Heinrichs | Heinrichs IM-Berichte - Erinnerungen an das DDR | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 192 Seiten, E-Book

Heinrichs Heinrichs IM-Berichte - Erinnerungen an das DDR


1. Erstauflage 2012
ISBN: 978-3-86935-158-2
Verlag: Verlag Ludwig
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

E-Book, Deutsch, 192 Seiten, E-Book

ISBN: 978-3-86935-158-2
Verlag: Verlag Ludwig
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Heinrichs war ein IM, ein Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi! Hier erzählt er nun ausführlich und wahrheitsgetreu über seine Zwangswerbung und seine Tätigkeit als Spitzel… aber nicht nur:

„Stasimäßige“ Berichte erwarten den Leser auch über Jahresendflügler, den schwarzen Kanal, die Versuche, an Wohnraum zu gelangen, die Wende, Intershops und Devisen aus dem Westen… und vieles mehr, was das DDR (-Gefängnis) an Sonderbarkeiten für seine Insassen bis zum großen Blubb so bereit hielt. Mit Wilhelm Busch lesen sich seine Berichte nicht nur für Ex-DDR-niks, sondern auch für alle anderen tragisch bis komisch, amüsant bis wunderlich!

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Nicht-Widmung.


Eine Widmung sucht sich, wie ich beim Lesen vieler guter und manchmal auch nicht so guter Bücher den Eindruck gewonnen habe, anerkannt noble Bezugspersonen oder Vorbilder. Man zitiert von den alten Griechen bis zu Goethe und Schiller – sie könnten doch dem Erfolg des Werkes förderlich sein. Echte Widmungen sollen darüber hinaus Dankbarkeit, Bescheidenheit, Wissen und Anstand des Verfassers signalisieren. Das alles geht natürlich nicht, für einen IM. In der DDR, um das Thema nicht aus den Augen zu verlieren, waren Widmungen beliebt – beispielsweise so etwas: »Ich widme diese Arbeit den Werktätigen der DDR. Ich habe sie zu Ehren des xxx. Parteitages geschaffen und danke dem Genossen Erich Honecker (siehe Anlage 00) …« Solchen Stuss habe ich seinerzeit wirklich mehrfach in eigentlich ernsthaft gemeinten Schriftstücken gelesen – sie waren für die »Kontrolle« bestimmt. Der Text dahinter war dann oft sehr dürftig.

Ich würde nun, wenn ich dürfte, diese Berichte meinen Klassenfeinden10 widmen, wenigstens zwei Männern, die ich bewundere und achte (auch wenn es oft und zu meinem Erstaunen nicht dem Anspruch vieler meiner neuen dazu gewonnenen und noch weniger, weniger zu meinem Erstaunen, dem meiner alten Mitbürger und Insassen entspricht). Das sind:

1. Dr. Helmut Kohl


Zur Wende Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Ich habe (und damals nicht nur ich) in ihm den klugen überlegenen Staatsmann gesehen. Er hat ehrlich begeistert, fast ausschließlich das Richtige gesagt und getan. Ich habe alle seine Reden in R. gehört (andere haben aber auch mit Eiern geworfen). Ich habe immer nur den Eindruck einer tiefen Ehrlichkeit und Anständigkeit bei ihm empfunden – damals Tausende mit mir! Dr. Kohl sprach von den kommenden blühenden Landschaften, die ihm später oft und gerne als falsches Versprechen vorgehalten wurden, meist von denen, die nun schon mitten drin saßen. Er sprach wie ein Arzt am Krankenbett der genesenden DDR-Insassen, mit dem Ethos eines guten Arztes. Leider kann auch ein Arzt mal irren, aber tausendfach hat er Recht behalten! Und die Welt wird das so behalten, auch wenn inzwischen andere Meinungen laut geworden sind – vermutlich wirst Du sie schon nicht mehr hören, weil sie keinen Bestand haben werden. Er sprach von der starken Wirtschaftskraft in der DDR und ihren hervorragenden Mitarbeitern. Ich hatte mich schon vorher beim Hören von Westnachrichten gewundert, wie häufig die DDR-Wirtschaft grandios überschätzt wurde – früher unwichtig, jetzt, zur Wende, mit fatalen Folgen.

