E-Book, Deutsch, Band 2, 720 Seiten
Herbert / Anderson Die Mentaten des Wüstenplaneten
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-641-21022-9
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, Band 2, 720 Seiten
Reihe: Der Wüstenplanet - Great Schools of Dune
ISBN: 978-3-641-21022-9
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In der fernen Zukunft haben die Menschen das Weltall besiedelt, doch das menschliche Denken ist noch immer bestimmt von Machtgier, Korruption und Rachegelüsten: Gilbertus Albans hat eine Schule für Mentaten gegründet, in der Menschen das effiziente Denken der künstlichen Intelligenzen erlernen. Währenddessen will Valya Harkonnen vom Orden der Bene Gesserit Vergeltung für den Ruin ihrer Familie, und die VenHold Spacing Fleet kontrolliert alle Handelswege der Galaxis. Als sich die Interessen der drei Mächte kreuzen, steht das Schicksal der gesamten Menschheit auf dem Spiel ...
Brian Herbert, der Sohn des 1986 verstorbenen Wüstenplanet-Schöpfers Frank Herbert, hat selbst Science-Fiction-Romane verfasst, darunter den in Zusammenarbeit mit seinem Vater entstandenen »Mann zweier Welten«.
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1
Was bedeuten all unsere Errungenschaften,
wenn sie keinen Bestand über unseren Tod hinaus haben?
Direktor Gilbertus Albans,
Archiv der Mentatenschule
Die große Schule der Mentaten war ganz und gar seine Schöpfung – von der ursprünglichen Idee vor siebzig Jahren über die Auswahl des Standortes in den abgelegenen Sümpfen auf Lampadas bis hin zu den vielen Absolventen, die er im Laufe der Jahre unterrichtet hatte. Mit seiner ruhigen, zielstrebigen Arbeit änderte Gilbertus Albans die Entwicklung der menschlichen Zivilisation.
Und er würde sich sein Werk nicht von Imperator Salvador Corrino oder den fanatischen technologiefeindlichen Butler-Anhängern wegnehmen lassen.
In den knapp zweihundert Jahren seines künstlich verlängerten Lebens hatte Gilbertus Vorsicht gelernt. Nachdem er erkannt hatte, dass umstrittenen charismatischen Persönlichkeiten zumeist kein langes Leben beschieden war, spielte er seine Rolle in der Öffentlichkeit herunter – er verhielt sich ruhig und unaufdringlich und ging manchmal auch Bündnisse ein, die ihm persönlich widerstrebten, wenn sie seiner Einschätzung nach den langfristigen Zielen der Mentatenschule dienlich waren.
Mentaten: Menschen, deren Gehirne so organisiert waren, dass sie in einer reaktionären Gesellschaft, die Denkmaschinen in jeder Form verschmähte und verunglimpfte, wie Computer funktionieren konnten. Nicht einmal seine eigenen Studenten wussten, dass Gilbertus heimlich auf das Wissen und die Erfahrungen eines Mentors zurückgriff, bei dem es sich um den berüchtigten Roboter Erasmus handelte. Er fürchtete, dass es sogar seine treuesten Studenten abgeschreckt hätte. Dennoch: Nachdem seine Mentaten sich über viele Jahre hinweg als verlässlich erwiesen hatten, waren sie für die Adelshäuser des Imperiums inzwischen unverzichtbar geworden.
In derart gefährlichen Zeiten konnte jede unbeantwortete Frage und jeder bloße Verdacht die Schule zu Fall bringen. Er wusste, was der Schwesternschaft auf Rossak widerfahren war. Falls er den kleinsten Fehler beging und seine wahre Identität bekannt wurde …
In seinem Büro im Hauptgebäude der Akademie warf er einen Blick auf das Chronometer. Bald würde der Bruder des Imperators, Roderick Corrino, mit einem Militärtransporter eintreffen, um sich zu vergewissern, dass seine Schwester an der Mentatenschule gut aufgehoben war. Vor einiger Zeit hatte Gilbertus versprochen, dass seine strengen Unterrichtsmethoden den Zustand des geistesgeschädigten Mädchens verbessern konnten, es vielleicht sogar aufblühen lassen konnten. Aber der menschliche Geist war eine verzwickte Sache; es ließ sich nicht genau feststellen, wie viel Schaden ihr das Gift auf Rossak zugefügt hatte, und es gab auch keine auf der Hand liegende Heilung. Gilbertus hoffte auf Rodericks Verständnis.
