Henry | Weihnachten in dem kleinen Haus am Meer | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Henry Weihnachten in dem kleinen Haus am Meer

Roman
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-641-25368-4
Verlag: Diana
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

ISBN: 978-3-641-25368-4
Verlag: Diana
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Alle lieben Weihnachten … besonders Lizzy Kingham. Doch in diesem Jahr will ihre Familie sie einfach nicht bei den Vorbereitungen unterstützen. Zwischen Tannenbaum und Weihnachtsbraten stellt Lizzy sich die Frage: Was würde passieren, wenn sie alles stehen und liegen ließe und sich eine Auszeit nähme? Gesagt, getan. Lizzy flüchtet an ihren Lieblingsort, ein Häuschen am Strand. Aber auch hier kann sie sich dem Weihnachtszauber nicht entziehen, und schon bald ist das Strandhäuschen mit Lichterketten dekoriert, und der Duft von Glühwein vermischt sich mit der salzigen Brise des Meeres. Doch irgendetwas fehlt, und Lizzy merkt, dass Weihnachten ohne ihre Familie einfach nicht das Gleiche ist …

Veronica Henry arbeitete für die BBC und als Drehbuchautorin für zahlreiche Fernsehproduktionen, bevor sie sich dem Schreiben von Romanen zuwandte. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen in Devon, England.
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KAPITEL 3

Lizzy eilte zurück in die Küche und setzte sich an den Tisch. Überall standen Backutensilien herum – leere Rührschüsseln, Holzlöffel –, und alles war weiß vom Mehl. Ohne sich um das Chaos zu scheren, suchte sie zwischen den Weihnachtskarten den Umschlag mit dem Absender »Missingham Manor Hotel« heraus und riss ihn mit klopfendem Herzen auf. Er enthielt hoffentlich gute Neuigkeiten. Sonst würden sie doch keine Briefmarke vergeuden, oder? Die meisten potentiellen Arbeitgeber schickten heutzutage eine E-Mail – wenn sie überhaupt antworteten. In der Regel ließen sie einen im Ungewissen, bis man nach mehreren Wochen kapierte, dass sie einen nicht wollten.

Sie nahm den Brief aus dem Umschlag und faltete ihn auseinander.

Sie wusste sofort Bescheid, denn er enthielt nur zwei Zeilen: Bedanken wir uns … bedauerlicherweise … wünschen wir Ihnen … Sie schluckte. Sie wäre wie geschaffen für den Job. Sie erfüllte alle Anforderungen.

Als sie ihre Stelle gegen eine Abfindung aufgegeben hatte, hatte sie sich vorgenommen, erst nach den Feiertagen auf Jobsuche zu gehen. Schließlich hatte sie immer durchgearbeitet, außer in dem halben Jahr nach der Geburt der Zwillinge, in dem sie sich weiß Gott nicht ausgeruht hatte. Und Simon hatte ihr gesagt, sie solle sich ruhig eine kleine Auszeit gönnen. Aber dann hatte sie doch nicht widerstehen können, Bewerbungen abzuschicken, und das hier wäre ihr Traumjob gewesen. Missingham Manor war ein Hotel in den Cotswolds, das aussah wie ein Märchenschloss. Gut, es hätte eine längere Anfahrt zur Arbeit bedeutet, aber wenn die Zwillinge im kommenden September anfingen zu studieren, würde sie im Haus nicht mehr so viel gebraucht. Eigentlich überhaupt nicht mehr.

Doch unwichtig, wie weit es bis zu dem Hotel war – sie hatten sie ja noch nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie beruhigte sich mit den üblichen Beschwichtigungen – wahrscheinlich haben sie die Stelle intern besetzt … das darf man nicht persönlich nehmen –, dann zerknüllte sie den Brief und warf ihn in den Mülleimer. Stattdessen nahm sie sich die Weihnachtspost vor und versuchte, sich über die Grüße und guten Wünsche zu freuen, merkte jedoch, dass sie mit den Tränen kämpfte.

Plötzlich roch es angebrannt. Sie sprang auf und riss die Ofentür auf: Zwei Bleche Brownies ruiniert. Sie zog die Bleche aus dem Ofen und betrachtete betrübt die Bescherung. Sie war extra früh aufgestanden, um mit der Weihnachtsbäckerei voranzukommen, und jetzt würde sie wieder von vorne anfangen müssen.

