischer Schwarzwaldkrimi

Hermann Die Glasmacherin


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-96041-104-8
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Reihe: Historischer Schwarzwaldkrimi

ISBN: 978-3-96041-104-8
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
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Marie, Tochter des Glasvogts und Mutter eines unehlichen Kindes, erlernt von ihrem Onkel die Kunst wertvolles Glas herzustellen. Sie träumt davon, die erste weibliche Aschenbrennerin zu werden. Auch Wiltrudis, Priorin des Klosters Berau, steht vor einer großen Herausforderung. Sie will sich auf die Suche nach ihrem tot geglaubten Sohn begeben. Doch die Plände der beiden Frauen drohen zu scheitern - denn ein Mörder auf Rachefeldzug kreuzt ihren Weg....

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KAPITEL 2 Trotz seines Rufes, mit eiserner Hand zu regieren, war Abt Augustinus keine besonders auffallende Erscheinung. Er trug, wie alle Mönche des Ordens, einen schwarzen Habit. Auf seiner Brust prangte ein Kreuz, das an einer Kette hing. Lediglich ein darin eingelassener Rubin zeugte von einer hohen Stellung innerhalb des Ordens. Niemand hätte also auf den ersten Blick jene ehrgeizige Seele vermutet, die unter der Kutte wohnte. Augustinus verfolgte ein ruhmvolles Ziel: Er wollte in die Geschichte St. Blasiens eingehen. Dazu musste er am besten schon zu Lebzeiten, spätestens aber nach seinem Tod von sich reden machen. Etwas Bestehendes schaffen, das er der Nachwelt hinterlassen konnte. Etwas Eindrucksvolles. Es gab zwei Möglichkeiten, sich zu verewigen: Entweder war man ein genialer Denker und Reformator, oder man hinterließ großartige Baudenkmäler. Besser war beides. Augustinus hatte zwar vier Jahre lang am Collegium Germanicum in Rom studiert, was ihm die Familie ermöglicht hatte. Doch er war kein so herausragender Schüler gewesen, um die Kirchengeschichte zu revolutionieren. Er war eher Durchschnitt, das Studentenleben ihm wichtiger als die Lehrinhalte seines Studiums. Seine kirchliche Karriere hatte er dem Status seines verstorbenen Vaters zu verdanken, des Oberamtmanns Elias Vratislaus Thomas Eusebius Finck aus Wolfach, dessen zweiter Vorname seiner Geburtsstadt Prag geschuldet war, wo Augustinus’ Großvater als Landschaffner und Amtmann abberufen gewirkt hatte. Die Stammheimat der Familie war jedoch Wolfach. Augustinus, der mit bürgerlichem Namen Simon Eusebius hieß, war das siebte Kind des bereits einundsechzigjährigen Vaters. Seine Mutter Jakobea Wohlin dessen zweite Frau. Seine Brüder, zwei waren den Kapuzinern beigetreten, hatten sich schon Rang und Namen erarbeitet, die Schwestern waren gut verheiratet. Simon Eusebius alias Augustinus entstammte also einer angesehenen und mächtigen Familie. Erfolg wurde vorausgesetzt. Schon als junger Mann hatte Augustinus Mittel und Wege gefunden, erwünschte Ziele zu erreichen. Seine Mitschüler nannten diese zweifelhafte Gabe noch Erpressung – als Abt adelte man die Gabe als Strategie. Da es nun mit der Umsetzung einer Ideologie haperte – er hatte schlichtweg noch keine –, musste die zweite Möglichkeit, sich ein Denkmal zu setzen, herhalten. Die sichtbaren Werke! Was eignete sich dazu besser als der ein oder andere Prunkbau? Ein Mann der Kirche bewies seine Glaubensstärke erst einmal im Bau eines Gotteshauses. Nach dem neuesten Stil, dem Barock, versteht sich. Kein dunkler mittelalterlicher Sakralbau mehr. Gold und Weiß waren die vorherrschenden Farben. Nach den langen