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E-Book, Deutsch, 368 Seiten

Hellinghausen "Klagt in Leid..."

400 Jahre Wallfahrt zu U. L. Frau von Luxemburg, Trösterin der Betrübten

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

ISBN: 978-3-451-83982-5
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Muttergottes-Oktave ist nicht nur das Herzstück der Luxemburger Marienverehrung, sondern schlägt als Herz des Luxemburger Katholizismus bis heute. Jedes Jahr kommen Abertausende von Pilgern aus dem In- und Ausland in den Mariendom der Hauptstadt des Großherzogtums. Das Buch geht der Entstehungsgeschichte dieser Wallfahrt nach und untersucht die Grundlage und Entwicklung der Rituale sowie den nationalen wie internationalen profan- und kirchengeschichtlichen Kontext.
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II.
Neue Zeiten, Dekadenzzeiten (1795–1840)
Französische Revolution (1795–1801)
Eine dezisive Zäsur wurde im Oktavbetrieb die Französische Revolution Ende des 18. Jahrhunderts.1 Sie unterbrach die Wallfahrt in ihrer überlieferten Form und brachte den öffentlichen Kult allgemein zum Erliegen, so dass das kirchliche Leben entweder ganz unterging oder bestenfalls ins Kircheninnere verlegt wurde. Nur jene Luxemburger Geistlichen, die den staatlich vorgeschriebenen Hasseid auf die Monarchie und den Treueid auf die Republik abgelegt hatten, durften weiterhin Kulthandlungen in ihren Kirchen vornehmen.2 Doch zu den Ereignissen. Zwischen 1789, als in Paris die Revolution ausbrach, und 1795 wurde öfter, wegen drohender Kriegsgefahr, die Statue der Trösterin der Betrübten von der Wallfahrtskapelle in die Luxemburger Stadtpfarrkirche übertragen, so im Dezember 1789 und im Dezember 1792. Für die Oktave dieses Jahres waren im Übrigen, wegen des offenen Konfliktes zwischen Frankreich und Österreich (wozu Luxemburg gehörte), die Dechanten angewiesen worden, lediglich zwei Prozessionen pro Dekanat zur Oktave zuzulassen, mitsamt Abgabe der Namensliste aller Teilnehmer an der Stadtpforte.3 Die letzte öffentlich gefeierte Oktave mit Schlussprozession fand in der von den Franzosen belagerten Stadt, die unter Beschuss stand, am 9. Mai 1795 statt, ohne viel Pomp und nur mit Stadt-Luxemburgern und Soldaten; ein in der Prozession einherschreitender Kanonier wurde dabei durch eine Kugel am Arm verletzt. Am 20. Mai schlug, während eines Bombardements, eine Bombe in das Dach der Nikolauskirche ein und landete im Chor vor dem Altar mit dem aufgestellten Gnadenbild; es blieb bei Sachschaden. 14 Tage später fiel die Festung in die Hand der französischen Revolutionstruppen. Luxemburg wurde von Frankreich annektiert und zum »Département des Forêts« (Wälderdepartement) erklärt. Die Gesetze des Pariser »Directoire«, auch in ecclesiasticis, fanden nun hier Anwendung. In den nächsten sieben Jahren konnte daher die Oktave mit Schlussprozession nur innerhalb der Nikolauskirche stattfinden. Und auch das nur, weil Pfarrer Kaeuffer zusammen mit seinen sechs Kaplänen, im Gegensatz zu den meisten anderen luxemburgischen Geistlichen, den Hasseid geleistet hatte. Das Trierer Generalvikariat hatte ihm zu diesem Schritt geraten, der ihm dann aber von Klerus wie von vielen Gläubigen verübelt wurde, so dass er sich isolierte und schließlich 1803 abdankte. Er hatte den Eid abgelegt, um das Gnadenbild und den Kult der Trösterin zu retten und die Kirche zu halten. So konnte die Oktave, einschließlich der Prozession, mit minimalem Aufwand und ohne äußere Manifestationen während der ganzen Revolutionszeit im Inneren der Nikolauskirche abgehalten werden. Doch kam es im Zusammenhang mit der Oktave 1798 zu geringfügigen Differenzen zwischen Klerikern, die geschworen hatten (»assermentés«), und denen, die nicht geschworen hatten (»insermentés«, »réfractaires«), sowie ihren jeweiligen Anhängern und mit den Behörden.4 Die Statue der Trösterin der Betrübten, die 1794 in der Nikolauskirche aufgestellt worden war, blieb nun dort.5 Seither ist die alte Jesuitenkirche und heutige Kathedrale Wallfahrtskirche, wenn auch prioritär zur Oktavzeit. Zu Beginn des Jahres 1796 wurden die Kapellgüter des Glacis-Heiligtums beschlagnahmt und inventarisiert. Die Gnadenkapelle selbst, seit 1628 Heimstätte U. L. F., wurde zunächst in ein Armeeschlachthaus umfunktioniert und schließlich »aus Verteidigungsgründen« noch im selben Jahr von den Franzosen abgerissen.6 Die Kostbarkeiten und Wertsachen, darunter 24 Muttergotteskleider und andere Schmuckgegenstände, wurden versteigert. Einiges wurde von wohlgesinnten Bürgern aufgekauft und nachher in den Muttergottesschatz zurückgegeben. Mit dem Abbruch der Kapelle war, nach 168 Jahren, ein zentraler Lebensnerv der Oktave zerstört, und man muss sich wundern, dass die Luxemburger Marienverehrung diesen Verlust überstanden hat. Auch waren die vielen Marienstatuen an Häuserfassaden und -ecken der Stadt Luxemburg entfernt oder mit Kalk überdeckt sowie die große steinerne Statue über dem Neutor herabgenommen worden. Die Französische Revolution läutete für die Oktave insgesamt einen Rückgang ein, der von 1795 bis 1842 anhielt und eine Abschwächung der Wallfahrt mit sich brachte. Unter dem Konkordat