Sie zuckte zusammen, als es an der Tür klingelte. Sie schaltete den Ofen aus und lief nach vorne, um aufzumachen. Vor der Tür stand Hatties neue beste Freundin Kiki, die neu in der Klasse der Zwillinge war. Lizzy konnte verstehen, dass Hattie sich zu dem jungen Mädchen mit der wuscheligen Kurzhaarfrisur, dem breitkrempigen Hut und der lila Lederjacke mit Fransen hingezogen fühlte. Neben Kiki stand ein Mädchen in schwarzen Lederleggins, einem übergroßen Mohairpullover und mit einer roten Mähne, und am Straßenrand wartete ein blitzblanker weißer SUV mit dunkel getönten Scheiben.

»Hallo, Mrs. Kingham«, sagte Kiki und fixierte Lizzy mit ihren etwas sonderbaren Augen – türkis mit winzigen schwarzen Pupillen. Lizzy hoffte, dass die Augen von Natur aus so waren. Sie konnte Kitty überhaupt nur schwer einschätzen. »Ist Hattie fertig?«

»Oh, Mist«, sagte Lizzy, die ganz vergessen hatte, dass Hattie mit ihren Freundinnen zum Shoppen nach Birmingham fahren wollte. »Sie hatte mich gebeten, sie zu wecken. Tut mir leid. Kommt rein. Hattie!«, rief sie nach oben, dann fragte sie Kiki: »Wartet deine Mutter im Auto? Sag ihr, sie soll auch reinkommen.«

»Ich bin Kikis Mutter«, sagte das junge Mädchen in den Lederleggins lächelnd und streckte Lizzy die Hand hin. »Ich bin Meg.«

Lizzy starrte sie einen Moment lang an, dann schüttelte sie der Frau die Hand. »Ach Gott, tut mir leid. Sie sehen so …«

Wie konnte die Frau Kikis Mutter sein? Sie wirkte kein bisschen älter als die Mädchen. Wobei – aus der Nähe betrachtet, sah man die kleinen Fältchen um die Augen. Sie hatte eine blasse, leicht sommersprossige Haut. Typ Julianne Moore.

Meg lachte. »Ich habe schon immer so ausgesehen. Eines Tages kippt das bestimmt schlagartig. Da bin ich mir ganz sicher.«

»Soll ich nach oben gehen und Hattie wecken?«, fragte Kiki, die diese Art von Gespräch garantiert schon hundertmal gehört hatte.

»Klar«, sagte Lizzy, und Kiki lief die Treppe hoch. »Kommen Sie doch in die Küche«, sagte sie zu Meg. »Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten? Es tut mir so leid. Ich sollte sie um halb acht wecken, aber ich hab’s total vergessen.«

»Sie sind doch nicht dafür verantwortlich, dass Ihre Tochter rechtzeitig aufsteht«, sagte Meg. »Ich nehme an, Hatties Handy hat eine Weckfunktion, oder?«

»Bestimmt«, sagte Lizzy. Sie musste Meg recht geben, aber sie fühlte sich immer für alles verantwortlich. »Danke, dass Sie mit den beiden nach Birmingham fahren. Ich habe einfach nicht die Zeit dazu. Es gibt noch so viel zu tun. Ich hatte gestern meinen letzten Arbeitstag und hinke mit allem hinterher …«

Auf dem Weg durchs Wohnzimmer betrachtete sie das Chaos. Es war ihr peinlich, dass nichts aufgeräumt war, dass der Baum noch nicht geschmückt war, dass die Weihnachtskarten noch nicht aufgehängt waren.

»Überhaupt kein Problem«, sagte Meg. »Ich muss sowieso noch alles Mögliche besorgen. Irgendwie wird man nie fertig, nicht wahr?« Als sie die Küche betraten, schaute sie sich anerkennend um. »Was für eine bezaubernde Küche!«

Die Küche war nicht groß, aber gemütlich – mit den Terracotta-Fliesen, dem von Regalen umrahmten offenen Kamin und dem Panoramafenster mit Blick in den Garten. Hier aß die Familie an einem alten Holztisch mit Stühlen, die nicht zueinanderpassten. Die Regale waren vollgestopft mit Kleinkram, der sich über die Jahre angesammelt hatte, und an den Wänden hingen Fotos und Kinderzeichnungen und Stundenpläne. Sie musste unbedingt mal gründlich ausmisten, dachte Lizzy. Jetzt, wo sie arbeitslos war, würde sie ja dafür endlich die Zeit finden …