Bevor er die Räumlichkeiten der Schule betrat, legte er sein beeindruckendes karmesinrotes Direktorengewand an. Seine Schminke für den Tag hatte er bereits aufgetragen, sein Haar mit falschem Grau bestäubt und seine Haut aufgeraut, um seine jugendliche Erscheinung zu verbergen. Nun war er in Eile, denn das Militärschiff des Imperiums würde sich bestimmt nicht verspäten. Er musste dafür sorgen, dass Anna vor ihrem Bruder eine gute Figur machte.
Gilbertus beschattete die Augen, als er das Akademiegebäude verließ. Die helle Luft war feucht wie ein vollgesogener Schwamm, und die überall herabhängenden Tropfen brachen das Licht wie Vergrößerungsgläser. Hölzerne Stege verbanden die Schulgebäude, die auf den Randgewässern eines trüben, sumpfigen Sees schwammen. Ursprünglich war die Schule weiter draußen verankert gewesen, aber nach einigen Zwischenfällen mit aggressiven Wasserlebewesen hatte man den ganzen Komplex an eine geschütztere Stelle in Ufernähe gezogen.
Zu den ursprünglichen Schulgebäuden waren inzwischen einige neuere, elegantere, mit Kuppeln und Aussichtsplattformen versehene Anbauten hinzugekommen. Auf unterschiedlicher Höhe verbanden Brücken die Schlafsäle, Seminarräume, Laboratorien, Meditationspavillons und Bibliotheken. Die gesamte Anlage war von einem Schutzwall umgeben, der von einer verborgenen Schildvorrichtung, ausgeklügelter Unterwasserelektronik und Wachtürmen verstärkt wurde.
Auf Lampadas gab es angenehme und geradezu idyllische Landstriche, doch dieser See und die angrenzenden Sümpfe gehörten zum Übelsten, was der Planet zu bieten hatte, und waren voller Raubtiere und anderer Gefahren.
Auf dem Weg zur Aussichtsplattform hörte der Direktor gurgelnde Sumpfgeräusche, und Stechfliegen umschwärmten ihn. Es war keine friedvolle Umgebung, in der die Studenten ihre geistigen Fähigkeiten in stundenlanger, ungestörter Meditation voll entfalten konnten. Gilbertus hatte diese unwirtliche Gegend mit Bedacht gewählt. Er war der Meinung, dass Gefahr und Isolation die Konzentration seiner Elitekandidaten schärfen würden.
So gut die Schule auch vor den Gefahren ihrer Umwelt geschützt war, was Gilbertus weit mehr Sorgen machte, war die zunehmende Unberechenbarkeit der Butler-Anhänger. Für eine moderne Armee war es ein Leichtes, die Schule mit einem Bombardement aus der Luft oder dem Weltraum zu vernichten. Die fanatischen Technologiefeinde benutzten zwar keine Hightechwaffensysteme, aber trotzdem konnten sie durch ihre schiere Masse großen Schaden anrichten, wie sie schon bei Volksaufständen auf verschiedenen Welten des Imperiums bewiesen hatten. Gilbertus wandelte auf einem schmalen Grat.
Nach außen hin unterstützten die Butler-Anhänger die Grundprinzipien der Mentatenausbildung – dass Menschen alles konnten, was auch Maschinen konnten, und sogar mehr. Ihr Anführer, der beinamputierte Manford Torondo, verwendete oft die Rechenmethoden und Strategien der Mentaten, um seine Ziele zu erreichen. Andererseits betrachtete er jeden offenen Ideenaustausch bei Diskussionen unter den Studenten mit Misstrauen. Einmal hatte Gilbertus die Schule in Gefahr gebracht, indem er bei einer rein hypothetischen intellektuellen Debatte die Idee ins Spiel gebracht hatte, dass Denkmaschinen vielleicht gar nicht so schlimm seien, wie von der Butler-Propaganda behauptet. Die Schule und sogar Gilbertus selbst hätten die Folgen fast nicht überlebt. Daraus hatte er gelernt. Seit jener Zeit behielt er seine Gedanken für sich und gab sich versöhnlich, um die Gemüter nicht erneut zu erregen.
