Hennig | Ein Yankee an Kaiser Wilhelms Hof | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 392 Seiten

Hennig Ein Yankee an Kaiser Wilhelms Hof

Pataphysique
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-95894-247-9
Verlag: Omnino Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Pataphysique

E-Book, Deutsch, 392 Seiten

ISBN: 978-3-95894-247-9
Verlag: Omnino Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Anfang der 1890er-Jahre feiern in Berlin selbstbestimmte Frauen und homosexuelle Männer eine Sexparty im Jagdschloss Grunewald. Die Teilnehmerinnen stammen aus den höchsten Kreisen, unter anderem sind der Kaiser und seine Schwester dabei sowie der amerikanische Schriftsteller Mark Twain. Niemals hätte jemand davon erfahren. Doch als in anonymen Briefen Einzelheiten der Orgie verbreitet werden, wird als erstes Mark Twain verdächtigt. Es kommt zu einer Staatskrise und zu tödlichen Konsequenzen.

Der neue Roman von Kult-Autor Falko Hennig (Alles nur geklaut, Rikscha Blues) lässt das Kaiserreich des späten 19. Jahrhunderts mit den Augen Mark Twains entdecken. Eine Collage aus historischer Realität und frivolen Erfindungen, mit einschlägigen Schauplätzen, niederträchtigen Charakteren und einem Protagonisten, der dem Jahrhundertskandal am Hof auf den Grund geht...

„Ich empfehle alle Sätze des fabelhaften Schriftstellers Falko Hennig zu lesen, sobald man diese in die Finger bekommt. Weil: lohnt sich immer.“ (Kirsten Küppers, Die Zeit)

„Das so kundige wie gewitzte Buch erklärt sich eingangs als frei erfunden, aber wer sich in der Haut von Mark Twain als wahrhaft authentischer Berliner Zeitgenosse des Kaiserreiches empfinden möchte, sollte es von A bis Z lesen!“ (Horst Bredekamp)

„Staunend lesend fügen sich Krimi, Zeitung und Porno zusammen und man weiß: Es ist alles wahr. Wie eine Collage von Kempowski mit dem Humor von Loriot in einem Thriller von Ferdinand von Schirach, allerdings im Zeitgeist der 1890er Jahre aus der Sicht von Mark Twain.“ (Ralf Sotscheck, die tageszeitung)

