E-Book, Deutsch, Band 1
Herbert / Anderson Der Wüstenplanet: Paul Atreides
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-641-21012-0
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, Band 1
Reihe: Der Wüstenplanet - Heroes of Dune
ISBN: 978-3-641-21012-0
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
'Der Wüstenplanet' endet, als Paul Atreides die Herrschaft über Arrakis antritt und damit die Kontrolle über das Spice übernimmt, das für die interstellare Raumfahrt unabdingbar ist. Der zweite Teil, 'Der Herr des Wüstenplaneten', spielt etliche Jahre später, nachdem Pauls Truppen bereits die Herrschaft über die Galaxis übernommen haben und der Muad'dib Imperator eines gewaltigen Sternenreiches geworden ist. Doch was geschah in diesen entscheidenden Jahren dazwischen? Wie wurde der vorherige Imperator gestürzt? Welche Feinde haben das zu verhindern versucht? Und wie wurde der junge Paul Atreides zum Propheten? Denn nicht alle folgten Muad'dib bereitwillig in den Dschihad ...
Brian Herbert, der Sohn des 1986 verstorbenen Wüstenplanet-Schöpfers Frank Herbert, hat selbst Science-Fiction-Romane verfasst, darunter den in Zusammenarbeit mit seinem Vater entstandenen 'Mann zweier Welten'.
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1
Von meinem Vater ist viel mehr zurückgeblieben als diese wenigen Relikte. Seine Abstammung, sein Charakter und seine Lehren haben mich zu dem gemacht, der ich bin. Solange das Universum sich an mich als Paul Muad'dib erinnert, solange wird auch Herzog Leto Atreides nicht vergessen werden. Ein Sohn wird immer von seinem Vater gestaltet.
Inschrift auf dem Schrein am Harg-Pass
Ein stiller Ozean aus Sand erstreckte sich, so weit das Auge reichte, lautlos und friedlich, obwohl er das Potenzial für schreckliche Stürme in sich trug. Arrakis, der heilige Wüstenplanet, wurde zum Auge eines galaktischen Hurrikans, eines blutigen Djihads, der über die Planeten des zerfallenden Imperiums hinwegfegen würde. Paul Atreides hatte es vorhergesehen, und nun hatte er das Geschehen in Gang gesetzt.
Seit dem Sturz Shaddams IV. vor einem Jahr hatten sich Pauls Armeen Millionen Bekehrte angeschlossen, zur Verstärkung seiner Fremen-Krieger, die ihm Treue bis in den Tod geschworen hatten. Angeführt von seinen fanatischen Fedaykin und anderen vertrauenswürdigen Offizieren waren seine heiligen Krieger bereits von ihren Sammelpunkten aufgebrochen und hatten sich auf den Weg zu bestimmten Sonnensystemen gemacht. An diesem Morgen hatte Paul vor Stilgar und seiner Legion eine mitreißende Rede gehalten, in der er gesagt hatte: »›Ich erfülle euch mit Kraft, meine Krieger. Geht hin und erfüllt meinen heiligen Willen.‹« Es war eins seiner Lieblingszitate aus der Orange-Katholischen Bibel.
Später, in der größten Nachmittagshitze, hatte er sich weit vom Trubel der Stadt Arrakeen entfernt, von den unruhigen Soldaten und vom kriecherischen Geschrei seiner Verehrer. Hier in den abgelegenen Bergen brauchte Paul keine Fremen-Führer. Die tiefe Wüste war still und rein und gab ihm die Illusion von Frieden. Seine geliebte Chani war bei ihm, genauso wie seine Mutter Jessica und seine kleine Schwester. Alia war zwar noch keine vier Jahre alt, aber schon viel mehr als ein Kind. Bereits vor der Geburt hatte sie ihr Bewusstsein erlangt und war so mit dem Wissen einer Ehrwürdigen Mutter auf die Welt gekommen.