Nach dem Konkordat Bonapartes (1801), der den Frieden zwischen Staat und Kirche in Frankreich wiederherstellte und der Kirche eine neue Existenzweise in der Öffentlichkeit verschaffte, konnte ab 1802 auch die Oktave in Luxemburg wieder öffentlich gefeiert werden.7 1803 bewegte sich die Schlussprozession durch die Straßen der Festungsstadt zum ersten Mal von der Stadtkirche fort und dorthin wieder zurück.8 Späterhin beteiligten sich sogar wieder die militärischen und bürgerlichen Autoritäten, angeführt vom Präfekt des Wälderdepartements, an der Prozession. Unterstützt wurde die Oktavfeier von den beiden Metzer Bischöfen Bienaymé und Jauffret, die nacheinander den Luxemburger Sprengel verwalteten, war doch mit dem Konkordat das Wälderdepartement der neu errichteten Diözese Metz zugeschlagen worden. Mehrmals beteiligten sie sich an der Schlussprozession, 1807 hielt Mgr. Jauf­fret die Oktavpredigt,9 1808 schrieb er seinen Luxemburger Diözesanen einen Hirtenbrief über die Oktave.10 Er setzte sich 180911 und 1816 auch für die Erneuerung des vollkommenen Oktav-Ablasses ein, der mit den konkordatären Neuordnungen verlorengegangen war. Die in der Stadt Luxemburg entfernten oder versteckten Marienbilder an Häuserfassaden und Giebeln waren inzwischen wieder hergerichtet, die steinerne Marienstatue über dem Neutor 1803 erneut aufgestellt ­worden. 1803 setzten auch erste Bemühungen ein, die zerstörte Wallfahrtskapelle vor den Toren der Stadt neu zu errichten. Doch brachten die strikten Bedingungen des französischen Kriegsministeriums das Projekt zum Scheitern. Desgleichen blieb 1807 eine erneute Bittschrift an dasselbe Ministerium ohne Resultat. Genauso wie die Befürwortung einer Rekonstruktion, die 1809 vom Präfekten des Wälderdepartements ausgesprochen wurde.12 Napoleon in Luxemburg (1804). Ein Mädchen präsentiert den Schlüssel der Stadt. Es ist der Goldschlüssel der Trösterin der Betrübten. Der Kaiser antwortet: »Nehmt ihn zurück, er ist in guten Händen.« Gouache-Bild von L. Hénon, Paris 1914. Postkarte von Jean Berward, Luxemburg. Privatkollektion. Von der symbolträchtigen Übergabe des Stadtschlüssels der Consolatrix an Kaiser Napoleon am 9. Oktober 1804 und dessen mehrdeutige Restituierung war bereits an anderer Stelle die Rede. Damit in Zusammenhang ist von einer Szene im Jahr 1807 zu berichten, im Zeitraum zwischen Ancien und Nouveau Régime gewissermaßen.13 Da mit dem Konkordat Bonapartes das reguläre kirchliche Leben wieder auflebte, wurde der Stadtschlüssel von 1667 der Trösterin aufs Neue überreicht, und zwar durch denselben, der den Schlüssel 1804 Napoleon bei dessen Luxemburg-Besuch bereits dargeboten hatte: durch den Stadtbürgermeister Jean-Baptiste Servais (1803–1811). Am 3. Mai 1807, Schlusssonntag der Oktave, ging dieser während der Pontifikalmesse nach dem Offertorium zum Votivaltar und reichte auf einer Silberplatte dem zelebrierenden Metzer Bischof Jauffret den Marienschlüssel im Namen des Luxemburger Stadtrates mit den Worten: »Je viens renouveller un hommage cher à nos pères et qui ne l’est pas moins à leurs enfans. Je viens au nom du Conseil général de la Commune, qui n’est en cela que l’organe de tous les habitans de Luxembourg, présenter à l’auguste Patronne de cette ville la clef en vermeil que j’ai eu l’honneur d’offrir au très-grand et très-puissant Empereur des Français. Ce prince eut la bonté de m’assurer que cette clef ne pouvait pas être dans des meilleures mains. Ce n’est pas tromper l’attente du Prince, c’est la justifier que de consacrer par notre culte les sentimens que nous lui devons, et d’attester ainsi les cieux, en présence de tout le peuple de ces contrées, de l’éternelle fidélité qui nous unit à son Empire.« Ein Amalgam von Marienkult und Napoleonkult! Es hing, wie sich versteht, mit der Bewandtnis zusammen, dass Luxemburg als Wälderdepartement ein Teil Frankreichs und Bestandteil einer französischen Diözese war. Der Metzer Bischof, als treuer französischer Staatsdiener und Bischof von Napoleons Gnaden, setzte noch eins drauf in seiner Antwort: »L’acte religieux que vous faites en ce jour [...] est digne d’éternelle mémoire. La Religion et la Patrie y applaudissent. On y reconnoit les antiques habitans de ces contrées, toujours bons, loyaux, généreux et fidèles envers le Souverain du ciel et de la terre. Cette clef de vermeil est le symbole de ses vertus, et venir la consacrer entre les mains de la Protectrice céleste de votre ville, c’est venir renouveller dans son Temple, rempli de la Majesté du Très-haut, profession de la foi de vos pères; c’est assurer à l’univers, que la fidélité que vous avez jurée au grand Empereur et Roi Napoléon, en lui présentant cette même clef, a pour témoin, pour caution et pour protecteur Dieu et Notre Dame de Luxembourg. – Heureux votre premier Pasteur de recevoir de vous un si beau témoignage de vos sentimens chrétiens et français.« Und symbolträchtig legte er den Schlüssel auf den Tabernakel...


