Hellmann | Der Kuss | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 210 Seiten

Hellmann Der Kuss


1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7597-3862-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 210 Seiten

ISBN: 978-3-7597-3862-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Magdalena ist 5 Jahre alt, als sie während eines Rombesuchs vom Papst auf die Stirn geküsst wird. Für die krankhaft religiöse Großmutter Frida ein Zeichen von ganz oben, für die Enkelin Magdalena ein Verhängnis. Frida, Magdalena und ihre Mutter Anna führen ein liebloses Leben zu dritt in einem kleinen Dorf im Harz. Magdalenas Aufwachsen ist geprägt von der strenggläubigen Erziehung ihrer Großmutter, die Anna hierfür jegliches Mitspracherecht verweigert. Eine wirkliche Mutter-Tochter-Beziehung kann so nicht entstehen. Erst nach Fridas Tod, Magdalena ist längst erwachsen und lebt ihr eigenes Leben im fernen Berlin, nehmen Mutter und Tochter sich vor, das zu ändern. Kein leichter Weg, ein Ringen um Nähe, Vertrauen und die Sicherheit, es wert zu sein, geliebt zu werden.

Maria Hellmann, 1956 in Heidelberg geboren, lebt mit ihrem Mann in Italien und Deutschland. Mehr zur Person: https://mariahellmann.de/