2. Pastor Joachim Gauck


In der DDR war er »kleiner« Stadtteil-Pastor. Er weiß es sicher nicht mehr, aber einmal war er beim Klinkenputzen auch an meiner Tür. Die Kirche hatte einen unglaublich schweren Stand im damaligen atheistischen Land – hat aber niemals aufgegeben. Ich hatte Geburtstag und da Angehörige meiner Familie immer mal in die Kirche gingen, der sie angehörten, bat ich ihn auf einen Schluck herein. Allgemein wurden Pastoren damals rüde an der Tür zurück gewiesen, man durfte es schließlich »von Staats wegen«. Während der Wende gehörte Gauck dann zu den vielen Rednern (Pastoren haben’s ja gelernt), aber im Unterschied zu vielen Quasselköpfen hat er immer, wirklich immer den Nagel auf den Kopf getroffen. Sein Vergleich der DDR mit den Nazis – das war unerhört bislang! Wir waren begeistert, wenn wir ihn hörten und in und vor seiner Marienkirche drängten sich tausende Begeisterte, die drinnen keinen Platz mehr gefunden hatten! Er hatte den Mut, viele Dinge konsequent beim Namen zu nennen, als es durchaus noch gefährlich war und meine Freunde vom STASI, die Kampfgruppen der Arbeiterklasse (die paramilitärische Streitmacht der Arbeiterklasse) und andere Wächter sich »unters Volk gemischt« hatten. Die Nationale Volksarmee (so hieß die damals wirklich) stand bis an die Zähne gerüstet Gewehr bei Fuß in ihren gesicherten Objekten und wartete auf ihn, auf den Befehl.11 Später wurde Gauck mit dem Posten des »obersten Stasijägers« belohnt – einem ziemlich undankbaren Posten, meine ich. Ich jedenfalls hätte auf diese »Belohnung« verzichtet! Er war dann der erste fachlich und sachlich kompetente »Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik« – ein langer Titel. Es sollten noch häufiger solche Titel-Ungetüme entstehen, nach der Wende. Es gab und gibt aber entsprechend endlos lange Reihen von Unterlagen (leider auch meine dazwischen), obwohl die Stasis vehement versucht hatten, soviel wie möglich davon zu vernichten. Zuerst natürlich die eigenen, leider teilweise auch erfolgreich. Jetzt erst wurde das Volk mit dem makabren IM bekannt gemacht und benutzte ihn schnell als Buhmann, gezielt als Ablenkungsmanöver von den immer noch aktiven und eigentlich verantwortlichen SED-Spitzenkadern aufgebaut. In der Wende sang man noch fröhlich »Stasi in die Produktion …« und nicht etwa »IM an den Galgen!« Dabei war er, der IM, doch auch nur ein Mensch. Inzwischen gibt es sogar einen preisgekrönten Film über den STASI,12 der mich sehr berührt hat und der zumindest diese Option offen lässt. Gauck hat meiner Meinung nach diese Option beachtet und jedenfalls eine wichtige und notwendige Aufgabe begonnen, die weitere Aufarbeitung einer ganz miesen deutschen Vergangenheit. Gauck hat sich dabei natürlich viele Feinde gemacht, er hat unbestechlich und unbeirrt gehandelt, so wie es notwendig war. Niemand ist zu Unrecht bestraft worden. Im Gegenteil, bei zu vielen dieses Klientels habe ich den Eindruck, sie sind viel zu leicht davon gekommen und haben nichts bereut oder hinzu gelernt.

Nicht in eine Widmung kommen in der Regel die,

3. »die alles bezahlen mussten«.