Kriegsjahrzehnten sehnte man sich nach neuer Leichtigkeit. Stuckverzierungen, Deckengemälde und, ganz wichtig, zwei Türme musste sie haben, diese neue Kirche. Nur Bürgerkirchen gaben sich noch mit einem Turm ab. Doch das kostete. Geld war nach dem Dreißigjährigen Krieg keines übrig, blieben nur die Opfer der Untertanen. Diese begehrten zwar auf, aber Augustinus ließ sich wegen des Gejammers nicht erweichen. Hätten die Herren sich immer nach dem Volk gerichtet, gäbe es in der Welt keine bewundernswerten Bauwerke. Um den Bau voranzutreiben, waren die Baumeister auf die Idee gekommen, bereits behauene Steinquader zu verwenden. Eine mögliche Quelle wurde schnell gefunden: die Roggenbacher Schlösser, zwei Burgruinen aus dem 12. Jahrhundert. Doch die Handwerker hatten nicht mit der Qualität des damaligen Mörtels gerechnet. Eher barsten die Steine, als dass sich die Quader aus dem Mauerwerk lösen ließen. Trotzdem hielt man bereits 1708 Einzug in die neue Kirche St. Blasiens. Mit dem Tessiner Künstler Francesco Antonio Giorgioli konnte Augustinus einen Meister für die Malereien gewinnen. Dass der Obervogt Gump aus Bettmaringen ihm nun gegenübersaß, gehörte zur Strategie. Der Strategie der Mehrung des klösterlichen Besitzes. Prunkvolle Bauten waren zwar Etikette, nach denen ein Abt beurteilt wurde, aber sie mussten auch finanziert werden. Finanziert mit der Arbeit der Untertanen. Die Glasmacher waren eine solche Quelle. Im weitläufigen Waldgebiet am Schluchsee, vereint mit den Kräften von Grünwald, konnte die Produktion erneut effektiver gestaltet werden. Es wäre nicht nötig gewesen, den Obervogt extra kommen zu lassen, Augustinus konnte ihm noch nichts auf die Hand geben. Doch er brauchte ihn, um die Zugehörigkeit der künftigen Siedlung zu Schluchsee zu beglaubigen. Dazu gehörte, ihn auszuhorchen, wie er der neuen Glashütte gegenüber eingestellt war. Würde er die Gebietszugehörigkeit kritisch hinterfragen? Augustinus hatte sich nicht getäuscht. Der Obervogt war an einer Erweiterung der Vogtei ebenfalls interessiert. Hingen sein Verdienst und Ansehen doch auch indirekt von der Anzahl der Untertanen und Ortschaften ab. St. Blasien hatte bereits mit Zukäufen der Vogteien Bonndorf und Schluchsee die Reichsunmittelbarkeit über diese Gebiete erstanden – trotz des weltlichen Status, im Zwing und Bann des Habsburger Kaiserhauses zu stehen. Das hieß, dass auch die Steuerabgaben dem Kloster und nicht Österreich zuflossen. St. Blasien war quasi ein Kleinstaat im Staate Vorderösterreich der Habsburger. »Kraft meines Amtes«, Augustinus wandte sich endlich an seinen ungeduldig wartenden Besucher, »werde ich Euch von meinem Sekretarius eine Urkunde ausstellen lassen, Herr Obervogt Gump. Die Reichsvogtei Schluchsee gehört zu Eurem Obervogteibezirk, so wird auch mit der neuen Glasersiedlung Äule nordwestlich des Sees verfahren. Sie wird Schluchsee zugehörig sein und untersteht damit dem Kloster St. Blasien und Euch als meinem Verwalter.« Mit einem leichten Nicken zeigte Abt Augustinus, dass der Obervogt entlassen war. Der verbeugte sich ebenfalls, wenn auch kniefälliger, wie es sich für einen Untergebenen ziemte, und verließ den Raum. St. Blasien würde seinen Machtbereich um eine Siedlung erweitern, ein bisheriges Niemandsland, so ursprünglich, wie es die vorchristlichen Völker verlassen hatten. Einige Zeugen dieser Heidenvölker, die der Zerstörung durch christliche Eiferer entgangen waren, lebten seit Jahrhunderten in ein paar stummen Steinmonumenten weiter, überwuchert von Wäldern. Diese Wildnis hatte bisher lediglich als Jagdgebiet gedient. Doch nun würden die Glasmacher den Urwald kultivieren. Beim Hinauseilen stieß der Obervogt mit dem Sekretarius zusammen. »Der Abt will die neue Siedlung besiegeln lassen. Bruder Stephanus, was meint Ihr, ab wann wird in Äule Glas produziert? Wann könnt Ihr mir die Urkunde fertigen?