Hellinghausen, Georges
Georges Hellinghausen, geb. 1956 in Luxemburg, ist Geistlicher, Theologe und Kirchenhistoriker. Georges Hellinghausen ist Bischofsvikar und seit 1988 Professor am Grand Séminaire de Luxembourg Centre Jean-XXIII in Luxemburg, wo er 1993 Direktor (Präsident) wurde. Er ist Mitglied des Bischofsrates, theologischer Berater von Erzbischof Jean-Claude Hollerich. Von 2011-2013 war er Direktor für religiöse und kirchliche Angelegenheiten und Medien von Saint-Paul Luxembourg. Am 22. Mai 2012 wurde er vom Domkapitel der Kathedrale zum Dompropst (Prévôt du Chapitre cathédral) gewählt.

Georges Hellinghausen, geb. 1956 in Luxemburg, ist Geistlicher, Theologe und Kirchenhistoriker. Georges Hellinghausen ist Bischofsvikar und seit 1988 Professor am Grand Séminaire de Luxembourg Centre Jean-XXIII in Luxemburg, wo er 1993 Direktor (Präsident) wurde. Er ist Mitglied des Bischofsrates, theologischer Berater von Erzbischof Jean-Claude Hollerich. Von 2011-2013 war er Direktor für religiöse und kirchliche Angelegenheiten und Medien von Saint-Paul Luxembourg. Am 22. Mai 2012 wurde er vom Domkapitel der Kathedrale zum Dompropst (Prévôt du Chapitre cathédral) gewählt.


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