In meiner Nicht-Widmung sollen sie genannt werden! »Die« ist in diesem Fall die westliche Hälfte der Deutschen – die WESSIs und deren Freunde und Verbündete. Über Geld redete man, als ach so bescheidener Edler, schon in DDR-Zeiten nicht, als man seinen Reichtum, wenn es ihn dann gab, lieber verbarg. In meinen folgenden Berichten wird jedenfalls auch über Geld geredet.

Ich verstehe zu wenig von ihnen, den WESSIs, die durch Mauern und Grenzen von mir getrennt eines so völlig anderen deutschen Weges gewandelt sind, als dass ich sie hier bewerten und beurteilen kann. Aber eines weiß ich (und jeder Pragmatiker muss mir einfach beipflichten): Alleine ihre 40-jährige freie Existenz neben uns hat es möglich gemacht, den Kraftakt der Wende in Deutschland (nun dürfen wir DDR-niks sogar »Deutschland« sagen) zu finanzieren. Sie, die von uns früher als Klassenfeinde, Faschisten und die schlechteren Deutschen verurteilt und beschimpft wurden und von vielen Stammtisch-OSSIs es auch heute noch werden. Ich sagte betont »zu finanzieren«, denn unsere östlichen Nachbarn, die ähnliche Blubbs erlebten, hatten und haben weitaus größere Finanzprobleme und hätten sicher auch gern zahlende WESSIs an ihrer Seite gehabt. Es ist offensichtlich nicht schwer, marode Gefängnismauern aus eigener Kraft umzustürzen und einzureißen – danach kommt das Erwachen, denn dann muss die Freiheit aufgebaut und vor allem bezahlt werden. Mit der Erfahrung als Häftling und den wertlosen Geldscheinen einer bisher internen Gefängniswährung geht das nur sehr schwer … In der DDR sagten böse Zungen schon früher, dass unser DDR-Geld, wenn überhaupt, nur als Einwickelpapier für Kleinteile im Ausland, besonders natürlich im Westen, benutzt werden könnte.

Inzwischen habe ich, 18 Jahre nach dem Blubb, ein Buch gefunden, das ich Dir ans Herz legen möchte. Es handelt vom Schönreden der SED-Diktatur13 und ist wohl eines der wichtigsten Bücher, die man lesen sollte, wenn man sich denn überhaupt mit untergegangenen Diktaturen und speziell mit der DDR beschäftigen will (oder muss). Hubertus Knabe, natürlich auch ein Klassenfeind, hat hier eine solide Arbeit geleistet und wird dafür auch schon tüchtig beschimpft. Das Buch ist nach meiner Auffassung, neben anderen Büchern, Standard- und Pflichtliteratur14 für dieses Thema.

Heinrichs sagte 1989:

»Nun ist es also gekommen, wie über 40 Jahre an die Wand gemalt: Die WESSIs haben ihre armen Brüder und Schwestern aus der Zone15 bekommen – die OSSIs haben ihren Klassenkampf 16 verloren!«

Hier definiere ich ausführlicher:

10 Klassenfeinde waren in der DDR alle, die nicht so wollten, wie es gerade Vorschrift war. Vor allem ganze Staaten und Völker wurden gern zum Klassenfeind erklärt, an erster Stelle immer die USA und gleich danach die BRD (die damals andere, die westliche Hälfte Deutschlands). Der Klassenfeind war zu bekämpfen – mit allen Mitteln und überall, und sei es auf einer Familien-Geburtstagsfeier. Und (fast) alle spielten und schwatzten mit!

11 Später und bis heute wird gerätselt, wie und warum es nicht dazu kam, die Konterrevolution (so hieß eine Erscheinung wie die Wende zuvor, nachdem sie im Blut der Konterrevolutionäre erstickt worden war) zu zerschlagen. Ich habe mit eigenen Ohren die bedauernde Äußerung vernommen: »Warum haben WIR nicht geschossen!«

12 »Das Leben der Anderen«. Ein guter Film, da er zum Nachdenken anregt und am Beispiel eines...



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