Als Paul und seine Begleiter die kahlen braunen Berge zum Harg-Pass hinaufstiegen, versuchte er, sich an einem Gefühl gelassener Schicksalsergebenheit festzuhalten. In der Wüste kam er sich klein und demütig vor, was im strengen Gegensatz zu seiner Verehrung als Messias stand. Er schätzte jeden ruhigen Augenblick fort von seinen ergebenen Anhängern, die »Muad'dib! Muad'dib!« riefen, sobald sie ihn erblickten. Wenn in nächster Zukunft die ersten Nachrichten von militärischen Triumphen eintrafen, würde es noch viel schlimmer werden. Aber das war unvermeidlich. Letztlich würde auch er vom Djihad mitgerissen werden. Er hatte den Kurs bereits abgesteckt, wie ein großer Navigator der menschlichen Geschichte.
Der Krieg war eins der Werkzeuge, die ihm zur Verfügung standen. Nachdem er den Padischah-Imperator ins Exil nach Salusa Secundus geschickt hatte, musste Paul seine Macht unter den Mitgliedern des Landsraads konsolidieren. Er hatte seine Diplomaten entsandt, damit sie Verhandlungen mit verschiedenen Adelshäusern aufnahmen, während er seine fanatischsten Kämpfer gegen die aufsässigen Familien in Marsch gesetzt hatte. Es gab mehrere Fürsten, die die Waffen nicht niederlegen wollten und geschworen hatten, erbitterten Widerstand zu leisten. Sie behaupteten, entweder nicht bereit zu sein, einem Rebellen zu folgen, oder grundsätzlich genug von Imperatoren zu haben. Ungeachtet dessen würden die Armeen Muad'dibs über sie hinwegfegen und weiterstürmen. Obwohl Paul versuchte, die Gewalt zu reduzieren oder gänzlich zu vermeiden, ahnte er, dass die blutige Wirklichkeit selbst seine schlimmsten Zukunftsvisionen übertreffen würde.
Und seine Visionen waren bereits furchterregend genug gewesen.
Jahrhunderte der Dekadenz und der Misswirtschaft hatten große Mengen Totholz im Imperium hinterlassen – und auf diesem Nährboden konnte sich der Feuersturm jetzt mit erstaunlicher Geschwindigkeit ausbreiten. In zivilisierteren Zeiten waren Konflikte zwischen den Häusern durch altertümliche Assassinenkriege beigelegt worden, aber diese Lösung erschien nun geziert und kurios und kam nicht mehr infrage. Wenn die Fürsten sahen, wie sich die Sturmflut religiöser Leidenschaft ihren Welten näherte, würden manche lieber kapitulieren, als zu versuchen, sich der unaufhaltsamen Angriffsmacht entgegenzustellen.
Aber nicht alle würden so vernünftig sein …
Auf ihrer Wanderung trugen Paul und seine drei Begleiter neue Destillanzüge, über die sie gescheckte Umhänge gezogen hatten, um sich in der Wüste zu tarnen. Obwohl die Kleidungsstücke abgenutzt wirkten, waren sie in Wirklichkeit viel edler als alles, was Paul in seiner Zeit als Flüchtling unter den Fremen getragen hatte. Die Hersteller behaupteten, dass diese widerstandsfähigen Importe von Fremdwelten den einfacheren Versionen überlegen waren, die in den verborgenen Sietchs auf traditionelle Weise gefertigt worden waren.
Die Fabrikanten meinen es nur gut, dachte er. Damit wollen sie mir ihre Unterstützung demonstrieren, ohne dass ihnen die implizite Kritik in ihren »verbesserten« Produkten bewusst ist.
Nachdem er genau die richtige Stelle hoch auf dem Felsgrat gefunden hatte, einem kleinen natürlichen Amphitheater, das von hohen Steinen gesäumt wurde, nahm Paul seinen Rucksack ab. Er öffnete die Gurte und zog die schützenden Lagen aus Velvatin-Stoff auseinander, mit einer Ehrfurcht, die fast mit jener vergleichbar war, die er in den Gesichtern seiner treuesten Anhänger sah.
In respektvollem Schweigen holte er den glatten, elfenbeinfarbenen Schädel und mehrere Knochenbruchstücke hervor – zwei Rippen, eine Elle und einen Oberschenkelknochen, der brutal entzweigebrochen war. All das hatten die Fremen nach der Eroberung Arrakeens durch die Harkonnens jahrelang aufgehoben. Es waren die sterblichen Überreste von Herzog Leto Atreides.