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Prolog: Von Setzmaschinen und Ballons Manhattan war die Zeitungshauptstadt der Welt. Die Zeitungsjungs riefen die verschiedenen Blätter aus, Redaktionen, Druckereien, Newspaper Row, Times Square. Die Zeitungen waren überall und durch Mark Twains Körper floss Druckerschwärze anstatt Blut. Er liebte die Zeitungen, die Setzereien, die Überschriften, die Druckmaschinen, die großen und die kleinen Journale. Samuel Langhorn Clemens, aus den Zeitungen bekannt als Mark Twain, war bester Laune. Hier oder nirgends würde sich die Setzmaschine vermarkten lassen, in die er schon so viel Geld gesteckt hatte. Es war so viel Geld, dass einem schwindlig werden musste. Es war so viel Geld, dass er pleitegehen könnte. Twain war aus Hartford nach New York City gekommen, um den Millionär Gordon Bennett in der Redaktion des New York Herald in der Fulton Street zu treffen. Er überquerte die Straße zwischen Pferdebahnen und Kutschen. Fast 30 Jahre war es her, dass er Bennett kennengelernt hatte. Der war damals noch ein junger Mann und gab den Herald aus einem Keller in der Wall Street heraus. Jetzt war er Mitte 50 und Twain 60. Twain schien es aber eher, als hätten ihre Lebensalter sich angeglichen. Bennett hatte sein dünnes Haar über seine Glatze gekämmt, Twains Haar war zwar voll, dafür war Bennetts Schnurrbart prächtiger. Grau wie die Esel waren sie beide. „Gordon Bennett!“, rief Twain, „long time no see!“ „Na, wie sieht es aus mit neuem Gossip at the National Capital?“, begrüßte Bennett seinen alten Korrespondenten. Unter dem Titel Tratsch in der Hauptstadt waren Twains Klatschartikel aus Washington vor Jahrzehnten im Herald erschienen. Damals bei ihrem ersten Treffen hatte Twain unter der Bedingung zugesagt, dass er die völlige Freiheit hätte, darin zu beleidigen, wen er wollte, und zwar mit den fiesesten Gemeinheiten und Bennett hatte gesagt: „All right!“ Twain war Bennett auch dafür dankbar, dass im Herald seine ersten Berichte von der Quaker City gedruckt wurden, die später zum Bestseller Die Arglosen im Ausland wurden. Zeit war Geld und Bennetts Zeit war besonders wertvoll, er fragte direkt: „Was führt dich zu mir?“ „Ich möchte dir ein Geschäft vorschlagen, eine Beteiligung.“ Twain erklärte die Vorteile, die seine und Paines Setzmaschine gegenüber Ottmar Mergenthalers Linotype hatte. Die war ja nicht einmal eine Setzmaschine, sondern eine Gießmaschine: „Anstatt die Zeilen zu setzen, werden sie aus Blei gegossen und dann wieder eingeschmolzen! Das kostet unnötig Geld. Paines Prinzip ist wirkliches Setzen, das hat Zukunft und wird allen, die sich an der Entwicklung beteiligen, viel Geld einbringen. Du weißt, dass Mergenthaler mir die Hälfte seiner Gesellschaft angeboten hat im Tausch gegen die Hälfte unserer Firma mit der Setzmaschine von Paine?“ Bennett zeigte keine Begeisterung: „Ich bin mein eigener Verleger, Redakteur, Anzeigenwerber und Vertriebsleiter, das war ich von Anfang an. Aber ich bin nicht der Setzer und nicht der Drucker. Du bist Setzer gewesen, oder?“ Twain bestätigt es: „Nach der Schule habe ich beim Missouri Courier als Setzer angefangen, eigentlich für Kost, Logis und Kleidung. Die Kleidung, das sollten eigentlich zwei Anzüge im Jahr sein, aber einer der Anzüge hat es nicht geschafft, sich zu materialisieren und der andere ist nicht gekauft worden, so lange die Anzüge des Chefs noch nicht in Fetzen auseinanderfielen. Die hatte ich dann auszutragen. Ich war nur halb so groß wie er. In seinen Hemden hatte ich das unangenehme Gefühl, in einem Zirkuszelt zu leben. Die Hosen dagegen musste ich mir bis zu den Ohren ziehen, damit die Füße herausgucken konnten.“ Das Klappern einer Linotype war aus der Setzerei zu hören. „Sam, ich sage es dir ganz ehrlich, ich habe unsere Setzerei mit der Simplex-Linotype ausgestattet, sie funktioniert und bis zum nächsten Jahr wird keine Zeitung mehr mit Hand gesetzt werden. Alle werden sich Simplex-Linotypes zulegen. Es war ein spannendes Rennen, welche Setzmaschine gewinnen würde, noch vor zwei Jahren wäre ich eingestiegen und hätte mein Geld verloren. Jetzt ist das Rennen gelaufen, Mergenthaler hat gewonnen. Mir scheint, er hat eine Art Arbeitspferd erfunden, nicht schön und elegant, aber es funktioniert. Paige wird bis zum jüngsten Tag an seinem Wunder tüfteln, das zwar ein großes Kunstwerk ist, schneller als die Linotype und eleganter, aber niemals im harten Zeitungsgeschäft bestehen kann. Paiges Maschine ist wie ein arabisches Rennpferd, das beim ersten Schlag mit einem Vorschlaghammer zusammenbricht.“ Twain hatte so etwas in der Art befürchtet, mehr und mehr Druckereien hatten sich mit der Linotype ausgestattet und sie gossen in Bleiwolken Zeitungszeile um Zeitungszeile. Bennett schloss: „Du hättest Mergenthalers Angebot annehmen sollen, dann wärst du jetzt ein gemachter Mann.