Während er zu den Außengebäuden unterwegs war, übermittelte die Verwaltung ihm die Nachricht, dass sich die imperiale Fähre im Landeanflug befand. Gilbertus legte die Hand an seinen Funkempfänger. »Danke. Ich werde Anna Corrino zum Landeplatz bringen.« Er hoffte, dass sie einen ihrer wacheren Tage hatte, sodass sie mit ihrem Bruder in Kontakt treten konnte, anstatt durch das Labyrinth in ihrem Kopf zu irren.
Das höchste Gebäude der Schule diente als Aussichtsplattform, von dem aus die Mentatenstudenten das Universum mit bloßem Auge betrachten und die Sterne in der Nacht zählen konnten, um ihre Anordnung in den unendlichen Weiten auswendig zu lernen und so ihr Gedächtnis zu trainieren. Tagsüber hielt sich niemand hier auf dem Dach auf – mit Ausnahme von Anna Corrino, die in die Landschaft starrte.
Die junge Frau war fasziniert vom Umland der Akademie, die im Osten an ein undurchdringliches Gewirr aus Sangrovenbäumen grenzte, während im Süden Sumpflöcher, Treibsand und verzweigte brackige Wasserläufe das Vorankommen erschwerten. Im Norden und Westen schließlich lag der große, seichte Sumpfsee.
Gilbertus trat neben Anna. »Dein Bruder kommt. Er wird sich freuen, dich zu sehen.«
Sie würdigte den Direktor keines Blickes, aber ein Zucken ihres Mundwinkels und ein Flattern der Augenlider verrieten ihm, dass sie sich seiner Anwesenheit bewusst war. Sie drehte den Kopf, um ein trockengelegtes Stück Sumpf zu betrachten, das als Landeplatz für Fähren und Kurzstreckenflieger verwendet wurde. Das vorherige, auf Flößen gelegene Landefeld war immer wieder von gefährlichen Tieren aus dem See beschädigt worden, weshalb es sich auf Dauer nicht hatte instand halten lassen.
Der stellvertretende Schulleiter Zendur und eine Gruppe Mentatenschüler bestrichen das Sumpfgras mit Flammenwerfern, um Platz für Roderick Corrinos Fähre zu schaffen. Weil hier alles so schnell wuchs, musste die Landefläche für jedes Schiff von Neuem freigelegt werden. Solange niemand erwartet wurde, ließ Gilbertus den Bereich zuwuchern, um niemanden – insbesondere nicht Manford Torondo – zu einem Überraschungsbesuch zu ermutigen.
Anna wandte den Blick nicht von der entstehenden Lichtung ab, während sie sagte: »Was meinst du, wie viele Fliegen sie töten?«
»Und wie viele Grashalme?«, entgegnete Gilbertus, der wusste, dass es für sie ein Spiel war.
Anna dachte über die Frage nach. »Wenn ich wüsste, wie viele Quadratmeter der Landestreifen groß ist, könnte ich die wahrscheinliche Verteilung der Grashalme berechnen. Für eine bestimmte Menge Sumpfgras könnte ich dann abschätzen, wie viele Fliegen darin leben.«
»Und wie viele Spinnen, die die Fliegen fressen«, warf Gilbertus ein, um ihren Geist in Bewegung zu halten.
»Ich könnte anhand der Nahrungskette eine Kaskadenberechnung anstellen.« Annas schmale Schultern zuckten, und ihre Lippen bildeten ein dünnes Lächeln. Sie wandte sich ihm zu und sah ihn zum ersten Mal an diesem Tag wirklich an. »Aber eigentlich spielt das gar keine Rolle, nicht wahr? Das Gras wird wieder wachsen, die Fliegen werden zurückkehren, die Spinnen werden sie fressen, und der Sumpf wird sein Gebiet zurückerobern – bis wir...