»Danke«, sagte sie, während sie diskret den Haarreif mit dem Rentiergeweih abnahm und auf den Tisch legte. Dabei wurde ihr bewusst, dass sie immer noch im Schlafanzug war. »Ich bin übrigens schon lange auf«, sagte sie und zeigte auf das Kuchenblech mit den traurigen Opfern ihrer Unaufmerksamkeit. »Davon wird man jedenfalls nicht dick.«

Meg trat näher und begutachtete die Brownies. »Die sehen doch okay aus. Nur am Rand ein kleines bisschen angebrannt. Bestreuen Sie sie einfach mit viel Puderzucker, dann merkt’s keiner.« Sie brach ein Stückchen ab und steckte es sich in den Mund. »Mmmh.«

»Kaffee?«, fragte Lizzy.

Meg nickte und setzte sich an den Tisch. »Ich wollte Ihnen noch sagen, wie froh ich bin, dass Hattie sich mit Kiki angefreundet hat. Es war nicht einfach für Kiki, mitten im Schuljahr die Schule zu wechseln, aber auf der St. Margaret’s hatte sie ein bisschen Ärger. Deswegen freue ich mich, dass die beiden Freundinnen geworden sind. Hattie hat einen guten Einfluss auf Kiki.«

Lizzy strahlte vor Stolz. Nichts tat so gut, wie wenn jemand ihre Kinder lobte.

»Ja, die beiden verstehen sich gut. Hattie ist sehr gern bei Ihnen.«

Hattie war ziemlich fasziniert von Kiki. Ihr Vater produzierte Popvideos und verdiente eine Menge Geld.

Meg lächelte. »Ich trete ein bisschen kürzer in der Firma, bis Kiki den Schulabschluss hat. Mein Mann ist mehr denn je unterwegs, deswegen finde ich es wichtig, dass wenigstens ich zu Hause bin.« Sie blinzelte eine Träne fort. »Ich machte mir Vorwürfe, dass ich nicht genug für sie da war, als sie noch klein war, und dass sie deswegen ein bisschen auf die schiefe Bahn geraten ist. Aber ich glaube, jetzt hat sie sich wieder gefangen. Auf jeden Fall scheint sie fleißig zu lernen.« Sie seufzte. »Wann hört das auf, dass man sich Sorgen um die Kinder macht?«

Lizzy stellte Meg eine Tasse Kaffee hin und setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. »Wir geben alle unser Bestes. Aber wir können nicht für alles die Verantwortung übernehmen.« Sie tätschelte Meg die Hand. »Das haben Sie doch eben erst zu mir gesagt, oder?«

Meg schaute sie an. Lizzy fragte sich, mit welchen Ängsten und Sorgen die Frau sich wohl herumplagte. Sie erkannte die vertraute Mischung aus Panik und Angst in Megs Blick. Eigentlich machte man sich immer mehr Sorgen um die Kinder, je größer sie wurden und je mehr sie ihre eigenen Entscheidungen trafen. Die nicht immer die besten waren.

»Sie haben recht«, sagte Meg. »Wir sind immer viel zu streng mit uns selbst. Aber es ist nicht einfach. Ich sehe vielleicht aus wie dreißig, aber ich fühle mich wie hundert.« Sie hob lachend ihre Tasse. »Prost! Auf verbrannte Brownies. Wen interessiert’s?«

Mich, dachte Lizzy. Sie hatte zwei Bleche perfekte Brownies backen wollen, und sie würde gern vor dieser umwerfenden Frau stehen und sich wie eine respektable Person fühlen, in einem Haus, das nicht aussah, als wäre gerade eine Bombe eingeschlagen.

»Mum!« Hattie stürmte in die Küche, gefolgt von Kiki. »Du solltest mich doch wecken!«

Sie hat ihren Stil geändert, dachte Lizzy, der Einfluss von Kiki und Meg war nicht zu übersehen: die Haare blondiert, eine Strähne eisvogelblau gefärbt, enge Militärjacke, schwarzer Samt-Minirock. Sie sah großartig aus.

Die Erkenntnis, dass sie keinerlei Einfluss mehr...


Henry, Veronica
Veronica Henry arbeitete für die BBC und als Drehbuchautorin für zahlreiche Fernsehproduktionen, bevor sie sich dem Schreiben von Romanen zuwandte. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen in Devon, England.

Breuer, Charlotte
Charlotte Breuer und Norbert Möllemann übersetzen Literatur aus dem Englischen, u.a. von Chloe Benjamin, Elizabeth George und Kate Morton.



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