« »Ihr habt es wohl sehr eilig, neuen Schäflein vorzustehen, wie?« Stephanus sagte meist, was er dachte, es sei denn, er war sich seiner Sache noch nicht sicher. Der Obervogt fühlte sich ertappt. Pikiert holte er kurz Luft, entschied sich dann aber, nicht weiter auf die Anspielung einzugehen. Was brachte es, sich Ärger mit dem Sekretarius des Klosters einzuhandeln? Er würde öfter mit ihm zu tun haben. Sicherlich war es klug, ihn nicht zu unterschätzen. Wer in der Gunst des Abts stand, hatte es meist faustdick hinter den Ohren. Und wer es sich mit dem Abt verscherzte, dessen Niedergang war so gewiss wie das Amen in der Kirche. »Reine Neugier, ich muss mich ja darauf einstellen können, was die Verwaltung anbelangt«, redete er sich heraus und drückte dabei die mitgebrachten Unterlagen wie ein Schutzschild vor seine Brust. Er hatte sich die Namen aller Familienmitglieder, die umziehen würden, notiert. Zur Kontrolle. Stephanus fragte sich zwar, was er mit den Papieren wollte, nahm sich aber nicht die Zeit, ihn darauf anzusprechen. Die die St. Blasianischen Gebiete betreffenden Urkunden wurden ausschließlich im Kloster besiegelt und aufbewahrt. »Ja, ja, alles muss seine Ordnung haben, da gleicht Ihr Abt Augustinus, oder sollte ich sagen, seinem Oberrechner?«, antwortete Stephanus etwas ungehalten. »Doch seid Euch gewiss, die beiden werden nicht auf die Einnahmen aus den Glasöfen verzichten wollen. So muss Augustinus sich gedulden, bis in Äule alles aufgebaut ist, sodass die Sippe den Umzug ohne längeren Arbeitsausfall vollziehen kann. Also von Ofen zu Ofen. Das Kloster wird Handwerker und Bauarbeiter anstellen müssen. Die Glasmacher können von ihrem Ofen am Windberg nicht weg. Aber der Vertrag läuft erst 1714 aus, in drei Jahren.« »In drei Jahren erst?« Eigentlich hatte Obervogt Gump geglaubt, die Urkunde gleich unterschreiben und mit seinen Notizen vergleichen zu können. »In drei Jahren. Die Siedlung wird erst beglaubigt, wenn sie steht«, sagte Stephanus. »Aber Ihr werdet mich aufsuchen, wenn Ihr die Urkunde ausgestellt habt?« »Aber gewiss doch, wir haben Zeit, und nur der Herr weiß, was bis dahin ist.« Obervogt Gump gab sich geschlagen, wenn auch etwas zerknirscht. Die Mühlen der Klöster mahlten noch langsamer als die seiner Verwaltung. Sie verabschiedeten sich, Stephanus hatte es plötzlich eilig, ins Skriptorium zu kommen. Diese Urkunde hatte Zeit, gewiss, aber eine andere Arbeit nicht. Eben hatte er Pater Cajetano in die Kapelle gehen sehen. Das bedeutete freie Hand. Seit einigen Wochen hatte Cajetano es sich angewöhnt, in der Kapelle zu beten, immer zur selben Zeit, immer samstags abends, wenn die Glasmacher ihre Waren abgeliefert hatten. Auch Justus trieb sich dort öfter herum. Aber der war stets überall und nirgends anzutreffen. *** Es war...


Birgit Hermann lebt mit ihrem Mann in Titisee-Neustadt, ist gebürtige Schwarzwälderin und liebt die blauen Höhen und dunklen Wälder ihrer Heimat. Die Mutter dreier erwachsener Kinder arbeitet als Naturparkführerin und als Medizinische Fachangestellte und hat bereits mehrere erfolgreiche Romane veröffentlicht.



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