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RAUSCHEN
Die Zugfahrt im Erste-Klasse-Abteil von Braunschweig nach Berlin bereitete mir diesmal nicht das übliche Vergnügen. Ich spürte noch die Hände meiner Mutter, festgeklammert, als wollte sie mich nie wieder loslassen. »Weihnachten bin ich wieder da, versprochen!« Weihnachten. Es lag Jahre zurück, dass ich zu diesem Anlass in Hüttach gewesen war. Ich hatte mir nicht länger die ewigen Vorwürfe anhören wollen, Gottes eindeutiges Zeichen mit Füßen getreten zu haben. Ansonsten nur Gebete statt Gebäck. Das Getue um Weihnachten ging mir generell auf die Nerven. Da konnten die Kollegen noch so schwärmen, den Ablauf ihrer Feiertage bis ins Kleinste schildern. Ich vermisste nichts. Das hatte ich mir abgewöhnt. Dafür muss man nur das Anspruchsdenken abschalten. Und darin war ich gut. Sehr gut. Auf dem Display rückte die Ankunftszeit im Minutentakt näher. Machten die Zahlen einen Satz, steigerte sich meine Angst vor der leeren Wohnung. Unsere Drei-Zimmer-Altbauwohnung mitten in Schöneberg, die wir einem glücklichen Zufall zu verdanken hatten. Wir tanzten damals durch die vom Vormieter besenrein zurückgelassenen Räume, an deren Wänden Schmutzspuren einiges zu erzählen vermochten. Leo und ich freuten uns auf eine gemeinsame Zukunft. Es war ein etwas überstürzter Einstieg nach dem kurzen Kennenlernen, aber zum glücklichen Zufall konnten wir einfach nicht nein sagen. My home is nowhere without you. Sein Handy lag auf der Fensterbank und die leeren Räume wirkten wie ein Verstärker für diese wunderschöne Liebeserklärung. Leo sang jeden Refrain mit, und wenn er nicht sang, dann wollte er mich küssen. Es ging nicht. Seine fordernde Umarmung nahm mir die Luft und so löste ich mich immer wieder, tanzte zu den Gitarrenklängen mit weiten Schritten durch die noch unbewohnten Zimmer, tat so, als sei es ein Spiel, mich immer wieder von ihm einfangen zu lassen. Ich wusste, ich würde nicht endlos fliehen können. My home is nowhere without you Als eine Art Hilfestellung legte ich mir diesen Satz in meinen Mund, der stürmisch geküsst wurde, und ich leistete auch keinen Widerstand, als Leo meinen Rock nach oben schob und mich auf die breite Fensterbank setzte. Beiß die Zähne zusammen. Ich bemühte mich um Leidenschaft. Der Moment hatte es verdient. Ich zögerte das Ankommen hinaus, indem ich kein Taxi, sondern die U-Bahn nahm. Unterwegs wollte ich Leo entdecken, seinen wuscheligen Blondschopf aus der unruhigen Menge herausragen sehen. Leo, der sich dann nach mir umdrehen und mich anlächeln würde. Aber es gab kein Lächeln. Und wie erwartet gab es auch keinen Leo in der kalten Wohnung. Die Heizung musste er abgedreht haben, bevor er die Tür hinter unserem gemeinsamen Leben zugezogen hat. Ich behielt meinen Mantel an, ging von Raum zu Raum und suchte nach den zu erwartenden Lücken, um meinem Schmerz noch eins draufzusetzen und ihn schließlich im Schlafzimmer mit ins Bett zu nehmen. Ohne Zähneputzen und im Mantel. Nicht einmal die Schuhe zog ich aus. Die Kollegen drückten am nächsten Morgen mit gesenkten Köpfen und gedämpften Stimmen ihr Beileid aus, und Barbara, die Teamleiterin, kam zu meinem Schreibtisch und legte mir tröstend ihre Hand auf die Schulter. Mein verquollenes Gesicht und die rotgeweinten Augen erweckten Anteilname. Wie ahnungslos sie doch waren! Ich beließ es dabei. Diesbezüglich hatte mir meine Großmutter einen letzten Dienst erwiesen. Mit dem eigentlichen Grund meiner Trauer musste ich alleine fertig werden. Zum Herzausschütten hatte ich niemanden in Berlin und auch meine Mutter hatte nicht nach Leo gefragt. Und wenn … ich hätte ihr wahrscheinlich nur von der Spitze meines persönlichen Eisbergs erzählt. Ich nahm mir vor, am Abend Fiona in London anzurufen. Und ich nahm mir vor, sie im kommenden Jahr wirklich zu besuchen. Plötzlich hasste ich mich selbst wegen all der leeren Versprechen, die ich nicht nur anderen, sondern auch mir selbst immer wieder machte. Wie oft hatte ich Fiona gesagt bis ganz bald! Mit einer besten Freundin sollte man so nicht umgehen, schon gar, wenn sie die einzige ist. Ich könnte im September mit ihr auf meinen vierzigsten Geburtstag anstoßen. Die Idee hinterließ ein Lächeln. 