“ Twain wusste, dass weiteres Bitten und Drängen keinen Sinn hatte. Er verdrängte die Sorgen über die finanziellen Konsequenzen für sich, für seine Frau, die Töchter, für sein Haus in Hartford. Dass er eigentlich pleite war. Er fachsimpelte mit Bennett über die neuesten Maschinen: Setzmaschinen, Schreibmaschinen. Bennett mochte Twains Begeisterung, auch wenn seine Leidenschaft mehr Automobilen und Flugmaschinen galt: „Sam, wir leben in der spannendsten Zeit der Menschheit, was für einen gewaltigen Weg sind wir in den letzten Jahren gegangen! Die Eroberung der Arktis, der Luft. Sieh dir dieses Hochhaus an! Denk an den Keller damals in der Wall Street, unseren einzigen Redaktions- und Geschäftsraum!“ Twain erinnerte sich genau: „Das war eng und dunkel, eine Art Dunkelzelle.“ „Genau. Da habe ich immer die auswärtigen Meldungen gebracht, von der weder die Sun noch der Transcript auch nur eine Zeile drucken konnten. Die Sun hatte sowieso keinen blassen Schimmer. Die großen Blätter der 6-Cent-Presse haben zwar die Nachrichten veröffentlicht, aber ihre Redakteure waren einer wie der andere stinkfaule, dumme, schlappe Angeber und Trottel, von denen keiner, was draus gemacht hat. Nur wir haben unseren Lesern diese Köstlichkeiten serviert. Nur der Herald hat gut aufgemacht und die Sachen lesbar abgefasst. Deshalb war ich von deinem Gossip auch so angetan. Willst du nicht wieder für den Herald schreiben?“ Da sich die Hoffnung auf Hilfe für die Setzmaschine in Luft aufgelöst hat, musste Twain an sein Tagesgeschäft denken. Er zündete sich eine Zigarre an: „Grundsätzlich gern, was kannst du mir anbieten? Soll es wieder anonymer Klatsch sein? Diesmal aus Hartford?“ Nichts lag Bennett ferner, warum sollte er einen der wegen seiner Berühmtheit teuersten Autoren engagieren, um ihn dann zu verheimlichen? Und warum sollte sich jemand dafür interessieren, was in Hartford passierte? „Klatsch aus Hartford klingt nach Milchsuppe für die Wall Street. Der Herald war schon so gut, als wir uns kennenlernten, weil wir ganz anders geschrieben und gelebt haben als die verbummelten Wall-Street-Redakteure. Die sind erst zwischen zehn und zwölf in ihre Redaktionen gekommen und haben sich dann einen Glimmstängel angezündet und die Schere genommen. Die haben nichts anderes gemacht, als auszuschneiden, zu paffen, zu paffen und wieder auszuschneiden, stundenlang!“ Mark Twain paffte an seiner Zigarre und wusste, dass er damit seinen Marktwert im Moment nicht erhöhte. „Dann sind sie zu Deloniko essen gegangen, trinken, schlemmen und haben die friedlichen Bürger verhetzt. Wir dagegen sind um fünf aufgestanden und haben die Leitartikel, Glossen, Übersichten, alles schon vor dem Frühstück geschrieben.“ Twain brachte nicht zur Sprache, dass er am liebsten gar nicht aufstand, sondern den ganzen Tag im Bett lag, rauchte und dort schrieb. Bennett erklärte weiter seine vorbildliche Arbeitsmoral: „Von neun bis eins haben wir alle unsere Zeitungen gelesen, die Originalberichte unserer Leute, von denen wir viel mehr hatten, als irgendjemand sonst. Das war unser Nachrichtenmaterial. Wir haben unsere Gedanken, Einfälle, Anspielungen, Plots notiert, um sie in eigenen Kolumnen zu veröffentlichen. Dann haben wir Besucher, Geschäftsleute und die schönsten Frauen New Yorks empfangen. Die wollten alle abonnieren! Gott segne sie!“ Ergriffen schaut Bennett aus dem Fenster, als würde er genau dort die schönen Frauen sehen: „Um eins war ich dann draußen, habe von den Bankiers und Nichtstuern von der Börse den Stand der Kurse und des Geldmarktes erfragt und bin dann zurück zum Redaktionsschluss. Erst um vier sind wir essen gegangen, bescheiden und mäßig. Dann haben wir Korrekturen gelesen, Außenstände eingeholt, Anzeigen gesammelt. Es wurden immer mehr. Spätestens um zehn waren wir in der Klappe. So macht man eine Zeitung mit Geist, Witz und Erfolg!“ Twain widersprach nicht, Bennett erinnerte sich weiter: „Die Konkurrenz hat mich für vogelfrei erklärt. Sie haben meinen Keller in der Wall Street mehrfach gestürmt und verwüstet. Sie haben mich auf der Straße verprügelt. Genau das waren die besten Geschichten, die ich schreiben konnte.“ Twain stimmte zu: „Das war in Tennessee genauso. In die Redaktion ist mal durchs Fenster geschossen worden und der Redakteur schoss zurück!“ Twain schien das eine gute Geschichte zu sein, aber Bennett ließ sich nicht darauf ein: „Da kommt mir plötzlich Watson Webb entgegen, mault irgendwas Unverständliches und stößt mich eine Ladentreppe hinunter und...


Hennig, Falko
Falko Hennig wurde 1969 in Berlin Friedrichshain geboren und lebt am Alexanderplatz. Er war Schriftsetzer, Taxifahrer und Bauarbeiter, heute arbeitet er als Touristenführer, Vortragskünstler und Schriftsteller. Seit 1995 liest und singt er jeden Sonntag in der Reformbühne Heim & Welt.



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