In den Knochen erkannte er nichts von seinem warmherzigen und weisen Vater, aber sie waren dennoch ein bedeutsames Symbol für ihn. Paul verstand den Wert und die Notwendigkeit von Symbolen. »Dieser Schrein ist seit langem überfällig.«
»In meinen Gedanken habe ich längst einen Schrein für Leto errichtet«, sagte Jessica. »Trotzdem ist es gut, ihn zur Ruhe zu betten.«
Chani ging neben Paul in die Knie und half ihm dabei, zwischen den Felsblöcken eine Stelle freizuräumen. Ein paar Steine waren bereits mit ersten Flechten gesprenkelt. »Wir sollten diesen Ort geheim halten, Usul. Kein Grabstein, keine Wegweiser. Wir müssen die Ruhestätte deines Vaters schützen.«
»Der Pöbel wird sich nicht lange fernhalten lassen«, sagte Jessica resigniert und schüttelte den Kopf. »Ganz gleich, was wir tun, irgendwann werden die Touristen auch hier auftauchen. Sie werden einen großen Zirkus veranstalten, mit Führern, die falsche Fremen-Kleidung tragen. Souvenirhändler werden Gesteinssplitter von den Felsen schlagen, und Scharlatane werden Knochenfragmente feilbieten und behaupten, dass sie von Leto stammen.«
Chani wirkte zugleich verunsichert und ehrfürchtig. »Usul, hast du das vorhergesehen?« Wenn sie unter sich waren, benutzte sie seinen privaten Sietch-Namen.
»Die Geschichte sagt es voraus«, antwortete Jessica an seiner Stelle. »Es wird immer und immer wieder geschehen.«
»Trotzdem müssen wir es tun, damit die angemessene Legende entstehen kann«, sagte Alia mit ernster Miene zu ihrer Mutter. »Die Bene Gesserit hatten den Plan, meinen Bruder auf genau diese Weise für ihre eigenen Zwecke zu benutzen. Nun erschafft er selbst eine Legende – nach seinem eigenen Gutdünken.«
Paul hatte die Möglichkeiten bereits gegeneinander abgewogen. Einige Pilger würden aus wahrer Ehrfurcht hierherkommen, während andere die Reise nur unternahmen, um anschließend damit prahlen zu können. Wie auch immer, sie würden in jedem Fall kommen. Er wusste, dass es sinnlos wäre, sie aufzuhalten, und deshalb musste er auf eine andere Lösung zurückgreifen. »Ich weise meine Fedaykin an, hier rund um die Uhr Wache zu halten. Niemand wird die Gelegenheit erhalten, diesen Schrein zu schänden.«
Er ordnete die Knochen an und legte den Schädel behutsam zuoberst. Er neigte ihn ein wenig aufwärts, damit die leeren Augenhöhlen in den wolkenlosen blauen Himmel blicken konnten.
»Alia hat Recht, Mutter«, sagte Paul, ohne seine Schwester oder Jessica anzusehen. »Unser Geschäft ist es nicht nur, einen Krieg zu führen, sondern auch, einen Mythos zu schaffen. Nur so können wir das Nötige erreichen. Bloße Appelle an Logik und Verstand genügen nicht, um die gewaltigen menschlichen Bevölkerungsmassen mitzureißen. Auf diesem Gebiet besitzt Irulan ein einzigartiges Talent, wie die Popularität ihrer Geschichte meines Aufstiegs zur Macht bewiesen hat.«
»Du bist zynisch, Usul.« Chani schien verstört über die Erinnerung an die Tatsache, dass Pauls nominelle Ehefrau eine nützliche Funktion ausübte.
»Mein Bruder ist pragmatisch«, entgegnete Alia.
Eine ganze Weile betrachtete Paul den Schädel und stellte sich das Gesicht seines Vaters vor: die Adlernase, die grauen Augen und eine Miene, die vom Zorn auf seine Feinde zu bedingungsloser Liebe zu seinem Sohn oder zu Jessica umschlagen konnte. Ich habe so viel von dir gelernt, Vater. Du hast mir Ehre und die Kunst des Herrschens beigebracht. Ich hoffe nur, dass du mich genug gelehrt hast. Er wusste, dass er sich in den kommenden Jahren Situationen würde stellen müssen, die weit über die größten Krisen hinausgingen, die Herzog Leto jemals bewältigt hatte. Ließ sich...