2020 mein Leben in den Griff bekommen!!! Rosafarben leuchtete der schnell aufgeschriebene Satz auf dem weißen Blatt Papier. Ich kaute auf dem Textmarker herum und griff dann nach meinem Smartphone. Beziehungsangst/Therapie tippte ich in die Suchleiste, und bevor ich mir einen Überblick verschaffen konnte, klopfte mir Barbara auf die Schulter. Diesmal ging es nicht um Trost, sondern um einen Herrn Breitner, dessen Unterlagen noch heute raus sollten. Hastig zog ich die Mappe über meinen rosafarbenen Vorsatz, aber offensichtlich nicht schnell genug. »Das wird schon.«, sagte Barbara mit einem aufbauenden Lächeln, dabei hatte sie keinen blassen Schimmer, was da werden sollte. Für Herrn Breitner musste ich eine Stunde anhängen, da waren die Kollegen schon in den Feierabend unterwegs. Ich spürte keinen Groll, im Gegenteil, ich genoss das verlassene Büro. Keine Kollegen, die nicht müde wurden, mich zu einem Feierabendbier einzuladen. Nachdem ich Herr Breitner zu den Akten gelegt hatte, scrollte ich mich durch das umfangreiche Therapeutenangebot. Um das Problem Bindungsangst wollte sich offenbar die gesamte Berufssparte kümmern. Die oder den Richtigen herauszufischen, schien mir einem Glücksspiel gleich. Nicht zwischen Tür und Angel, sagte ich mir, mit Ruhe und ganz ohne Druck, Zwanzigzwanzig hat noch nicht einmal angefangen. Ich faltete mein Gelübde und steckte es in den Rucksack. Es sollte einen Platz am Badezimmerspiegel bekommen. Kein Zähneputzen ohne erhobenen Zeigefinger. * »Nein Lena, du störst keinesfalls! Die Kinder sind im Bett und William ist mit Kollegen unterwegs. Und da wäre auch noch die Stunde, die wir hinter euch herhinken. Ich freue mich, deine Stimme zu hören! Du hast dich so lange nicht gemeldet. Wenn ich nichts von dir höre, denke ich immer, dass es dir gut geht.« Noch im Mantel hatte ich Fionas Nummer gewählt, als ich nach Hause kam. »Und jetzt hörst du von mir, also muss es mir schlecht gehen.« »Das hoffe ich nicht!« »Momentan friere ich.« Ich ging mit dem Telefon in der Hand alle Räume ab und drehte die Heizkörper auf. Das hatte ich heute Morgen vergessen. »Ein technisches Problem?« »Leo hat die Heizung abgestellt.« »Na dann stell sie wieder an!« Ich hörte Fionas Lachen und musste selbst ein bisschen grinsen. »Leo ist weg.« Jetzt grinste ich nicht mehr. »Warum?« »Warum schon! Das ewig Gleiche!« »Mensch Lena, seit ich dich kenne, schlägst du dich damit herum. Such dir endlich einen Therapeuten, einen guten!« Wir schwiegen. »Ich habe schon geschaut. Im Netz sind so viele. Welcher ist ein guter? Und was heißt schon gut. Auf alle Fälle eine Frau.« »What ever … aber tu endlich was!« Dass ich mit ihr in London meinen Vierzigsten feiern wollte, fand sie fantastic. Fiona hatte ich kennengelernt, als ich in Clausthal-Zellerfeld aufs Gymnasium kam. Dafür müsste ich meiner Großmutter schon wieder dankbar sein. Nicht wegen des mittelmäßigen Abiturs, das ich hingelegt hatte. Wegen Fiona. Ich wollte damals gar nicht zum Gymnasium. Ich wollte keine Veränderung. Ich wollte auf der Hauptschule bleiben und meine Lehrerin behalten. Ich wollte, dass alles so blieb, wie es war. Darauf nahm meine Großmutter in diesem Fall keine Rücksicht. Was der liebe Gott wollte, das zählte. Der hatte ja was ganz Besonderes mit mir vor und ein Abitur in der Tasche zu haben, wäre auf jeden Fall schon mal nicht verkehrt. Wie sie meine Zulassung trotz bescheidenem Notendurchschnitt hinbekommen hatte, war mir ein Rätsel. Wahrscheinlich hatte sie gebetet und dem Direktor versprochen, ihn in ihre Gebete einzuschließen. Ich hatte geweint. Beim Frühstück fing ich damit an und hörte erst damit auf, als ich eingeschlafen war. Mehr Protest war auch gar nicht drin. Widerspruch wurde nicht geduldet. Für den brauchte man Worte und Worte waren nicht erlaubt. Selbst meine Mutter widersprach nie. Widerspruch war Auflehnung und Auflehnung war Sünde. Ich ging ungern zur Beichte. Mit Großmutter fuhr ich im Bus dem großen Tag, wie sie ihn nannte, entgegen. Auch meine Mutter hatte mich nicht trösten können. Sie war nicht dabei, aber das war sie nie. Daran hatte ich mich gewöhnt. Gut werden würde es so oder so nicht. Erst in der Aula, die mir, wie das Schulgebäude selbst, mit ihrer unübersichtlichen Größe die Unsicherheit bis in den Hals klopfen ließ, meldete sich meine Sehnsucht nach einer Familie. Einer richtigen. Einer aus Vater, Mutter, Kind. So, wie sie hier...



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